Sozialgericht Bremen, Urteil vom 29.07.2015 – S 27 AS 160/12

Sozialgericht Bremen
Urteil

In dem Rechtsstreit

1-3 …

Prozessbevollmächtigte:
zu 1-3: Rechtsanwälte Beier & Beier, Gröpelinger Heerstraße 387, 28239 Bremen, Az.: F/2011/067

gegen

Jobcenter Bremen,,vertreten durch den Geschäftsführer, Doventorsteinweg 48 – 52, 28195 Bremen, Az.:

hat die 27. Kammer des Sozialgerichts Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung am 23. Juli 2015, an der teilgenommen haben:
Richterin am Sozialgericht Dr. S. als Vorsitzende
sowie die ehrenamtliche Richterin K. und der ehrenamtliche Richter S. für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern weitere 685,60 € für die Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

TATBESTAND

Der Beklagte hat gegen den Gerichtsbescheid vom 2.6.2014, auf den verwiesen wird, insgesamt mündliche Verhandlung beantragt. Er macht inhaltlich insbesondere geltend, dass eine Waschmaschine vorhanden gewesen sei, auch wenn angegeben worden sei, dass sie „nicht richtig funktionieren würde“. Sie sei reparabel gewesen, es handele sich um Ersatzbeschaffung.

Dazu hat der Kläger zu 1. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.7.2015 erklärt

„Ich habe diese Waschmaschine damals, wie mein Anwalt schon vorgetragen hatte, vom Sperrmüll bekommen. Sie hat beim ersten Waschen zwar begonnen zu waschen, hat dann aber blockiert. Wir haben zwei Stunden versucht, die Wäsche da wieder herauszubekommen. Man musste die Vorderklappe kaputt machen. Das ganze Bad stand unter Wasser. Ich hatte auch noch einmal bei einer Firma angefragt, was die Reparatur kosten würde. Da sagte er, mindestens 80,00 €. Das ist, mir ganz sinnlos vorgekommen, weil ich eine neue Waschmaschine für wenig mehr Geld, für 120,00 € etwa mit zwei Jahren Garantie bekommen konnte.“

Die Behördenakten haben dem Gericht vorgelegen, auf sie wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Kläger haben aufgrund des § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 2 SGB II einen Anspruch auf Bewilligung der fehlenden Teile der Erstausstattung ihrer Wohnung gegen den Beklagten. Im Eilverfahren 9 AS 1920/11 ER wurde er ihnen durch Beschluss vom 21.12.2011 vorläufig zugesprochen.

Dort ist ausgeführt

„Der am 31. Oktober 2011 von Mitarbeitern des Antragsgegners durchgeführte Hausbesuch bei den Antragsstellern, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Antragsgegner beziehen, hat ergeben, dass in deren Haushalt lediglich die im folgenden aufgezählten Gegenstände vorhanden gewesen sind, die zum einen eine geordnete Haushaltsführung sowie ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen und zum anderen der Befriedigung von einfachen und grundlegenden Wohnbedürfnissen genügen:

– eine Einzelbettmatratze (90×200 cm)
– ein Kleiderschrank
– zwei Nachtschränke
– ein Couchtisch
– zwei Läufer, sowie
– Hausrat in Form von Töpfen, Bestecken usw.

(Der Wäschetrockner und die Mikrowelle, die ebenfalls vorhanden gewesen sind, gehören nicht zu den Gegenständen, die der Befriedigung von einfachen und grundlegenden Wohnbedürfnissen genügen).

