BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 – 1 BvR 467/09

Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Regelung nach § 1696 Abs. 1 BGB reichen bei weitem nicht an die Anforderungen heran, die Art. 6 Abs. 3 GG an die Trennung der Kinder von der Familie stellt. Danach müssen die Erziehungsberechtigten versagen oder die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Aufgrund dessen hat § 1666 BGB in Fällen, in denen es nicht darum geht, die getroffene Sorgeregelung wegen veränderter Umstände abzuändern, sondern bei Gefährdung des Kindeswohls gerichtlich einzuschreiten, Vorrang vor einer Abänderung nach § 1696 BGB (vgl. Diederichsen, in: Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 1696 Rn. 9; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. November 1993 – 1 BvR 1045/93 -, juris).

Voraussetzung der Entziehung elterlicher Sorge ist eine Gefährdung des Kindeswohls, also ein bereits eingetretener Schaden oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei seiner weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.

Bei einer Einrichtung einer Umgangspflegschaft ist zu berücksichtigen, dass

„es Aufgabe der Familiengerichte ist, eine Entscheidung zu treffen und dabei sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger zu berücksichtigen, wenn sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen können (vgl. BVerfGE 64, 180 <187 f.>). Dies bedeutet, dass die Entscheidung über den Umgang und seine Ausgestaltung nicht durch das Gericht auf Dritte, insbesondere das Jugendamt, überantwortet werden darf. Das Gericht selbst hat eine konkrete und vollständige Regelung zu treffen (vgl. Rauscher, in: Staudinger, BGB,Neubearbeitung 2006, § 1684 Rn. 170). Damit ist die vom Oberlandesgericht unbeanstandete, vom Familiengericht vorgenommene Entziehung des Umgangsregelungsrechts und die Bestellung eines Ergänzungspflegers, dem die Entscheidungskompetenz für zukünftige Umgangskontakte im Falle des Scheiterns einer elterlichen Vereinbarung übertragen worden ist, nicht vereinbar. Soweit der Senat darin eine Möglichkeit sieht, D. aus Kindeswohlgesichtspunkten aus der Entscheidungsfindung der Eltern herauszuhalten, wäre dieses Ziel ebenso gut durch eine klare gerichtliche Umgangs(neu)regelung zu erreichen gewesen.“ (BVerfG, 1 Bv12 467/09 vom 17.6.2009, Absatz-Nr.34,

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

Im Namen des Volkes

In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde

1. des Herrn Dr. W…,
2. der Minderjährigen K…,

gegen

a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe – 18. Familiensenat in Freiburg – vom 24. Oktober 2008 – 18 UF 174/08 -,
b) den Beschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 23. Juni 2008 – 2 F 125/06 –

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch

die Richterin Hohmann-Dennhardt
und die Richter Gaier,
Kirchhof

am 17. Juni 2009 einstimmig beschlossen:

Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Karlsruhe – 18. Familiensenat in Freiburg – vom 24. Oktober 2008 – 18 UF 174/08 – und des Amtsgerichts Konstanz vom 23. Juni 2008 – 2 F 125/06 – verletzen den Beschwerdeführer zu 1) in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.

Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer zu 1) seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer zu 1) wendet sich mit seiner im eigenen und im Namen seiner im Juni 2000 geborenen Tochter eingelegten Verfassungsbeschwerde gegen die teilweise Entziehung des elterlichen Sorgerechts.

1. Der Beschwerdeführer zu 1) ist Vater der aus der nichtehelichen Beziehung zur Kindesmutter hervorgegangenen Tochter D., der Beschwerdeführerin zu 2). Im Juli 2002 gaben die Kindeseltern eine gemeinsame Sorgeerklärung ab. Nachdem die Tochter nach der Trennung der Eltern im September 2002 zunächst bei der Kindesmutter gelebt hatte, übertrug das Amtsgericht das alleinige elterliche Sorgerecht im Juni 2004 auf den Beschwerdeführer zu 1). In der Folge praktizierten die Eltern eine Umgangsvereinbarung, nach der sich das Kind von Donnerstag nach Kindergarten- oder Schulschluss bis Dienstagmorgen bei der Mutter und anschließend bis zum darauffolgenden Donnerstag beim Beschwerdeführer zu 1) aufhielt. In der ersten Jahreshälfte 2006 reduzierte der Beschwerdeführer zu 1) den Umgang des Kindes mit der Mutter eigenmächtig, in den Monaten März bis Juni 2006 fanden keinerlei Umgangskontakte statt. Seither wird der Umgang entsprechend der Vereinbarung wieder umgesetzt. Die Unterbrechung veranlasste die Kindesmutter zur Einleitung eines Sorgerechtsverfahrens mit dem Antrag, die elterliche Sorge auf sie zu übertragen.

