BVerfG, Beschluss vom 19. Januar 2010 – 1 BvR 1941/09

Geht das Gericht in seiner Entscheidung von einer ungünstigen Prognose für dass zukünftige Wohl des Kindes aus, muss sich aus der Entscheidung ergeben, dass das Gericht die hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Trennung eines Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen zugrunde gelegt hat, die  in § 1666 Abs. 1, § 1666a BGB einfachrechtlich zum Ausdruck kommen.

Hat das Gericht eine Gefährdung des älteren Kindes festgestellt, ist hieraus nicht unmittelbar die Schlussfolgerung für eine etwaige Gefährdung der jüngeren Kinder im Haushalt der Eltern zu ziehen, da insoweit nicht ohne weiteres von parallelen Entwicklungswegen der anderen Kinder durch das Verhalten der Eltern geschlossen werden kann.

Eine von der Sachverständigen diagnostizierte tiefgreifende Bindungsunsicherheit der Kinder muss die Schwelle zu einer nachhaltigen Gefährdung der Kinder überschritten haben, um eine Herausnahme der Kinder aus den elterlichen Haushalt überhaupt begründen zu können. Zudem müssen die Testergebnisse mit der Schlussfolgerung einer tiefgreifenden Bindungsstörung der Kinder in Einklang zu bringen sein. Kommt die Sachverständige im Gutachten zu dem Schluss, dass ambulante Hilfemaßnahmen für ausreichend erachtet werden, so liegt keine nachhaltige Kindeswohlgefährdung vor. Zudem hat das Gericht aufzuklären, ob die Bindungsunsicherheit der Kinder auch auf andere Ursachen beruhen kann (z.B. dem Verlust des Vaters, Erlebnis der zeitweiligen Heimunterbringung, von den Kindern als bedrohlich empfundene Möglichkeit der Fremdunterbringung).

Das Gericht hat stets zu berücksichtigen, ob nicht durch eine Intensivierung der ambulanten Hilfemaßnahmen die Herausnahme der Kinder aus dem mütterlichen Haushalt abgewendet werden könnte.

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

Im Namen des Volkes

In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde

der Frau K…,

– Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Hoffmann, Peschkes & Partner GbR,
Langgasse 36, 65183 Wiesbaden –

gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Juli 2009 – 5 UF 180/09 –

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch

die Richterin Hohmann-Dennhardt
und die Richter Gaier,
Kirchhof

am 19. Januar 2010 einstimmig beschlossen:

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Juli 2009 – 5 UF 180/09 – verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.

Das Land Hessen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Aussetzung der Vollziehung eines ihr das Sorgerecht für ihre Söhne entziehenden Beschlusses.

1. a) Die Beschwerdeführerin ist Mutter der aus der geschiedenen Ehe zum Kindesvater hervorgegangenen Tochter J. (geboren im Januar 1995) sowie der aus der späteren Ehe mit dem im September 2005 verstorbenen Kindesvater hervorgegangenen Söhne Mi. (geboren im Juni 2000) und Ma. (geboren im Mai 2001).

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für J. übt die Beschwerdeführerin allein aus, im Übrigen besteht gemeinsame Sorge mit dem Vater J. J. besucht eine integrierte Gesamtschule mit dem Ziel, den Hauptschulabschluss zu erwerben. Die beiden Jungen sind in Ganztagsschulen. Mi. leidet seit seiner Geburt – vermutlich infolge einer Alkoholembryopathie – unter Entwicklungsverzögerungen und besucht die Förderschule für Lernhilfe; Ma. besucht die Regelgrundschule.

Da die Beschwerdeführerin seit April 2007 mit einem Partner zusammen ist, der durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 15. Dezember 2006 wegen schweren sexuellen Missbrauchs an einem fünfjährigen Mädchen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden war, erteilte das Amtsgericht ihr im September 2007 die Auflage, ihre Kinder nicht mit dem Partner allein zu lassen und wieder regelmäßig in ihrer und nicht des Partners Wohnung zu leben. Mittlerweile gelangten sowohl der behandelnde Therapeut als auch die zuständige Abteilung des Landeskriminalamtes zu der Bewertung, dass die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls sehr gering sei und einem Umgang des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin mit Kindern nichts mehr im Wege stehe.

