SG Bremen, Gerichtsbescheid vom 21.04.2016 – S 22 AS 1574/15

SOZIALGERICHT BREMEN

IM NAMEN DES VOLKES

GERICHTSBESCHEID

In dem Rechtsstreit

J. K., Bremen,
Klägerin,

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Beier & Beier, Gröpelinger Heerstraße 387, 28239 Bremen, Az.:

gegen

Jobcenter Bremen, vertreten durch den Geschäftsführer, Doventorsteinweg 48 – 52, 28195 Bremen, Az.:-
Beklagter,

hat die 22 Kammer des Sozialgerichts Bremen am 21. April 201,6 durch ihren Vorsitzenden Richter Dr. M., für Recht erkannt:

Der Bescheid des Beklagten vom 04.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2015 (W 3939/15) wird aufgehoben.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

TATBESTAND

Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen einen Versagungsbescheid.

Die am … geborene Klägerin zog am 01.09.2014 von Hamburg nach Bremen und lebt seitdem bei ihrer Tochter. Die Klägerin bezieht Witwenrente.

Am 30.09.2014 (Bl. 1 d. VA, Bd. I) stellte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Im Rahmen des Antrages gab die Klägerin an,. dass sie monatliche Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 427,00 Euro habe und reichte zugleich einen Mietvertrag zwischen ihr und dem Ehemann der Tochter der Klägerin vom 01.09.2014 ein (Bl. 14 d. VA, Bd. 1). Dem Mietvertrag ist zu entnehmen, dass die Klägerin im Hause X-Str. in Bremen ein Zimmer, eine Küche, ein Bad und einen Flur mit einer Wohnfläche von 40 Quadratmetern für einen Gesamtbetrag in Höhe von 427,00 Euro (Miete in Höhe von 300,00 Euro, Heizung und Warmwasservorauszahlung in Höhe von 70,00 Euro und Nebenkosten in Höhe von 57,00 Euro) ab dem 01.09.2014 gemietet hat. In Bezug auf die Zahlungsweise wurde vereinbart, dass die Klägerin den Gesamtbetrag in Höhe von 427,00 Euro auf das Konto des Vermieters bei der B-Bank überweist. Ferner legte die Klägerin ihre Rentenbezugsbescheinigung vom 30.07.2014 (Bl 20 d. VA, Bd. 1) vor, aus der sich eine große Witwenrente in Höhe von 652,59 Euro für die Zeit ab dem 01.07.2014 ergab. Ferner reichte die Klägerin eine Meldebescheinigung vom 24.09.2014 (Bl. 22 d. VA, Bd. I) ein.

Mit Schreiben vom 14.10.2014 (Bl. 54 d. VA, Bd. I) forderte der Beklagte die Klägerin zur Mitwirkung auf.

Am 31.10.2014 reichte die Klägerin weitere Unterlagen ein, insbesondere ein Schreiben ihres Vermieters vom 29.10.2014 (Bl. 58 d. VA, Bd. I). Im Rahmen dieses Schreibens erklärte der Vermieter der Klägerin, dass die gesamte Größe der Wohnung sich auf ca. 110 Quadratmetern belaufe. Als Grundlage für die Berechnung der Heizwasserversorgung werde 1,70 Euro pro Quadratmeter angesetzt.

Mit Schreiben vom 22.12.2014 (Bl. 61 d. VA, Bd. I) erinnerte der Beklagte die Klägerin an die Mitwirkungsaufforderung vom 14.10.2014. Im Einzelnen forderte die Beklagte die Klägerin zur Vorlage der vollständig ausgefüllten Anlage VM, Nachweise über die Schließung des Kontos, den Sozialversicherungsausweis, eine aktuelle Meldebescheinigung der Krankenkasse und den ausgefüllten Laufzettel an.

Mit Schreiben vom 07.01.2015 (Bl. 62 d. VA, Bd. I) erwiderte die Klägerin auf das Erinnerungsschreiben des Beklagten vom 22.12.2014 und reichte einen aktuellen Rentenbescheid vom 11.12.2014 (Bl. 65 d. VA, Bd. I) ein.