a) Durch Beschluss vom 23. Juni 2008 wies das Amtsgericht nach Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens den Antrag der Kindesmutter zurück, entzog dem Beschwerdeführer zu 1) das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Regelung des Umgangs sowie das Recht der Gesundheitssorge, ordnete in diesem Umfang Ergänzungspflegschaft an und bestellte das Jugendamt als Ergänzungspfleger. Das Gericht begründete die auf § 1696 Abs. 1 BGB gestützte Teilentziehung der elterlichen Sorge im Wesentlichen mit der eingeschränkten Bindungstoleranz und der Kooperationsverweigerung des Beschwerdeführers zu 1), die dem Kindeswohl schadeten. Es sei zu befürchten, dass der Beschwerdeführer zu 1) aufgrund vom Kind über die Kindesmutter erhaltener Informationen den Umgang willkürlich einschränken werde. Durch Einschaltung eines Ergänzungspflegers könne das Kind entlastet werden, da die Eltern die besonders strittigen Fragen unter dessen Moderation lösen müssten.

b) Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) schränkte das Oberlandesgericht die Entscheidung des Amtsgerichts mit Beschluss vom 24. Oktober 2008 dahingehend ein, dass dem Beschwerdeführer zu 1) das Recht der Gesundheitssorge lediglich entzogen werde, soweit es um die Aufnahme einer psychotherapeutischen Behandlung beziehungsweise Zuführung des Kindes zu einer Trennungs- oder Scheidungskindergruppe gehe. Im Übrigen wies es die Beschwerde zurück.

Im Hinblick auf den Entzug des Rechts zur Aufenthaltsbestimmung und zur Umgangsregelung sei die Abänderungsentscheidung des Amtsgerichts aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt. Der Beschwerdeführer zu 1) versuche, die Mutter, der gegenüber er eine feindselige Haltung einnehme, aus dem Leben des Kindes zu verdrängen. Aufgrund der ständigen Vorschläge des Beschwerdeführers zu 1), den Umgang zu beschneiden, der mangelnden Kommunikation der Eltern und der fehlenden Gesprächsbereitschaft des Beschwerdeführers zu 1), derentwegen eine einvernehmliche Lösung mithilfe einer Beratungsstelle nicht zu erzielen sei, sei die Entziehung des Rechts der Umgangsregelung die einzige Lösung. Damit könne auch verhindert werden, dass das Kind in die Entscheidungsfindung der Eltern einbezogen werde. Aufgrund der Übertragung des Umgangsregelungsrechts auf den Ergänzungspfleger sei es folgerichtig, diesem auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Nur dies ermögliche dem Ergänzungspfleger, etwaige von den Vorstellungen und Wünschen des Beschwerdeführers zu 1) abweichende Umgangskontakte bei dessen Weigerung schlimmstenfalls mithilfe von Gerichtsvollzieher oder Polizei durchzusetzen und die Herausgabe des Kindes zu erzwingen. Zudem habe der Beschwerdeführer zu 1) gegenüber der Sachverständigen als Mittel der Entspannung einen Umzug mit dem Kind aus dem Einzugsbereich der Mutter heraus angekündigt. Die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts sei die einzige Möglichkeit, eine willkürliche Sofortentscheidung zum Wohle des Kindes zu verhindern. Schließlich sei diese Maßnahme auch deshalb erforderlich, weil ein weiterer Verbleib des Kindes beim Beschwerdeführer zu 1) unter Umständen in absehbarer Zeit nicht mehr mit seinem Wohl vereinbar und aus diesem Grund ein Obhutswechsel unerlässlich sein könne. Angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers zu 1), dessen Lebensinhalt lediglich noch das Kind (beziehungsweise der Kampf gegen die Mutter) sei und der weder Fehler bei sich noch beim Kind akzeptieren könne, sondern die Schuld allein auf Dritte schiebe, könne von einem gedeihlichen Heranwachsen des Kindes in der Obhut des Beschwerdeführers zu 1) wohl nicht mehr lange ausgegangen werden.