Ende 2007 häuften sich J. Fehlzeiten in der Schule; sie hielt sich mit Billigung der Beschwerdeführerin während dieser Zeit fast durchgehend in der Familie ihres gleichaltrigen Freundes auf und wurde damals von einem dort ebenfalls regelmäßig anwesenden Freund der Familie sexuell missbraucht.

Am 12. April und am 1. Juli 2008 kam es zu gewalttätigen Übergriffen des Lebenspartners der Beschwerdeführerin dieser gegenüber, wobei beide erheblich alkoholisiert waren. Die zweite Auseinandersetzung fand auf offener Straße nachts gegen 1:00 Uhr im Beisein Mi. statt. Aufgrund dieses zweiten Vorfalls wurden alle drei Kinder mit Zustimmung der Mutter bis Mitte August 2008 in einer Einrichtung in I. untergebracht.

Die Verfahrenspflegerin berichtete am 14. August 2008 dem Gericht, dass alle drei Kinder zurück zur Mutter wollten. Das Fehlverhalten der Mutter habe aus Sicht der Verfahrenspflegerin noch nicht das erforderliche Ausmaß erreicht, dass das Wohl der Kinder nachhaltig gefährdet erscheine, wenngleich die Beschwerdeführerin sicher nicht ohne Familienhilfe auskommen könne. In der Verhandlung am 19. August 2008 gab das Gericht der Beschwerdeführerin unter anderem auf, wegen der Alkoholexzesse angeblich begonnene Therapiegespräche fortzusetzen und Bescheinigungen hierüber vorzulegen. Nachdem das Amtsgericht mit Beschluss vom 22. August 2008 den vom Jugendamt im April 2008 beantragten vorläufigen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts abgelehnt hatte, kehrten die Kinder in den Haushalt der Mutter zurück.

In der Folge legte die Beschwerdeführerin keine Bescheinigungen über Therapiegespräche vor. Sie bestreitet, regelmäßig Alkohol zu trinken. Im April 2009 reichte sie ein ärztliches Attest ihrer Hausärztin zu den Akten, wonach die Blutwerte nicht für einen Alkoholkonsum in letzter Zeit sprächen; die letzte Blutuntersuchung stammte vom 26. Juni 2009.

Im Dezember 2008 fand ein Hilfeplangespräch mit dem Jugendamt und der Familienhelferin statt. Hierbei wurde festgestellt, dass sich einige Dinge verbessert hätten. So sei die medizinische Versorgung der Jungen gewährleistet. Der besonders betreuungsbedürftige Mi. nehme regelmäßig Logo- und Ergotherapie in Anspruch, seine schulische Entwicklung sei zufriedenstellend. Am 13. Februar 2009 berichtete das Jugendamt, dass trotz der positiven Veränderungen Schwierigkeiten zu konstatieren seien. Unter anderem seien die Kinder nicht regelmäßig beim Zahnarzt vorgestellt worden. Die Untersuchung sei erst nach einer Terminvereinbarung durch die Familienhelferin erfolgt. Eine Therapie (Alkohol, Gewalt) habe die Beschwerdeführerin noch nicht begonnen. Ihr Verhalten zeige mangelnde Mitwirkungsbereitschaft und fehlende Problemeinsicht. Gefährdungen entstünden hierdurch insbesondere für J.

Das Amtsgericht holte zur Frage der Erziehungseignung der Beschwerdeführerin ein kinderpsychologisches Gutachten der Sachverständigen Dr. K.-K. vom 11. März 2009 ein. Nach persönlicher Anhörung aller Beteiligten und mündlicher Erörterung des Gutachtens erließ das Gericht am 11. Mai 2009 einen Hinweis- und Auflagenbeschluss, in dem es den Entzug der elterlichen Sorge für Mi. und Ma. in Aussicht stellte für den Fall, dass das Jugendamt ein schlüssiges Konzept für die Unterbringung beider Kinder in Vollzeitpflege vorlege. Mitte Juni 2009 teilte das Jugendamt mit, dass es für Ma. und Mi. eine Vollzeitpflegefamilie, in der die Mutter von Beruf Erzieherin sei, gefunden habe.