Mit Schreiben vom 15.04.2015 (Bl. 82 d. VA, Bd. I) erinnerte der Beklagte die Klägerin an das Erinnerungsschreiben vom 22.12.2014.

Am 21.04.2015 führte der Beklagte erfolglos einen Hausbesuch bei der Klägerin durch (Bl. 84 VA, Bd. I) Im Rahmen des Hausbesuches machte der Beklagte Feststellungen über das Haus, in dem die Klägerin lebte, und über die dortigen Wohnverhältnisse.

Am 08.05.2015 (Bl, 90 d. VA, Bd. I) reagierte die Klägerin auf die Erinnerung des Beklagten und teilte mit, dass ihr das Geld was sie zum Leben habe, nicht ausreiche, denn sie müsse wie jeder Miete und Strom zahlen. Diesem Schreiben legte die Klägerin insbesondere einen neuen und nicht unterzeichneten Mietvertrag vom 30.03.2915 für ein Haus in der S-Str. in Bremen bei (Bl. 95 d. VA, Bd. I). Dem Mietvertrag ist insoweit zu entnehmen, dass die Klägerin ein Zimmer, eine Küche und, zwei Bäder und einen Flur zur gemeinschaftlichen Nutzung für einen Gesamtbetrag in Höhe von 427,00 Euro angemietet habe. Als Beginn des Mietverhältnisses wurde der 01.04.2015 angegeben. Die Wohnfläche wurde mit 35 Quadratmetern angegeben. Bei dem Vermieter der Klägerin handelte es sich um den früheren Vermieter, der zugleich der Ehemann der Tochter der Klägerin ist. Als Zahlungsmethode wurde eine Überweisung auf das Konto des Vermieters bei B-Bank angegeben. Hinzukommend legte die Klägerin Kontoauszüge ihrer Bank, den Laufzettel zur Antragstellung, die Kündigungsbestätigung der AOK Rheinland/Hamburg vom 20.03.2015, ein Schreiben der AOK Rheinland/Hamburg vom 23.04.2015, nach dem ein Sozialversicherungsausweis beantragt wurde, eine Rentenbezugsbescheinigung vom 30.07.2014 und die Anlage VM bei.

Mit Schreiben vom 11.06.2015 (Bl. 114 d. VA, Bd. I) forderte der Beklagte die Klägerin erneut zur Mitwirkung auf. Im Einzelnen forderte der Beklagte bei die Klägerin eine Erläuterung des den Grundes und des Zeitpunktes des Umzuges, weitere Kontoauszüge und die Anlage VM im Original an.

Mit Schreiben vom 08.06.2015, eingegangen am 23.062015 (Bl 120 d. VA, Bd. 1) übersandte die Klägerin die Kündigungsbestätigung der Krankenversicherung vom 20.03.2015 (Bl. 121 d. VA, Bd. I), den Sozialversicherungsausweis vom 29.042015 (Bl. 122 d. VA, Bd. I) und eine Meldebescheinigung vom 15.04.2016 (Bl. 124 d. VA, Bd. l).

Mit Schreiben vom 24.06.2015 (Bl. 125 d. VA, Bd. I) erinnerte der Beklagte die Klägerin an das Mitwirkungsschreiben vom 11.06.2015.

Am 30.06.2015 (Bl. 127 d. VA, Bd. I) führte der Beklagte einen Hausbesuch bei der Klägerin durch.

Mit Bescheid vom 04.08.2015 (Bl. 129 d. VA, Bd. I) versagte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab dem 01.10.2014.

Zur Begründung der Entscheidung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Klägerin am 11.06.2015 und 24.06.2015 aufgefordert wurde, fehlende Unterlagen einzureichen. Trotz dieser Aufforderung habe die Klägerin nicht sämtliche geforderten Unterlagen und Erklärungen eingereicht. Im Einzelnen fehle derzeit eine Mitteilung zum Grund des Umzuges, eine Stellungnahme zum Zeitpunk des Umzugs, der Laufzettel im Original, die vollständigen Kontoauszüge für das Konto bei der X-Bank ab 09.08.2014 bis laufend, die vollständigen Kontoauszüge des Kontos bei der B-Bank vom Juli 2014 bis laufend, die Anlage VM im Original und ein Nachweis der aktuellen Krankenversicherung ab 01.06.2015.