Ausreichend, aber aus triftigen Kindeswohlgründen geboten sei die Teilentziehung der Gesundheitssorge. Die Sachverständige habe die Entziehung der Gesundheitssorge nur deshalb vorgeschlagen, weil sie dies als einzige Möglichkeit gesehen habe, das Kind angesichts der von ihr konstatierten psychosomatischen Erkrankung einer psychotherapeutischen Behandlung zuführen zu lassen. Das Kind solle angesichts seines ständigen Bemühens um Loyalität unbedingt die Möglichkeit bekommen, mit einer neutralen dritten Person über die Probleme mit seinen Eltern zu sprechen.

Von einer persönlichen Anhörung, die mit einer erheblichen Belastung für das Kind verbunden gewesen wäre, sei mangels weiteren Erkenntnisgewinns abgesehen worden. Ferner habe die Verfahrenspflegerin im Beschwerdeverfahren mit dem Kind gesprochen und Bericht erstattet. Schließlich hätten die Kindesmutter und unter – hier aber nicht relevanter – Einschränkung auch der Beschwerdeführer zu 1) auf eine Anhörung verzichtet.

c) Mit Beschluss vom 21. Januar 2009 wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zu 1) zurück.

2. Der Beschwerdeführer zu 1) rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 23. Juni 2008 und des Oberlandesgerichts vom 24. Oktober 2008 unter anderem eine Verletzung seines Elternrechts.

3. Auf Antrag des Beschwerdeführers zu 1) setzte die Kammer im Wege der einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 14. April 2009 die Wirksamkeit der Beschlüsse des Oberlandesgerichts Karlsruhe – 18. Familiensenat in Freiburg – vom 24. Oktober 2008 und des Amtsgerichts Konstanz vom 23. Juni 2008 einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens für sechs Monate, aus.

4. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

5. Die Verfassungsbeschwerde wurde der Landesregierung Baden-Württemberg und dem Stadtjugendamt Konstanz, die von einer Stellungnahme absahen, sowie der Kindesmutter zugestellt, die die angegriffenen Entscheidungen verteidigt.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1) zur Entscheidung an und gibt ihr statt.

1. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Elternrechts des Beschwerdeführers zu 1) geboten (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

a) Soweit sich der Beschwerdeführer zu 1) allerdings in Vertretung auf die Grundrechte seines Kindes beruft, scheitert die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde an einem nicht auszuschließenden Widerstreit zwischen dessen – wohlverstandenen – Interessen und jenen des Beschwerdeführers zu 1). Denn die Fachgerichte haben dem Beschwerdeführer zu 1) aus Gründen des Kindeswohls wesentliche Teile des elterlichen Sorgerechts entzogen. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Verfassungsbeschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer zu 1) ersichtlich nicht betrieben (vgl. BVerfGE 72, 122 <133 ff.> ).

b) Soweit der Beschwerdeführer zu 1) für sich selbst Verfassungsbeschwerde eingelegt hat, ist diese begründet. Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 23. Juni 2008 und des Oberlandesgerichts vom 24. Oktober 2008 verletzen ihn in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

aa) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, die grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden können, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (BVerfGE 60, 79 <88>). Diese primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes am besten von den Eltern wahrgenommen werden (BVerfGE 34, 165 <184>).

Kinder dürfen gegen den Willen des Sorgeberechtigten nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen (vgl. BVerfGE 72, 122 <137 f.>). Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramtes, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Das elterliche Fehlverhalten muss vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (BVerfGE 60, 79 <91>).

Wenn Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen und damit zugleich die Trennung der Kinder von ihnen gesichert oder ermöglicht wird, darf dies zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (vgl. BVerfGE 60, 79 <89>). Dieser gebietet es, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist. Der Staat muss daher nach Möglichkeit zunächst versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. BVerfGE 24, 119 <145>; 60, 79 <93>).