Am 3. Juli 2009 wurde die Beschwerdeführerin mit den Söhnen am späten Abend wegen eines Fahrradunfalls in der Notaufnahme vorstellig. Laut Polizeibericht ergab ein bei ihr durchgeführter Atemalkoholtest einen Wert von 3,31 Promille, den die Beschwerdeführerin anzweifelt. Die Kinder äußerten sich bei einer Befragung zum Sorgeverhalten der Mutter durch die Polizei ausschließlich positiv.

b) Mit Beschluss vom 10. Juli 2009 entzog das Amtsgericht der Beschwerdeführerin die elterliche Sorge für die Kinder Ma. und Mi., ordnete für beide Vormundschaft an und bestimmte das Amt für soziale Arbeit zum Vormund. Zugleich gab es dem Vormund auf, die beiden Kinder in der genannten Erziehungsstelle unterzubringen und einen regelmäßigen Kontakt (mindestens einmal monatlich einen Tag) zwischen beiden Kindern und ihrer Mutter sicherzustellen. Hinsichtlich J. wurden lediglich die mit vorangegangenen Beschlüssen des Amtsgerichts erteilten Auflagen abgeändert.

Zur Begründung verwies das Amtsgericht auf § 1666 Abs. 1, § 1666a Abs. 1 und 2 BGB und legte dar, dass eine Gefahr für die betroffenen Kinder nicht ohne eine Trennung von der Beschwerdeführerin abgewendet werden könne. Zwar zeigten beide Söhne – anders als J. – bislang noch keine Verhaltensauffälligkeiten oder Störungen, die auf eine nachgeburtliche Vernachlässigung durch die Mutter zurückzuführen seien, doch sei auch insoweit die Prognose ungünstig, weshalb das Gericht eine Fremdunterbringung als einzigen Ausweg sehe, um Schaden abzuwenden. Aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens, der Aussagen der Familienhelferin und der Berichte des Jugendamtes könne nicht davon ausgegangen werden, dass ambulante öffentliche Hilfen ausreichten, um den beiden Jungen das für die weitere gedeihliche Entwicklung erforderliche Minimum an Stabilität und Bindungssicherheit zu bieten. Dies wird unter Bezugnahme auf die von der Beschwerdeführerin nur schleppend und zögerlich angenommene Familienhilfe, deren Ungeeignetheit zur Vermeidung des sexuellen Missbrauchs J. und ihrem Schuleschwänzen, einer nicht zeitnahen Wahrnehmung schulischer Belange der Kinder sowie der nächtlichen Alkoholexzesse und Schlägereien in Gegenwart der Kinder ausgeführt. Die Beschwerdeführerin habe sich selbst unter dem Eindruck des drohenden Entzugs des Sorgerechts nur eingeschränkt an die vom Gericht erteilten Auflagen gehalten und sei am 3. Juli 2009 in volltrunkenem Zustand mit beiden Söhnen in einer Klinik erschienen.

Die genannten Verfehlungen rechtfertigten zwar, jeder für sich betrachtet, keinen Entzug der elterlichen Sorge. In ihrer Gesamtheit vermittelten sie jedoch ein Bild der Beschwerdeführerin, das erhebliche Zweifel an ihrer Fähigkeit, Verantwortung für die Kinder zu übernehmen und eigene Defizite zu erkennen, wecke.

Dieser Eindruck werde durch die überzeugenden und nachvollziehbaren Feststellungen der Sachverständigen bestätigt. Sie habe überzeugend dargelegt, dass bei allen drei Kindern eine tiefgreifende Bindungsunsicherheit bestehe, die nicht zuletzt Folge des Verhaltens und des biografischen Werdegangs der Mutter sei. Die Kinder hätten nicht nur die Alkoholexzesse und Partnerwechsel miterlebt. Sie würden von der Beschwerdeführerin auch nicht angemessen in ihrer kindlichen Entwicklung und ihren Bedürfnissen unterstützt, da diese offensichtlich nicht in der Lage sei, diese zu erkennen oder der Erkenntnis trotz Drängens der Familienhelferin Taten folgen zu lassen. Dies habe dazu geführt, dass J. in der Familie mittlerweile das Sagen habe und die Erziehung der beiden Jungen übernehme, womit sie naturgemäß überfordert sei. Anders als bei den Jungen habe sich bei J. die Gefährdung des Kindeswohls bereits verwirklicht. Ihr drohe schulisches Scheitern, sie „ritze“ sich und sei viel zu früh und verantwortungslos sexuellen Erfahrungen ausgesetzt gewesen.

