AG Bremen, Urteil vom 26.01.2017 – 85 Ds 560 Js 30576/16 (161/16)

Amtsgericht Bremen
Im Namen des Volkes Urteil

85 Ds 560 Js 30576/16 (161/16)

In der Strafsache

gegen

…, geboren am … in Oldenburg, wohnhaft …, Bremen, Staatsangehörigkeit deutsch,

Verteidiger:
Rechtsanwalt Freddy Beier, Gröpelinger Heerstraße 387, 28239 Bremen

wegen Volksverhetzung

hat das Amtsgericht Bremen – Strafrichterin – in der öffentlichen Sitzung vom 26.01.2017, an der teilgenommen haben:

Richterin am Amtsgericht … als Strafrichterin

Staatsanwältin … als Beamtin der Staatsanwaltschaft

Rechtsanwalt Freddy Beier als Verteidiger

Justizobersekretär … als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:

Der Angeklagte ist der Volksverhetzung schuldig.

Er wird verwarnt.

Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15,00 € bleibt Vorbehalten.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine eigenen notwendigen Auslagen.

Angewandte Vorschriften; §§ 130 Abs. 1 Nr. 2, 59 StGB.

Gründe:
I.

Der Angeklagte wurde in Oldenburg geboren und war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 46 Jahre. Er ist verheiratet und hat 2 Kinder. Der Angeklagte ist gelernter Kraftfahrer. Derzeit ist er krankgeschrieben und erhält Krankengeld in Höhe von ca. 1.000,00 € im Monat. Seine Ehefrau ist ebenfalls berufstätig.

Ausweislich der in der Hauptverhandlung erörterten Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 03.01.2017 ist der Angeklagte nicht vorbestraft.

II.

Aufgrund der teilgeständigen Einlassung des Angeklagten und der in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Urkunden (Ausdrucke einer Anzeige bei Facebook und des zugehörigen Kommentarverlaufs, Bl. 6, 7 und 9 d. A.) konnte folgender Sachverhalt festgestellt werden:

Auf der für jedermann zugänglichen Facebook-Seite „Deutschland …“ wurde vor dem 08.03.2016 neben einem Phantombild, welches einen jüngeren schwarzen Mann zeigt, folgender Text veröffentlicht:

„HILFE !! Überfall !! TEILEN !!
Flüchtling überfällt sexuell eine deutsche Frau!
Auf dem Heimweg wurde eine Frau Opfer eines brutalen Angriffs. Ein Afrikaner schlug und begrapschte sie. Fast ein Dutzend „Flüchtlinge“ schauten bei der Attacke zu. Die Polizei sucht mit Phantombild nach dem Täter.
Dort presste er die 55-jährige an eine Hauswand, begrapschte sie und schlug ihr mit der Faust in den Unterleib.“

Der Angeklagte schrieb am 09.03.2016 gegen 23:45 Uhr zu diesem Text folgenden Kommentar:

„Ich könnte im Kreis kotzen, jeden Tag diese Nachrichten, wie soll es denn erst im Sommer werden wenn die Frauen am Baggersee oder im Freibad sich sonnen, oder einfach leicht bekleidet, wie gewohnt, sich auf der Straße bewegen. Es wird wohl nicht mehr ohne zusätzliche security möglich sein, dank Merkel und ihrem genetischen Abfall.“

III.

1. Nach den vorstehenden Feststellungen hat sich der Angeklagte wegen Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gemacht.

Bei der Bezeichnung als „genetischer Abfall“ handelt es sich um eine besonders herabsetzende Kundgabe der Missachtung und damit um eine Beschimpfung i. S. v. § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Diese richtet sich, wie sich aus dem kommentierten Text und der Bezugnahme auf die Bundeskanzlerin klar ergibt, gegen Flüchtlinge. Soweit der Angeklagte in der Hauptverhandlung angegeben hat, er habe nur die Täter aus dem kommentierten Artikel damit gemeint, wird dies als Schutzbehauptung gewertet. Die Wortwahl „genetischer Abfall“ zusammen mit der Herstellung des Bezuges zur Bundeskanzlerin sprechen nicht für die Beschimpfung eines einzelnen Sexualstraftäters, sondern wenden sich klar gegen Flüchtlinge und die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin.

2. Der maßgebliche Strafrahmen folgt für die Volksverhetzung aus § 130 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren. Im Rahmen der konkreten Strafzumessung war zu Gunsten des Angeklagten insbesondere zu werten, dass er sich teilgeständig eingelassen hat und bisher nicht vorbestraft ist. Demgegenüber musste sich strafschärfend auswirken, dass die gewählte Formulierung „genetischer Abfall“ im besonderen Maße geeignet ist, einen Menschen allein aufgrund seiner Herkunft in seiner Würde erheblich herabzusetzen. Durch das verwendete Medium des Internets war die Beschimpfung zudem grundsätzlich einer unüberschaubar großen Anzahl von Personen jeden Alters zugänglich.

Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hat das Gericht eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,00 € für angemessen erachtet. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe war im vorliegenden Fall nicht unerlässlich im Sinne von § 47 Abs. 2 S. 1 StGB.

Das Gericht hielt es zudem für vertretbar, die Verurteilung zu dieser Strafe vorzubehalten, § 59 StGB. Es liegen nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Täters besondere Umstände vor, die eine Verhängung von Strafe entbehrlich machen. Der Angeklagte ist nicht vorbestraft und auch nach der Tat nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er hat zudem in der Hauptverhandlung deutlich gemacht, dass er sich über den Artikel aufgeregt habe und es diese Wut gewesen sei, die ihn zu dem Kommentar verleitet habe. Das Gericht geht insofern davon aus, dass es sich bei der Tat um eine sich nicht wiederholende Ausnahme handelt. Abschließend konnte das Gericht den Eindruck gewinnen, dass das Verfahren, insbesondere die durchgeführte Durchsuchung und der Hauptverhandlungstermin, den Angeklagten hinreichend beeindruckt haben und er zukünftig keine Straftaten mehr begehen wird.

Nach alledem gebietet auch die Verteidigung der Rechtsordnung nicht die Verurteilung zu Strafe.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.

 

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