In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht befunden, dass der Gesetzgeber mit § 1666 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1666a BGB eine Regelung geschaffen hat, die es dem Familiengericht ermöglicht, bei Maßnahmen zum Schutze des Kindes auch dem grundgesetzlich verbürgten Elternrecht hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 60, 79 <88 f.>; 72, 122 <138> ).

Grundsätzlich ist die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen im einzelnen Fall Angelegenheit der zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Ihm obliegt lediglich die Kontrolle, ob die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben lassen sich die Grenzen der Eingriffsmöglichkeit des Bundesverfassungsgerichts aber nicht starr und gleichbleibend ziehen. Sie hängt namentlich von der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung ab ( BVerfGE 72, 122 <138> ; stRspr.).

Bei gerichtlichen Entscheidungen, die Eltern das Sorgerecht für ihr Kind entziehen, bestehen wegen des sachlichen Gewichts der Beeinträchtigung der Eltern in ihren Grundrechten aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG Anlass, über den grundsätzlichen Prüfungsumfang hinauszugehen (BVerfGE 72, 122 <138>). Daher können neben der Frage, ob die angefochtene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen, auch einzelne Auslegungsfehler nicht außer Betracht bleiben (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>; 75, 201 <222> ).

bb) Im vorliegenden Fall sind die Fachgerichte diesen Maßstäben nicht gerecht geworden, sondern haben das Elternrecht des Beschwerdeführers zu 1) in Umfang und Tragweite verkannt; das gewählte Verfahren bot nicht hinreichende Gewähr für die erforderliche umfassende Sachverhaltsaufklärung.

(1) Die Begründungen beider Beschlüsse deuten darauf hin, dass die Gerichte nicht von dem für die Teilentziehung der elterlichen Sorge einschlägigen Prüfungsmaßstab der §§ 1666, 1666a BGB ausgegangen sind. Das Amtsgericht stützt sich ausschließlich auf die Norm des § 1696 Abs. 1 BGB. Das Oberlandesgericht führt zwar aus, auf die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) sei der amtsgerichtliche Beschluss in Bezug auf die Gesundheitssorge abzuändern; eine solche Entscheidung sei erforderlich, da andernfalls das Kindeswohl D. gefährdet wäre (§ 1696 Abs. 1, § 1666 BGB). Insoweit bleibt jedoch unklar, ob damit die Notwendigkeit der Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung aus Gründen des Kindeswohls gemeint ist, wofür der Zusammenhang spricht. Mit Blick auf die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Rechts der Umgangsregelung bestätigt das Oberlandesgericht die Entscheidung des Amtsgerichts allerdings ausdrücklich in der Anwendung des § 1696 Abs. 1 BGB und legt umfangreich die Anforderungen dieser Vorschrift („triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe“) dar. Indem es ausführt, ein Änderungsinteresse unter Kindeswohlgesichtspunkten gemäß § 1696 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des § 1666 BGB sei vorliegend eindeutig gegeben, erwähnt das Oberlandesgericht die Norm des § 1666 BGB zwar am Rande, legt aber an keiner Stelle deren Voraussetzungen (Gefährdung des körperlichen, geistigen und seelischen Wohls des Kindes, mangelnde elterliche Gefahrabwendung) dar. Stattdessen rekurriert das Gericht stets wieder auf „triftige, das Wohl von D. nachhaltig berührende Gründe“.

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Fachgerichte mit der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen haben, dass das Jugendamt als Ergänzungspfleger das Kind ohne nochmalige richterliche Prüfung aus dem Haushalt des Vaters nehmen und einen Obhutswechsel zur Mutter oder auch in eine Einrichtung oder Pflegefamilie veranlassen kann. Das Oberlandesgericht zieht diese Möglichkeit auch ausdrücklich als Begründung mit heran. Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Regelung nach § 1696 Abs. 1 BGB reichen aber bei weitem nicht an die Anforderungen heran, die Art. 6 Abs. 3 GG an die Trennung der Kinder von der Familie stellt. Danach müssen die Erziehungsberechtigten versagen oder die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Aufgrund dessen hat § 1666 BGB in Fällen, in denen es nicht darum geht, die getroffene Sorgeregelung wegen veränderter Umstände abzuändern, sondern bei Gefährdung des Kindeswohls gerichtlich einzuschreiten, Vorrang vor einer Abänderung nach § 1696 BGB (vgl. Diederichsen, in: Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 1696 Rn. 9; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. November 1993 – 1 BvR 1045/93 -, juris).