In der mündlichen Erörterung ihres Gutachtens habe die Sachverständige entgegen der zunächst schriftlich geäußerten Einschätzung ausdrücklich geäußert, dass eine Gefährdung des Kindeswohls im Falle des Verbleibs der Kinder im mütterlichen Haushalt auch dann angenommen werden müsse, wenn vom Partner der Mutter keine Gefahr für die Kinder ausgehe. Die Mutter sei aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten und der von ihr eingenommenen „Opferrolle“ langfristig nicht in der Lage, den Kindern gesicherte Bindungen zu vermitteln und sie so vor einer Gefährdung ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls zu schützen. Dies gelte unabhängig von der Person des jeweiligen Partners.

Diese vom Gericht geteilte Einschätzung stehe auch nicht in Widerspruch zu den Ausführungen im Beschluss vom 22. August 2008, da damals das Ergebnis der Ermittlungen in der Hauptsache habe abgewartet werden sollen und der Beschwerdeführerin Auflagen erteilt worden seien.

Vor diesem Hintergrund erachte das Gericht die Herausnahme der beiden Jungen aus dem mütterlichen Haushalt und einen Entzug der gesamten elterlichen Sorge für geboten. Das Jugendamt habe insoweit ein schlüssiges Konzept vorgelegt, welches beiden Kindern trotz ihrer Ablehnung einer Trennung von der Mutter langfristig den Aufbau sicherer Bindungen und damit eine ihrem Wohl entsprechende Entwicklung gewährleisten solle. Durch die gemeinsame Unterbringung beider Kinder in einer Familie bleibe die Geschwisterbindung erhalten. Darüber hinaus würden die Kinder in der Familie nicht wechselndem Betreuungspersonal ausgesetzt, sondern könnten Bindungen zu den Pflegeeltern aufbauen, wozu sie ihrem Alter gemäß den Ausführungen der Sachverständigen und des Jugendamtes durchaus noch in der Lage sein müssten. Bezüglich J. werde vorerst von einem Entzug der elterlichen Sorge abgesehen, da diese sich nach Herausnahme aus dem Haushalt der Beschwerdeführerin unverzüglich wieder zu dieser begeben würde.

c) Gegen diesen Beschluss legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein. Einen gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses lehnte das Oberlandesgericht mit – angegriffenem – Beschluss vom 17. Juli 2009 mit der Begründung ab, keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Elternrecht und die Rechte der Kinder erkennen zu können, nachdem während der Dauer des Verfahrens eine nachhaltige Stabilisierung der Beschwerdeführerin unter dem Einsatz der Familienhilfe bislang offenbar nicht habe festgestellt werden können. Vielmehr zeige der Umstand, dass die Beschwerdeführerin – trotz behaupteter Fortschritte aufgrund einer Suchttherapie – am 3. Juli 2009 mit den Kindern wegen eines Radunfalls von Mi. in volltrunkenem Zustand in die Klinik gekommen sei, dass eine konkrete Gefährdung des Wohls der beiden acht und neun Jahre alten Jungen mit weniger einschneidenden Maßnahmen jedenfalls derzeit nicht abzuwenden sei.

2. Mit Beschluss vom 7. August 2009 setzte das Bundesverfassungsgericht auf Antrag der Beschwerdeführerin im Wege der einstweiligen Anordnung die Wirksamkeit des Beschlusses des Amtsgerichts vom 10. Juli 2009 einstweilen bis zur Entscheidung über die Hauptsache aus, soweit der Beschwerdeführerin darin die elterliche Sorge für ihre beiden Söhne Mi. und Ma. entzogen, Vormundschaft angeordnet und das Amt für Soziale Arbeit zum Amtsvormund bestellt worden war. Es wurde einstweilen das Verbleiben der Kinder bei der Beschwerdeführerin angeordnet.

3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG durch die angefochtene Entscheidung geltend.

4. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

5. Die Verfassungsbeschwerde wurde der Regierung des Landes Hessen und dem Amt für Soziale Arbeit der Stadt Wiesbaden zugestellt. Das Amt für Soziale Arbeit der Stadt Wiesbaden verteidigt die Entscheidung.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt.

1. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Elternrechts der Beschwerdeführerin geboten (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungs-rechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

a) Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Ihr steht insbesondere nicht der Subsidiaritätsgrundsatz entgegen, weil eine Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 10. Juli 2009 noch aussteht. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Zurückweisung ihres Antrags auf Aussetzung der Vollziehung der amtsgerichtlichen Entscheidung verletze sie in Anbetracht der unmittelbar drohenden anderweitigen Unterbringung ihrer Kinder in ihren Grundrechten aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Sie rügt damit eine Verfassungsverletzung durch die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz selbst. Wäre ihr Vorwurf einer Grundrechtsverletzung zutreffend, so könnte diese wegen der vom Jugendamt angekündigten Herausnahme der Kinder noch vor Beendigung der Beschwerdeinstanz durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts in der Hauptsache nicht mehr vollständig ausgeräumt werden.

b) Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffene Entscheidung in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

aa) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, wobei dieses „natürliche Recht“ den Eltern nicht vom Staate verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (BVerfGE 60, 79 <88>). Diese primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes am besten von den Eltern wahrgenommen werden. Dabei wird sogar die Möglichkeit in Kauf genommen, dass das Kind durch einen Entschluss der Eltern Nachteile erleidet, die im Rahmen einer nach objektiven Maßstäben getroffenen Erziehungsentscheidung vielleicht vermieden werden könnten (BVerfGE 34, 165 <184>). In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (BVerfGE 60, 79 <88> m.w.N.). Der Schutz des Elternrechts, das Vater und Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>).

Soweit es um die Trennung des Kindes von seinen Eltern als dem stärksten Eingriff in das Elternrecht geht, ist dieser allein unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 GG zulässig. Danach dürfen Kinder gegen den Willen des Sorgeberechtigten nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen (vgl. BVerfGE 72, 122 <137 f.>). Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramtes, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Das elterliche Fehlverhalten muss vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (BVerfGE 60, 79 <91>).

Wenn Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen und damit zugleich die Aufrechterhaltung der Trennung der Kinder von ihnen gesichert wird, darf dies zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (vgl. BVerfGE 60, 79 <89>). Dieser gebietet es, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist. Der Staat muss daher nach Möglichkeit versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. BVerfGE 24, 119 <145>; 60, 79 <93>). In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht befunden, dass der Gesetzgeber mit § 1666 Abs. 1 in Verbindung mit § 1666a BGB eine Regelung geschaffen hat, die es dem Familiengericht ermöglicht, bei Maßnahmen zum Schutze des Kindes auch dem grundgesetzlich verbürgten Elternrecht hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 60, 79 <88 f.>; 72, 122 <138>).

Grundsätzlich ist die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und die Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen im einzelnen Fall Angelegenheit der zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Ihm obliegt lediglich die Kontrolle, ob die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereiches beruhen. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben lassen sich die Grenzen der Eingriffsmöglichkeiten des Bundesverfassungsgerichts aber nicht starr und gleichbleibend ziehen. Sie hängen namentlich von der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung ab (BVerfGE 72, 122 <138>; stRspr). Bei gerichtlichen Entscheidungen, die Eltern oder Elternteilen das Sorgerecht für ihr Kind entziehen, besteht wegen des sachlichen Gewichts der Beeinträchtigung der Eltern in ihren Grundrechten aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG Anlass, über den grundsätzlichen Prüfungsumfang hinauszugehen (BVerfGE 55, 171 <181>; 72, 122 <138>). Daher können neben der Frage, ob die angefochtene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen, auch einzelne Auslegungsfehler nicht außer Betracht bleiben (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>; 75, 201 <222>).

bb) Diesen Maßstäben ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die vorläufige Aussetzung der Vollziehung des amtsgerichtlichen Beschlusses nicht gerecht geworden. Es hat vielmehr das Elternrecht der Beschwerdeführerin in Umfang und Tragweite verkannt.