Des Weiteren führte der Beklagte aus, dass die Leistungen ganz versagt werden, da die Klägerin ihrer Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei..Die Klägerin habe keine Gründe mitgeteilt, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt werden konnten. Die Klägerin sei der Aufforderung und ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Daher könnte der Anspruch nicht geprüft werden. Nach Abwägung des Sinnes und Zweckes der Mitwirkungsvorschriften mit dem Interesse der Klägerin an den Leistungen, sowie dem öffentlichen Interesse an Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit werden die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Klägerin ab dem 01.10.2014 ganz versagt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.08.2015 (Bl. 131 d. VA, Bd., I) legte die.Klägerin Widerspruch gegen den Versagungsbescheid vom 04.08.2015 ein. Zur Begründung des Widerspruchs führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Wesentlichen aus, dass sie die angeforderten Unterlagen eingereicht habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2015 (W 3939/15, Bl. 138 d. VA, Bd. I) wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung der Entscheidung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Klägerin nicht sämtliche angeforderte Unterligen eingereicht habe.

Die Vorlage der Unterlagen sei erforderlich, weil ansonsten nicht geklärt werden kann, ob die Klägerin über Einkommen und Vermögen verfügt. Ferner sei die Vorlage der Kontoauszüge erforderlich, um zu klären, ob die Klägerin gegenüber ihren Schwiegersohn einem ernsthaft Mietzinsverlangen ausgesetzt ist. Die erforderliche Ermessensentscheidung liege vor. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich.

Am 11.09.2015 hat die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten Klage gegen den Versagungsbescheid vom 04.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2015 erhoben.

Zur Begründung führt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Wesentlichen aus, dass die Klägerin alle Unterlagen eingereicht habe. Im Übrigen habe die Beklagte den Versagungsbescheid erst am 04.08.2015 mit Wirkung ab dem 01.10.2014 erlassen. Der Beklagte habe jedoch zu beachten, dass die Versagung oder Entziehung von Leistungen nach § 66 SGB I nur für die Zukunft, erfolgen dürfe und nicht, wie im Bescheid vom 04.08.2015 geschehen, auch für die Vergangenheit.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

den Versagungsbescheid vom 04.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf den Inhalt des Vorganges und auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Ergänzend führt der Beklagte zur Begründung seines Antrages im Wesentlichen aus, dass sich die Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht aus dem Umstand begründe, dass für die Vergangenheit eine Versagung vorgenommen wurde. Dies gelte nur für Fälle bei denen  bereits Leistungen bewilligt wurden und dann für die Vergangenheit versagt wurden. Die Entscheidung über die Versagung dürfte demnach rechtmäßig sein.

Das Gericht hat die Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 27.11.2015 auf den Gegenstand des Verfahrens und auf  die gerichtliche Einschätzung in Bezug auf die Sach- und Rechtslage hingewiesen.

Die Beteiligten sind wegen der Entscheidung durch Gerichtsbescheid mit gerichtlichem Schreiben vom 10.03.2016 angehört worden.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Sachvortrags wird auf die Gerichtsakte und auf die Leistungsakte des Beklagten verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte das Gericht im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache ,,Keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vor Erlass ordnungsgemäß angehört wurden.

Die als Anfechtungsklage statthafte und zulässige Klage ist begründet.

Der angegriffene Versagungsbescheid des Beklagten vom 04.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2015 (W 3939/15) ist rechtswidrig und Verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Vorliegend ist lediglich im Rahmen er Anfechtungsklage über die Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides zu entscheiden (vgl. BSG, Urt. v. 01.07.2009, B 4 AS 78/08 R, juris, Rn. 11; BSG, Urt. v. 25.10.1988, 7 Rar 70/87, juris, Rn. 12; KassKomm/Seewald, SGB I, 88. EL Dezember 2015, § 66 Rn. 40; Sichert, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB I, 39. EL November 2015, K § 66 Rn. 44 jeweils w. N.) und dass der Klägerin Leistungen nach dem SGB II wegen Verstoßes gegen die ihr obliegenden Mitwirkungspflichten versagt worden sind.