(2) Unabhängig vom angewandten Prüfungsmaßstab greift die Sorgerechtsentziehung unverhältnismäßig in das Elternrecht des Beschwerdeführers zu 1) ein.

(a) Voraussetzung der Entziehung elterlicher Sorge ist eine Gefährdung des Kindeswohls, also ein bereits eingetretener Schaden oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei seiner weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. Diederichsen, in: Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 1666 Rn. 10). Den Ausführungen der Fachgerichte lässt sich nicht entnehmen, dass ein Schaden bereits eingetreten ist oder konkret droht.

(b) Im Beschluss des Amtsgerichts findet sich keine konkrete Begründung, weshalb der Entzug einzelner Teilbereiche der elterlichen Sorge für erforderlich gehalten wird. Dies trifft insbesondere auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitssorge zu. Darüber hinaus hätte das Amtsgericht das Kind vor der Entziehung der elterlichen Sorge anhören müssen. Gründe, die ein Absehen von einer Anhörung gerechtfertigt hätten, werden in der Entscheidung weder genannt noch sind sie sonst ersichtlich.

(c) (aa) Soweit der Entzug des Rechts zur Regelung des Umgangs betroffen ist, setzen sich beide Gerichte nicht damit auseinander, dass die im Jahre 2004 geschlossene, im Jahr 2006 gerichtlich gebilligte und der Kindesmutter einen großzügigen Umgang einräumende Vereinbarung der Eltern seit Ende Juni 2006 wieder ohne wesentliche Beeinträchtigungen umgesetzt wird. Keiner der Beschlüsse lässt hinreichende Anhaltspunkte für Umgangsbehinderungen durch den Beschwerdeführer zu 1) erkennen. Soweit das Oberlandesgericht auf das im Jahr 2006 anhängig gewesene Umgangsverfahren rekurriert, in dem offenkundig zu Tage getreten sei, „auf welch selbstherrliche Art der Beschwerdeführer von der Umgangsregelung immer weiter abgerückt“ sei und „dieser immer wieder seine Bedingungen zu diktieren“ gesucht habe, liegen diese Vorfälle bereits über zwei Jahre vor der Entscheidung des Oberlandesgerichts zurück, so dass eine aktuelle Kindeswohlgefährdung darauf nicht gestützt werden kann. Die Argumentation, das damalige Verhalten des Beschwerdeführers zu 1) habe sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht verändert, was sich aus dessen die bisherige Umgangsregelung beschneidenden Vorschlägen ergebe, verkennt, dass es sich dabei um legitime Vorschläge handelt, die der Beschwerdeführer zu 1) mit dem Ziel einer neuen gerichtlichen Umgangsregelung unterbreitet hat. Der Entscheidung ist ansonsten nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer zu 1) in jüngerer Vergangenheit eigenmächtige Abänderungen der Umgangskontakte vorgenommen hätte. Dass der Beschwerdeführer zu 1) im prozessual vorgesehenen Rahmen auf die Abänderung der bestehenden Umgangsregelung hinwirkte, kann ihm nicht angelastet werden.

Auch der vom Oberlandesgericht angeführte Vorfall aus dem Jahre 2007 lässt eine Umgangsbehinderung nicht ohne Weiteres erkennen, zumal auch dieser einige Zeit zurückliegt. Sein damals geäußerter, nachvollziehbar begründeter Wunsch, als Sorgeberechtigter allein mit seiner Tochter an einem Projektnachmittag der Schule teilnehmen zu wollen, lässt nicht den Schluss des Oberlandesgerichts zu, in seinem Verhalten komme „deutlich die egozentrische und auf Verdrängung der Mutter gerichtete Grundtendenz des Vaters zum Ausdruck“. Überdies lassen die Entscheidungsgründe nicht erkennen, dass der Umgangskontakt der Mutter an diesem Tag nicht stattgefunden hat.

In keiner der Entscheidungen finden sich Anhaltspunkte dafür, dass gegen den Beschwerdeführer zu 1) Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung des Umgangsrechts hätten ergriffen werden müssen.