(1) Die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) am 1. September 2009 ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts und der ihr zugrunde liegende Antrag der Beschwerdeführerin beruhen auf § 24 Abs. 3 FGG. Hiernach kann das Beschwerdegericht vor der Entscheidung in der Hauptsache eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung der angefochtenen Verfügung auszusetzen ist.

Eine Aussetzung der Vollziehung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat und dem Beschwerdeführer durch die unmittelbar bevorstehende Vollziehung der angefochtenen Entscheidung irreparable Nachteile von erheblichem Gewicht drohen. Ein derartiger Nachteil ist im Falle der Anfechtung einer das Sorgerecht entziehenden Entscheidung jedenfalls dann zu bejahen, wenn – wie hier – die Herausnahme der Kinder aus dem elterlichen Haushalt unmittelbar bevorsteht und damit ein nachhaltiger Eingriff in das Elternrecht des Beschwerdeführers in Frage steht. Darüber hinaus sind bei der Entscheidung, ob die Vollziehung einer kindschaftsrechtlichen Maßnahme bis zur Beschwerdeentscheidung auszusetzen ist oder nicht, stets auch die Folgen für die betroffenen Kinder zu bedenken. Denn das Kindeswohl ist grundsätzlich die oberste Richtschnur der im Bereich des Kindschaftsrechts zu treffenden Entscheidungen der Instanzgerichte (vgl. BVerfGE 68, 176 <188>; 75, 201 <218>). In einem Fall wie dem vorliegenden, wenn auf der Grundlage der amtsgerichtlichen Entscheidung noch vor Abschluss der Beschwerdeinstanz eine Herausnahme der Kinder aus ihrem bisherigen Umfeld erfolgen soll, bedarf es daher einer eingehenden Prüfung, ob in Anbetracht der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels der mit einer – möglicherweise nicht endgültigen – Fremdplatzierung der Kinder verbundene Wechsel ihrer sozialen Beziehungen dringend geboten ist.

(2) Das Oberlandesgericht hat bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass die Feststellungen des Amtsgerichts eine nachhaltige Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls der Söhne der Beschwerdeführerin nicht mit der erforderlichen Sicherheit belegen und daher nicht geeignet sind, die Entscheidung, der Beschwerdeführerin das Sorgerecht zu entziehen, zu tragen. Die Beschwerde hatte daher Aussicht auf Erfolg.

Das Amtsgericht stellt in der mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung zunächst fest, dass Mi. und Ma. – abgesehen von Mi. vermutlich durch das Verhalten der Mutter vor seiner Geburt bedingter Entwicklungsverzögerung – bisher keine Verhaltensauffälligkeiten oder Störungen zeigen, die auf eine Vernachlässigung durch die Mutter zurückzuführen seien. Soweit es anschließend von einer gleichwohl ungünstigen Prognose ausgeht, ist nicht erkennbar, dass es dieser die hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Trennung eines Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen zugrunde gelegt hat, die in § 1666 Abs. 1, § 1666a BGB einfachrechtlich zum Ausdruck kommen.

Die Gefährdung begründet das Amtsgericht damit, dass die Beschwerdeführerin sich nicht hinreichend um ihre Kinder kümmere und sie nicht angemessen in ihrer kindlichen Entwicklung unterstütze. Als tatsächliche Anhaltspunkte hierfür führt es zunächst die nur schleppend und zögerlich angenommene Familienhilfe sowie die nicht zeitnahe Klärung schulischer Belange an. Den Feststellungen des Amtsgerichts ist nicht ansatzweise zu entnehmen, dass diese Beanstandungen von solchem Gewicht gewesen wären, dass sie eine Entziehung des Sorgerechts hätten rechtfertigen können. So impliziert der Vorwurf der nur schleppend und zögerlich angenommenen Familienhilfe und der nicht zeitnahen Klärung schulischer Belange zugleich auch, dass die Beschwerdeführerin letztlich beidem, wenngleich mit Verzögerung, nachgekommen ist.

