Sozialrechtsthema: Die Wohnungserstausstattung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II

Arbeitslosengeld II – Bezieher und gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB II auch Geringverdiener, die ihren Lebensunterhalt einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung aus eigenen Mitteln zwar decken können (also keine SGB II- Leistungen beziehen), aber über kein ausreichendes Einkommen zur Abdeckung von Sonderbedarfe verfügen, können beim Jobcenter Bremen (oder aber bei der jeweiligen zuständigen ARGE) Leistungen für eine Wohnungserstausstattung einschließlich Haushaltsgeräten beantragen, wenn sie erstmals eine Wohnung beziehen oder wenn ein von der Rechtsprechung akzeptierter Sonderfall – der etwas später behandelt wird – vorliegt. Zu der Erstausstattung für die Wohnung gehören Einrichtungsgegenstände (Möbel, Gardinen, Lampen) und Haushaltsgeräte (Waschmaschine, Herd, Kühlschrank, Staubsauger, Bügeleisen). Das Jobcenter richtet sich nach der Bremer Verwaltungsanweisung zu § 23 Abs. 3 SGB II. Danach werden je nach Personenanzahl in der Bedarfsgemeinschaft Pauschalbeträge zwischen 1.003,90 Euro (1 Person) und 2.760,50 Euro (5 Personen) als Pauschale bewilligt. Sofern Kinder vorhanden sind, erhöhen sich die Beträge. In den Pauschalen sind Beträge für einen Herd über 76 Euro, für einen Kühlschrank über 69 Euro und für eine Waschmaschine über 161 Euro enthalten. Verfügt der Hilfebedürftige bereits über eins oder mehrere der genannten Geräte werden die jeweiligen Beträge von der Pauschale abgezogen. Dasselbe gilt bei Vorhandensein von Möbeln / Haushaltsgegenständen. Das Jobcenter wird den jeweiligen Wert aus der Verwaltungsanweisung ermitteln und den Pauschalbetrag dementsprechend kürzen.

Beachte:

Bis vor Kurzem wurde zu den genannten Pauschalen zusätzlich bei einer Erstausstattung einer Wohnung ein Betrag in Höhe von 70 Euro für einen Fernseher nebst Fernsehtisch bewilligt, vgl. Sozialgericht Bremen, Urteil vom 14.04.2010 – Az.: S 18 AS 2216/09. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 25.02.2011 Az. B 14 AS 75/10 R jedoch nunmehr entschieden, dass Empfänger von Leistungen nach dem SGB II – Hartz IV – keinen Anspruch darauf haben ein Fernsehergerät im Rahmen der von zuständigen Grundsicherungsträger gem. § 23 III 1 Nr. 1 SGB II zu leistenden Erstausstattung einer Wohnung zu erhalten. Das BSG stellt in seiner Entscheidung fest, dass zwar etwa 95 % der Bevölkerung von Deutschland über einen Fernseher verfügen und das ein Fernsehgerät inzwischen unbestreitbar ein “elementarer Bestandteil der herrschenden Lebensgewohnheiten” der Bevölkerung geworden sei. Jedoch beziehen sich die im Rahmen des SGB II zu erbringenden Leistungen betreffend das Wohnen auf die Abdeckung der grundlegenden Bedürfnisse, wie Aufenthalt, Schlafen und Essen. Ein Fernseher sei für diese Grundbedürfnisse nicht erforderlich.

Die Leistungen sind vom Jobcenter grundsätzlich als Zuschuß zu bewilligen, d.h. der Hilfebedürftige muß das erhaltene Geld nicht zurück zahlen. Sofern ausnahmsweise jedoch einsetzbares Vermögen auf Seiten des Hilfebedürftigen vorhanden ist, sind die Leistungen nur als rückzahlbares Darlehen zu erbringen, § 23 Abs. 5 SGB II.