Worauf das Amtsgericht seine prognostische Schlussfolgerung stützt, der Beschwerdeführer zu 1) könne angesichts der von D. überbrachten Informationen über die Zustände bei der Kindesmutter willkürlich den Umgang einschränken, wird nicht deutlich. Insbesondere ist ein entsprechender Vorfall aus der Vergangenheit nicht ersichtlich. Ebenso ist der von beiden Fachgerichten erhobene Vorwurf, dem Beschwerdeführer zu 1) sei die Bedeutung der Bindung zum anderen Elternteil nicht bewusst und seine Bindungstoleranz sei eingeschränkt, angesichts des tatsächlichen Funktionierens der großzügigen Umgangsregelung zugunsten der Kindesmutter nicht nachvollziehbar.

(bb) Soweit die Beschlüsse dem Beschwerdeführer zu 1) wiederholt mangelnde Kommunikationsbereitschaft vorwerfen, lassen sie eine Auseinandersetzung mit den auf dessen Gesprächsbereitschaft bestehenden Hinweisen vermissen. So hatte der Beschwerdeführer zu 1) nach Mitteilung der Sachverständigen vom 11. Januar 2008 die Kommunikation mit der Kindesmutter aufgenommen. Auch im Rahmen der amtsgerichtlichen Verhandlung vom 8. Mai 2008 schilderte der Beschwerdeführer zu 1) unwidersprochen, dass die Kommunikation zwischen den Parteien in der Vergangenheit auch sehr oft und gut funktioniert habe, und erklärte sich auch weiterhin zu Gesprächen mit der Kindesmutter bereit. Allein die Anwesenheit eines Dritten halte er nicht für förderlich. Wie das Amtsgericht insofern zu dem Schluss gelangt ist, eine Kommunikation zwischen den Parteien sei undenkbar, hätte zumindest näherer Erörterung bedurft. Gegenüber dem Oberlandesgericht hat der Beschwerdeführer zu 1) sogar Bereitschaft zur Aufnahme von Gesprächen mit der Mutter bei der Beratungsstelle Konstanz gezeigt, wenn ihm vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitssorge für D. belassen würden.

(cc) Die Einrichtung der Umgangspflegschaft begegnet auch insofern verfassungsrechtlichen Bedenken, als der Senat nicht hinreichend berücksichtigt hat, dass es Aufgabe der Familiengerichte ist, eine Entscheidung zu treffen und dabei sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger zu berücksichtigen, wenn sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen können (vgl. BVerfGE 64, 180 <187 f.>). Dies bedeutet, dass die Entscheidung über den Umgang und seine Ausgestaltung nicht durch das Gericht auf Dritte, insbesondere das Jugendamt, überantwortet werden darf. Das Gericht selbst hat eine konkrete und vollständige Regelung zu treffen (vgl. Rauscher, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2006, § 1684 Rn. 170). Damit ist die vom Oberlandesgericht unbeanstandete, vom Familiengericht vorgenommene Entziehung des Umgangsregelungsrechts und die Bestellung eines Ergänzungspflegers, dem die Entscheidungskompetenz für zukünftige Umgangskontakte im Falle des Scheiterns einer elterlichen Vereinbarung übertragen worden ist, nicht vereinbar. Soweit der Senat darin eine Möglichkeit sieht, D. aus Kindeswohlgesichtspunkten aus der Entscheidungsfindung der Eltern herauszuhalten, wäre dieses Ziel ebenso gut durch eine klare gerichtliche Umgangs(neu)regelung zu erreichen gewesen.

(dd) Angesichts dessen, dass das Oberlandesgericht den Sorgerechtsentzug auf das Bestreben des Beschwerdeführers zu 1), die Mutter aus dem Leben des Kindes zu drängen und ihr die Bedingungen für den Umgang vorzugeben, die konträren Vorstellungen der Eltern und die mangelnde Gesprächsbereitschaft des Beschwerdeführers zu 1) stützt, bleibt unklar, inwiefern die Umgangspflegschaft zur Lösung dieser Schwierigkeiten geeignet ist. Weder wird im Beschluss dargelegt noch ist sonst ersichtlich, dass dem Jugendamt im Rahmen der Ergänzungspflegschaft Einflussmöglichkeiten zur Verfügung stünden, die zu einem Einvernehmen der Eltern führen oder das beanstandete Verhalten des Beschwerdeführers zu 1) ändern könnten.