Das Amtsgericht setzt sich zudem nicht damit auseinander, dass seitens des Jugendamts und der Familienhelferin im Dezember 2008 eine Verbesserung der Familiensituation, insbesondere der Gesundheitsfürsorge der Kinder und der schulischen Entwicklung Mi. konstatiert worden war. Dass diese Einschätzung bis zur Entscheidung des Amtsgerichts wieder revidiert worden wäre, ist nicht ersichtlich. Da das Amtsgericht darüber hinaus in seiner Entscheidung über den Antrag des Jugendamts auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 22. August 2008 noch festgestellt hatte, es läge keine so konkrete und erhebliche Gefährdung des Kindeswohls vor, dass die Kinder in den folgenden Wochen aus der Familie genommen werden müssten, hätte die nunmehr als kritisch eingestufte Fürsorge der Beschwerdeführerin einer eingehenden Prüfung bedurft.

Die weitere Begründung nächtlicher Alkoholexzesse und Schlägereien in Gegenwart der Kinder nimmt offenbar auf die zwei Vorfälle im April und Juli 2008 Bezug, bei denen sich die Beschwerdeführerin in deutlich alkoholisiertem Zustand mit ihrem Lebensgefährten gestritten hat. Auch diese beiden Geschehnisse vermögen, zumal sie im Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung bereits ein Jahr zurücklagen, weder für sich betrachtet noch im Zusammenhang mit den vorstehenden Erwägungen den schwerwiegenden Eingriff der Sorgerechtsentziehung zu begründen. Ob bei der Beschwerdeführerin trotz der gegenteiligen Atteste ihrer Hausärztin eine Alkoholabhängigkeit vorliegt, wofür der – von ihr in seiner Richtigkeit jedoch bestrittene – Blutalkoholwert von 3,31 Promille am 3. Juli 2009 sprechen könnte und die, da die Beschwerdeführerin insoweit keine Einsicht und Therapiewilligkeit zu zeigen scheint, eine erhebliche Gefährdung ihrer Söhne begründen könnte, hat das Amtsgericht nicht aufgeklärt.

Im Übrigen finden sich in der Argumentation des Amtsgerichts nur Hinweise auf eine Gefährdung der älteren Tochter der Beschwerdeführerin, J. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich hieraus unmittelbar Schlussfolgerungen für eine etwaige Gefährdung der Jungen durch das Verhalten der Beschwerdeführerin ziehen ließen. Den Beschlussgründen sind insbesondere keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass insoweit durch das Verhalten der Beschwerdeführerin verursachte parallele Entwicklungswege erkennbar wären. Anhand der Beschlussgründe nicht nachvollziehbar ist zudem, dass das Amtsgericht die Voraussetzungen einer Entziehung der elterlichen Sorge für die beiden Söhne bejaht, für J., die im Unterschied zu den Jungen bereits Verhaltensauffälligkeiten zeige, im Ergebnis aber verneint. Die Begründung, J. würde sich im Falle einer Trennung unverzüglich wieder zur Beschwerdeführerin begeben, überzeugt insoweit nicht, zumal das Mädchen jedenfalls bei ihrer zeitweiligen Unterbringung in der Einrichtung in I. nicht versucht hat, zu ihrer Mutter zurückzukehren.