Die Voraussetzungen einer Leistungsversagung nach § 66 SGB I sind vorliegend nicht erfüllt, weil zwar die Klägerin trotz ausdrücklicher Aufforderung den ihr obliegenden zumutbaren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist, jedoch die Versagungsentscheidung für die Vergangenheit rechtswidrig ist. Im Übrigen ist die Entscheidung des Beklagten ermessensfehlerhaft.

§ 66 Abs. 1 S. 1 SGB I trifft folgende Bestimmung: Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistungen nicht nachgewiesen sind (hierzu Sichert, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB I, 39. EL November 2015, K § 66 Rn. 9ff.).

Gem. § 66 Abs. 3 SGB I dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm liegen vor. Die Klägerin war im Rahmen der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II gem. § 60 Abs. 1 SGB I dazu verpflichtet, die vom Beklagten angeforderten Nachweise zu erbringen.

Nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen. Gem. § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I hat er Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihre Vorlage zuzustimmen.

Die vom Beklagten mit Schreiben seinen Mitwirkungsschreiben angeforderten Nachweise waren erforderlich für die Feststellung, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Leistungsanspruch der Klägerin bestand. Der Beklagte benötigte diese Informationen zur Bestimmung der nach § 9 Abs. 1, 2 SGB II erforderlichen Hilfebedürftigkeit der Klägerin. Gleiches gilt für die weiteren angeforderten Unterlagen.

Im Rahmen dieser Prüfung ist der Leistungsbegehrende nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urt. v. 19.02.2009, B 4 AS 10/08 R, juris; Rn. 14ff.) gemäß §§ 60 ff. SGB I grundsätzlich im Rahmen der Mitwirkung zur Vorlage von auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bezogenen angeforderten Unterlagen verpflichtet.

Eine Verpflichtung zur Vorlage von konkret bezeichneten Unterlagen und Informationen besteht daher jedenfalls immer dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für vorhandene Einnahmen oder Vermögenswerte vorliegen.

Die Klägerin hat ihre Mitwirkungspflicht weder in der von dem Beklagten gesetzten Frist noch bis zum Erlass des Versagungsbescheides vom 04.08.2015 und des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2015 vollständig erfüllt. Insbesondere ergibt sich die fehlende vollständige Mitwirkung der Klägerin aus dem Verwaltungsvorgang.

Der schriftliche Hinweis nach § 66 Abs. 3 SGB I entspricht ,auch den rechtlichen Voraussetzungen, da der Hinweis konkret und unmissverständlich auf den individuellen Fall bezogen ist (hierzu KassKomm/Seewald, SGB I, 88. EL Dezember 2015, § 66,,Rn. 12; Mrozynski, SGB I, 5. Aufl. 2014, § 66 Rn. 30; Sichert, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB. 39. EL November 2015, K,§ 66 Rn. 18f. jeweils m. w. N.).

Die gesetzte Frist war auch angemessen und abgelaufen (hierzu;. Sichert, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB I, 39. EL November 2015, K § 66 Rn. 20 m. w. N.).

Der Beklagte hat jedoch das ihm nach § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Die Versagung ist eine Ermessensentscheidung, welche das Gericht nach § 54 Abs. 2 S. 2 SGG nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüfen darf.

Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob 1. der Beklagte seiner Verpflichtung zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch), 2. mit seiner Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, d. h. eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt hat (Ermessensüberschreitung) oder 3. von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit / Ermessensmissbrauch) (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rn. 27; Bieresborn, in: Roos/Wahrendorf (Hrsg.), SGG, 1. Aufl. 2014, § 54 Rn. 132ff. jeweils m. w. N.).

Damit wird der Anspruch des Betroffenen auf pflichtgemäße Ermessensausübung gesichert und zugleich Entscheidungsspielrum der Behörde gewahrt. Ermessensfehler liegen hier vor.

Der Beklagte hat das ihm eingeräumte Ermessen ausweislich des angegriffenen Bescheides vom 04.08.2015 nicht pflichtgemäß ausgeübt. Zwar hat der Beklagte bei der Entscheidung den Sinn und Zweck der Mitwirkungsvorschriften, das öffentliche Interesse an der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und das Interesse der Klägerin an den Leistungen formelhaft berücksichtigt, jedoch fehlt es an der notwendigen Ergründung der Ermessensgesichtspunkte, die auf der Seite der Klägerin stehen. So hat der Beklagte lediglich ausgeführt, dass die Klägerin keine Gründe mitgeteilt hat, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu ihren Gunsten berücksichtigt werden konnten.