(d) (aa) Die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts stützt das Oberlandesgericht auf die Ankündigung des Beschwerdeführers zu 1) gegenüber der Sachverständigen, einen Umzug mit dem Kind weg vom Einzugsbereich der Mutter als Mittel der Entspannung in Erwägung zu ziehen. Insoweit hätte es jedoch angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer zu 1) offenbar tatsächlich noch keinerlei Schritte zur Realisierung eines Umzuges unternommen hat, der Erörterung der Frage bedurft, wie ernsthaft seine Äußerung gemeint war. Dies gilt umso mehr, als die Sachverständige bereits in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 11. Januar 2008 mitgeteilt hatte, der Beschwerdeführer zu 1) könne seine derzeitigen beruflichen Vorstellungen wahrscheinlich nur in dieser Region verwirklichen, so dass zu fragen wäre, wie es mit seinem Wegzug in Wirklichkeit bestellt sei und ob dies lediglich als Drohung gedacht gewesen sei. Die Einschätzung des Oberlandesgerichts, die Einschaltung eines Ergänzungspflegers sei die einzige Möglichkeit, eine „willkürliche Sofortentscheidung des Vaters“ zu verhindern, lässt sich auf diese vage Äußerung kaum stützen und trägt zudem auch deshalb nicht, weil einem konkreten Umzug des Beschwerdeführers zu 1) mit dem Kind gegebenenfalls durch eine Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Wege der einstweiligen Anordnung entgegengewirkt werden könnte.

(bb) Das Oberlandesgericht begründet die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Dritten mit dem Entzug des Rechts der Umgangsregelung, da es nur so dem Ergänzungspfleger möglich sei, Umgangskontakte bei Weigerung des Beschwerdeführers zu 1) auch mithilfe Dritter (Gerichtsvollzieher, Polizei) durchzusetzen und die Herausgabe des Kindes zu erzwingen.

Die Vollstreckung einer gerichtlich gebilligten Umgangsvereinbarung unterscheidet sich von der des Herausgabeverlangens gemäß § 1632 BGB in § 33 Abs. 2 Satz 2 FGG, der die Gewaltanwendung gegen ein Kind zur Ausübung des Umgangsrechts verbietet. Daher lässt die Begründung des Senats darauf schließen, dass entweder diese Einschränkung unter Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. Zimmermann, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003, § 33 Rn. 38a) umgangen oder dem Ergänzungspfleger die Möglichkeit eröffnet werden sollte, von ihm angeordnete Umgangsregelungen, die weder auf einer einvernehmlichen elterlichen noch auf einer gerichtlichen Regelung basieren, mithilfe des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu vollstrecken. Dies ist angesichts der Zuständigkeit der Familiengerichte, im Streitfall eine vollstreckbare Umgangsregelung zu treffen, nicht zulässig.

(cc) Auch die Spekulation des Oberlandesgerichts, es könne „die unter Umständen in nicht sehr weiter Ferne liegende Situation“ eintreten, in der ein weiterer Verbleib des Kindes bei dem Beschwerdeführer zu 1) als nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar angesehen und aus diesem Grunde ein Obhutswechsel unerlässlich sein könnte, rechtfertigt unter keinem Gesichtspunkt den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und greift in verfassungswidriger Weise in das Elternrecht des Beschwerdeführers zu 1) ein. Da das Gericht offenbar selbst davon ausgeht, dass eine aktuelle Gefährdung des Kindeswohls nicht vorliegt („kann von einem gedeihlichen Heranwachsen von D. in der Obhut des Vaters wohl nicht mehr lange ausgegangen werden“), stellt die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts eine Präventivmaßnahme auf völlig unsicherer Tatsachengrundlage dar, die zudem die Entscheidung, wann der Zeitpunkt für eine Herausnahme des Kindes aus dem väterlichen Haushalt gekommen sein könnte, ohne nochmalige richterliche Prüfung dem Ergänzungspfleger überlässt.