Soweit das Amtsgericht seine Entscheidung außerdem auf die von der Sachverständigen diagnostizierte tiefgreifende Bindungsunsicherheit der Jungen stützt, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar belegt, dass hier die Schwelle zu einer nachhaltigen Gefährdung der Kinder überschritten ist. Die Sachverständige selbst hat in ihrem schriftlichen Gutachten vom 11. März 2009 ambulante Hilfemaßnahmen für ausreichend erachtet, wenn die von dem Lebensgefährten der Beschwerdeführerin ausgehende latente Gefahr – die nach den Feststellungen des Amtsgerichts nicht mehr besteht – gebannt werden könnte. Zwar hat sie im Rahmen der mündlichen Erörterung ihres Gutachtens, ohne weitergehende Explorationen vorgenommen zu haben, sodann eine Herausnahme der Kinder für erforderlich gehalten. Aus welchen Gründen sie ihre ursprüngliche Einschätzung geändert hat, lässt sich aber weder anhand des Verhandlungsprotokolls noch der Begründung der amtsgerichtlichen Entscheidung nachvollziehen. Gegen die Annahme einer schwerwiegenden Bindungsunsicherheit der Jungen spricht zudem, dass die Sachverständige in ihrem Gutachten auch zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Zuordnung positiver und negativer Gefühle der Jungen gegenüber der Beschwerdeführerin weitestgehend im Bereich des Altersdurchschnitts bewegt. Jedenfalls ist nicht geklärt, wie sich diese Testergebnisse mit der Schlussfolgerung einer tiefgreifenden Bindungsstörung von Mi. und Ma. in Einklang bringen lassen. Darüber hinaus bleibt außer Betracht, inwieweit die Bindungsunsicherheit der Jungen auch auf dem Verlust des Vaters beruht, der sie – wie die Sachverständige in ihrem Gutachten ausführt – immer noch beschäftige und gerade bei Ma. starke Verlustängste auslöse. Hinzu kommen das Erlebnis der zeitweiligen Heimunterbringung im Juli und August 2008, das – so die Sachverständige in ihrem Gutachten weiter – ebenfalls bindungsverunsichernd auf sie gewirkt haben müsse sowie die über einen längeren Zeitraum hinweg im Raum stehende und von den Jungen als bedrohlich empfundene Möglichkeit der Fremdunterbringung. Vor diesem Hintergrund drängt sich auch die vom Amtsgericht nicht berücksichtigte Frage auf, ob die bei den Jungen als gefährdend bewertete Bindungsunsicherheit durch eine erneute Fremdunterbringung nicht noch weiter vertieft statt behoben werden würde.

Nicht hinreichend erörtert hat das Amtsgericht schließlich, ob nicht durch eine Intensivierung der ambulanten Hilfemaßnahmen – wie sie auch die Sachverständige in ihrem Gutachten als Möglichkeit angesprochen hat – die Herausnahme der Jungen aus dem mütterlichen Haushalt abgewendet werden könnte. Zwar hat es in der Vergangenheit Konflikte zwischen der Familienhelferin und der Beschwerdeführerin gegeben, weil jene oft erst auf Druck den an sie herangetragenen Aufgaben nachgekommen ist. Letztlich hat die Beschwerdeführerin die Unterstützung aber angenommen. Es erscheint daher zumindest nach den amtsgerichtlichen Feststellungen nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich die Familiensituation im Rahmen eines intensivierten Beratungs- und Hilfekonzepts nachhaltig verbessern ließe.

(3) Im Lichte der vorstehenden Erwägungen ist die Begründung des Oberlandesgerichts, mit dem es den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des amtsgerichtlichen Beschlusses zurückgewiesen hat, nicht tragfähig. Der angegriffene Beschluss berücksichtigt im Rahmen der gebotenen Abwägung auch nicht hinreichend die Folgen einer angesichts des im Entscheidungszeitpunkt offenen Ausgangs des Beschwerdeverfahrens möglicherweise nur vorübergehenden Fremdunterbringung der Kinder. Denn erwiese sich die Beschwerde nachfolgend als begründet, so würden die Jungen zweimal einem vollständigen Wechsel ihres sozialen Umfeldes und ihrer Bezugspersonen ausgesetzt. Dabei bestünde die Gefahr, dass das Vertrauen in die Bindungen zu ihrer Mutter durch die erneute Herausnahme erheblich beschädigt wird.

Die beantragte Aussetzung der Vollziehung der amtsgerichtlichen Entscheidung lag vorliegend auch deshalb nahe, weil das Amtsgericht in seinem angefochtenen Beschluss selbst nur von einer längerfristigen Gefährdung des Kindeswohls ausgegangen ist. Zudem zeigte der Hinweisbeschluss vom 11. Mai 2009, mit dem das Amtsgericht die Herausnahme der Jungen von einem schlüssigen Unterbringungskonzept abhängig gemacht hat, dass kein unmittelbarer und dringender Handlungsbedarf für eine Umfeldänderung gesehen wurde. Auch sonst lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der massive Eingriff einer Herausnahme der Kinder in Anbetracht ihres Wohls nicht bis zur Entscheidung über die Beschwerde hätte aufgeschoben werden können.

cc) Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 17. Juli 2009 beruht auf dem Verstoß gegen das Elternrecht der Beschwerdeführerin. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine Aussetzung der Vollziehung angordnet hätte.

2. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

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