In der Praxis kann es vorkommen, dass die Leistungen für die Wohnungserstausstattung vom Jobcenter abgelehnt werden. Eine nicht seltene Fallgestaltung liegt z.B. bei Hilfebedürftigen vor, welche bereits eine Wohnung (u.U. jahrelang) angemietet hatten, dann aber in eine neue Wohnung umziehen und sodann erstmals eine Wohnungserstausstattung (überwiegend nur in Teilen) beantragen. Das Jobcenter lehnt den Antrag dann oftmals ohne hinreichende Prüfung des Einzelfalles (§ 20 SGB X) mit dem Argument ab, es liege kein Erstbezug einer Wohnung vor, so dass keine Leistungen für die Wohnungserstausstattung bewilligt werden könnten. Eine solche pauschale Ablehnung der Leistung wäre rechtswidrig. Das Bundessozialgericht hat bereits entschieden, dass der Anspruch auf Wohnungserstausstattung einschließlich Haushaltsgeräten wie alle Leistungen des SGB II bedarfsbezogen zu verstehen ist, BSG, Urteil vom 19.09.2008 – B 14 AS 64/07 R. Entscheidend ist danach, ob ein erstmaliger Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung (auch in Teilen) besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II sind dabei für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen, BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R. Lebte also z.B. der Hilfebedürftige (sei es auch jahrelang) in einer erstmals von ihm angemieteten Wohnung mit vom Vermieter bereit gestellter Einbauküche und Haushaltsgeräten, so entsteht der Bedarf an einer Küche nebst Haushaltsgeräten erstmals dann, wenn der Hilfebedürftige in eine Wohnung ohne Küche und Haushaltsgeräte umzieht.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lässt es § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB II darüber hinaus trotz der grundsätzlichen Abgeltung auch einmaliger Bedarfe durch die Regelleistung zu, dass bestimmte Bedarfe weiterhin gesondert abgedeckt werden. Es handelt sich dabei um spezielle Bedarfe, die erheblich vom Durchschnitt abweichen, BSG, Urteil vom 1.7.2009, B 4 AS 77/08 R. Nach dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind der erstmaligen Ausstattung einer Wohnung wertungsmäßig diejenigen Fälle gleichzustellen, bei denen beispielsweise bereits vorhandene Ausstattungsgegenstände während des Transportes allein durch einen vom Grundsicherungsträger veranlaßten Umzug in eine angemessene Wohnung unbrauchbar werden. Als weitere Ausnahmefälle werden angesehen: Die Erstanmietung einer Wohnung im Falle einer Trennung oder Scheidung oder aufgrund eines Auszuges eines Kindes aus dem Haushalt der Eltern, im Falle eines neu gegründeten Haushalts wegen Heirat, im Falle des Verlustes der eigenen Wohnungsausstattung aufgrund eines Brandes, nach Zuzug aus dem Ausland oder wenn ein Obdachloser eine Wohnung gefunden hat. In diesen (nicht abschließend aufgezählten) Sonderfällen hat das Jobcenter also erneut die Mittel für die Wohnungserstausstattung (ggf. in Teilen) als Zuschuß zu bewilligen. Jeder Einzelfall sollte daher sorgfältig geprüft werden.

Sofern ein evidenter Fall der Ersatzbeschaffung vorliegt (Beispiel: Der Hilfebedürftige hat sich ein Bett gekauft und dieses geht nach einigen Jahren in seinem Haushalt kaputt, so dass er sich ein neues Bett anschaffen muß), kann grundsätzlich nur ein rückzahlbares Darlehen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II beim Jobcenter beantragt werden. Da ein solches Darlehen bei Bewilligung aber in der Regel zinslos gewährt wird, sollte man die Beantragung in seine Überlegungen einfließen lassen.

Im Übrigen besteht ein Anspruch auf (Wohnungs-) Erstausstattung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur dann nicht, wenn der Hilfebedürftige seine Hilfebedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig selbst herbeigeführt hat, das BSG wendet dabei § 34 I SGB II entsprechend an, vgl. BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 45/08 R.

Ein dieser Rechtsprechung entgegenstehendes (Berufungs-) Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 21.04.2010 – Az.: S 2 A 23/08, welches fahrlässiges Verhalten des Hilfebedürftigen für die Verwirkung des Anspruchs genügen ließ, wurde vom Verfasser mit der Revision zum Bundessozialgericht, Az.: B 4 AS 202/10 R angegriffen. Über die Revision wurde noch nicht entschieden.

Auch der (in der Regel) arme SGB II- Leistungsbezieher sollte seine Rechte durch einen Anwalt seines Vertrauens prüfen lassen. Ergeht ein Ablehnungsbescheid des Jobcenters, so kann der Anwalt binnen eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch gegen den Bescheid erheben. Ist der Widerspruch dann erfolgreich, so hat die Behörde grundsätzlich die Rechtsanwaltsgebühren nach § 63 SGB X zu erstatten. Sollte ein Eil- oder Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bremen notwendig werden, so kann bei Bedürftigkeit Prozeßkostenhilfe beantragt werden. Im Falle der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe trägt die Staatskasse die Anwaltskosten des gerichtlichen Verfahrens.

Die Ausarbeitung dieser Leserinformation erfolgte durch Rechtsanwalt Freddy Beier.

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