Da die Verwaltungsanweisung der Senatorin für (Arbeit,) Frauen, (Gesundheit,) Jugend, Kinder und Soziales sowohl in ihrer alten Fassung (nach dem Stand vom 05. Februar 2009) als auch in ihrer neuen Fassung (nach dem Stand vom 15. September 2011) nur die Gewährung von Pauschalbeträgen bzw. Teilpauschalen in Geld für Leistungen nach § 23 Abs. 3 SGB II alter Fassung (a. F.) beziehungsweise nach § 24 Abs. 3 S. 1 Nrn. 1 und 2 SGB II neuer Fassung (n. F.) vorsehen, unterliegen diese Pauschalbeträge bzw. Teilpauschalen einer richterlichen Plausibilitätskontrolle im Hinblick darauf, ob bei deren Bemessung geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte berücksichtigt worden sind (§ 24 Abs. 3 S. 6 SGB II n. F.; vgl. dazu auch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. August 2009 zum Aktenzeichen B 14 AS 45/08 R). Eine solche richterliche Plausibilitätskontrolle ist im einstweiligen Anordnungsverfahren allerdings nur sehr eingeschränkt möglich. Dennoch ist im hier zu entscheidenden Fall festzuhalten, dass für die erkennende Kammer nicht nachvollziehbar ist, warum die neue Verwaltungsanweisung zu , § 24 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 SGB II (nach dem Stand vom 15. September 2011) eine Wohnungseinrichtungspauschale in Höhe von 1.610,00 € (inkl. einer Spüle (42,00 €), eines Staubsaugers (30,00 €), einer Waschmaschine (103,00 €), eines Kühlschranks (61,00 €) und eines E-Herdes (64,00 €)) für einen 3-Personenhaushalt mit einem Kind unter sechs Jahren vorsieht, während die alte Verwaltungsanweisung zu § 23 Abs. 3 SGB II (nach dem Stand vom 05. Februar 2009) für einen 3-Personenhaushalt mit einem Kind noch Pauschalen für die Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten vorgesehen hat, die in der Addition einen Betrag von 1.680,50 € (inkl. eines Herdes (76,00 €), eines Kühlschranks (79,00E) und einer Waschmaschine (161,00 €), wobei diese — höheren — Teilpauschalen aus dem Sachleistungskatalog des Amtes für Soziale Dienste -Wirtschaftliche Hilfen — nach dem Stand von Juni 2004 entnommen und im Fall von Herd und Waschmaschine sogar noch auf volle Euro-Beträge abgerundet worden sind) ergeben. Da von der erkennenden Kammer in keiner Weise nachvollzogen werden kann, dass — selbst gebraucht beschaffte — Einrichtungsgegenstände zwischen Anfang 2009 und Mitte September 2011 preiswerter geworden sein sollen, ist im hier zu entscheidenden Fall von den alten Pauschalbeträgen in, einer Gesamthöhe von 1680,50 auszugehen.

Davon sind allerdings Abschläge für einzelne vorhandene, im Folgenden aufgeführte Gegenstände zu machen, deren Höhe in Ermangelung neuerer Erkenntnisse zu Gunsten der Antragssteller aus dem Sachleistungskatalog des Amtes für Soziale Dienste — Wirtschaftliche Hilfen — nach dem Stand von Juni 2004 zu entnehmen ist:

– eine Matratze (90×200 cm) 34,50 €
– ein Couchtisch 30,70 €
– ein Kleiderschrank (3-türig) 76,70 €
– zwei Nachtschränke zusammen 25,60 €
– zwei Läufer (mit einer angenommenen Gesamtlänge von 4 m) zusammen 20,40 €.

In der Addition ergibt sich somit, ein Gesamtabschlagsbetrag in Höhe von 187,90 €. Kein Abschlag ist dem gegenüber für eine Waschmaschine zu machen, da die vorhandene (vom Sperrmüll kommende) Maschine nach den ausführlichen Darlegungen der Antragssteller in ihrem Schriftsatz vom 07. Dezember 2011 nicht mehr funktionstüchtfg ist und deshalb auch insoweit von einem bestehenden Erstausstattungsbedarf auszugehen ist.

Subtrahiert man von 1.680,50 € 187,90 € so ergibt sich ein Differenzbetrag in Höhe von 1.492,60 €. Abzüglich bereits bewilligter 797,00 € ergibt sich der hier aus dem Beschlusstenor zu 1. zu ersehende, zuzusprechende Betrag.“

Daran wird für das vorliegende Verfahren ausdrücklich festgehalten.

Die getroffene Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Dieses Urteil kann nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom Sozialgericht nicht zugelassen worden ist.

Die Nichtzulassung der Berufung kann mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Georg-Wilhelm-Straße 1, 29223 Celle oder bei der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz vom 21.10.2011 (Nds. GVBI. S. 367) in der jeweils aktuellen Fassung oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass

1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Ist das Urteil im Ausland zuzustellen, so gilt anstelle der oben genannten Monatsfrist eine Frist von drei Monaten.

gez. Dr. S.
Richterin am Sozialgericht

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