Dies lässt sich – insbesondere angesichts der vom Oberlandesgericht festgestellten und für den Verbleib des Kindes beim Vater sprechenden wesentlichen Aspekte des Kindeswillens und des Kontinuitätsgrundsatzes – weder mit dem Elternrecht des Beschwerdeführers zu 1) noch mit den von Art. 6 Abs. 3 GG gestellten Anforderungen an die Trennung eines Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen vereinbaren.

(dd) In diesem Zusammenhang ist auch die nicht erfolgte Anhörung des Kindes durch das Oberlandesgericht zu beanstanden. Zwar hat der Beschwerdeführer zu 1) auf die Anhörung des Kindes in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht verzichtet. Ausdrücklich ausgenommen von diesem Verzicht hatte er jedoch den Fall, dass sich aus der Aussage des Kindes in einer Frage Entscheidungserhebliches ergäbe. Da weder der amtsgerichtliche Beschluss die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts darauf gestützt hat, damit werde auch die Möglichkeit der Herausnahme des Kindes aus dem väterlichen Haushalt eröffnet, noch dem Protokoll Hinweise des Oberlandesgerichts zu entnehmen sind, die auf diese Möglichkeit schließen lassen konnten, verbietet sich die Annahme, der Verzicht des Beschwerdeführers zu 1) umfasse auch die Anhörung des Kindes zu diesem Punkt. Der Senat hätte D. insoweit selbst anhören müssen, zumal bereits erstinstanzlich keine Anhörung stattgefunden hatte. Angesichts der Vermutung, der weitere Verbleib des Kindes könne aufgrund einer an Überforderung grenzenden Erwartungshaltung des Vaters bald nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar sein, wären der unmittelbare Eindruck von D. und die Feststellung des Gewichts ihrer Bindungen zum Vater durch eigene richterliche Wahrnehmung, die sich nicht durch ein Gespräch des Kindes mit der Verfahrenspflegerin ersetzen ließ, wesentlich gewesen. Anhaltspunkte für schwerwiegende, gegen die Anhörung sprechende Gründe im Sinne des § 50b Abs. 3 FGG sind der Entscheidung nicht zu entnehmen. Die nicht näher ausgeführte Behauptung, eine solche Anhörung sei mit einer erheblichen Belastung für das Kind verbunden, genügt dafür jedenfalls nicht.

(e) Soweit das Oberlandesgericht die teilweise Entziehung des Rechts zur Gesundheitssorge damit begründet, die Sachverständige habe dies als die einzige Möglichkeit angesehen, D. angesichts der von ihr konstatierten psychosomatischen Erkrankung einer psychotherapeutischen Behandlung zuführen zu lassen, lässt sich eine solche Diagnose weder dem Gutachten noch der amtsgerichtlichen Anhörung der Sachverständigen entnehmen. Im Gutachten ist lediglich von einer psychischen Belastung des Kindes ohne Symptomcharakter die Rede; psychosomatische Beschwerden des Kindes deuten sich lediglich in dem Zitat des Vaters und der Angabe des Kindes an, es habe manchmal Bauchschmerzen und Kopfweh. Insofern erschließt sich nicht, dass die Belastungssituation für D. ein solches Ausmaß erreicht haben könnte, das Maßnahmen gemäß § 1666 BGB rechtfertigen könnte. Darüber hinaus hätte sich das Oberlandesgericht mit der Einschätzung der Sachverständigen vom 11. Januar 2008 auseinandersetzen müssen, psychologische Maßnahmen seien für das Kind nur dann zu ergreifen, wenn der Vater das mit der Mutter aufgenommene Gespräch abbräche. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer zu 1) in der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht seine Bereitschaft erklärt hat, Beratungsgespräche mit der Kindesmutter aufzunehmen.

cc) Da die angegriffenen Beschlüsse den Beschwerdeführer zu 1) bereits in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen, kann die Frage, ob auch die anderen von dem Beschwerdeführer zu 1) gerügten Grundrechtsverletzungen vorliegen, unbeantwortet bleiben.

dd) Die beiden angegriffenen Beschlüsse beruhen auch auf dem Verstoß gegen das Elternrecht. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts wird aufgehoben und die Sache an dieses als Beschwerdegericht zurückverwiesen (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG).

2. Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Hohmann-Dennhardt Gaier Kirchhof

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