In diesem Rahmen ist zu berücksichtigen, dass vor Erlass der versagenden Ermessensentscheidung eine Aufklärung der wesentlichen Gesichtspunkte, die für und eine entsprechende Entscheidung sprechen, vom Beklagten zu ermitteln sind (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 54. Rh. 27; Bieresborn, in: Roos/Wahrendorf (Hrsg.), SGG, 1. Aufl. 2014, § 54 Rn. 133 jeweils m. w. N.). Dies hat der Beklagte jedoch vorliegend nicht gemacht. Ein entsprechendes Schreiben an die Klägerin ist nicht in dem Verwaltungsvorgang vorhanden. Insbesondere ergibt sich schon aus dem Verwaltungsvorgang, dass die Klägerin durchgängig auf die Aufforderungen des Beklagten reagiert hat, jedoch nicht vollständig.

Dies stellt jedoch einen Ermessensgesichtspunkt dar, der auf der Seite der Klägerin zu berücksichtigen ist. Hinzukommend spricht die Abfolge der Begründung im streitgegenständlichen Bescheid dafür, dass im Rahmen der Ermessensentscheidung die fehlende Mitwirkung der Klägerin berücksichtigt wurde. Hierbei handelt es sich jedoch um eine tatbestandliche Voraussetzung der Versagungsentscheidung, die nicht im Rahmen des Ermessens nochmals berücksichtigt werden darf.

Hinzukommend fehlt es an einer entsprechenden Ermessensentscheidung, ob die Leistungen ganz oder nur teilweise versagt werden, da diese Rechtsfolgenmodalitäten gerade im Rahmen einer Entscheidung nach § 66 Abs. 1 SGB I vorgesehen ist (vgl. Sichert, in: Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB I, 39. EL November 2015, K 66 Rn. 32 in w. N.).

Die Rechtswidrigkeit der Bescheide ergibt sich ebenfalls aus dem Umstand, dass der Beklagte mit Versagungsbescheid vom 04.08.2015 nicht die Leistungen für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit ab dem 01.10.2014 versagt hat.

Dies ergibt daraus, dass die Folgen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht ausschließlich in § 66 SGB I geregelt sind, der eine rückwirkende Entziehung und Versagung der Leistung nicht vorsieht. Dies ergibt sich aus dem Sinn der Vorschrift. Die Versagung knüpft an die Verletzung der Mitwirkungspflicht an und nach Fristsetzung und Belehrung nur bis zur Nachholung, der unterlassenen Handlung wirkt.

Dies führt dazu, dass sie nicht schon mit dem Zeitpunkt der Verletzung der Mitwirkungspflicht einsetzen, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich der Wirksamkeit des Versagungsbescheides (hierzu vgl. Hessisches LSG, Beschl. v. 20.07.2011, L 7 AS 52/11 B ER, juris, Rn. 27; BSG, Urt. v. 26.05.1983, 10 RKg 13/82, juris, Rn. 15; BSG, Urt. v. 31.01.2006, B 11a AL 13/05 R, juris, Rn. 26; BSG, Urt. v. 20.10.2005, B 7a/7 AL 102/04 R, juris, Rn. 16; KassKomm/Seewald, SGB I 881 EL Dezember 2015, § 66 Rn. 28 jeweils m. w. N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Georg-Wilhelm-Straße 1, 29223 Celle oder bei der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz vom. 21.10.2011 (Nds. GVBI. S. 367) in der jeweils aktuellen Fassung oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen schriftlich oder in elektronischer Form nach, Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr im Land Bremen vom 18.12.2006 (Brem. GBI. S. 548) in der jeweils aktuellen – Fassung oder zur. Niederschrift des Urkundsbeamtern der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Ist der Gerichtsbescheid im Ausland zuzustellen, so gilt anstelle der oben genannten Monatsfrist eine Frist von drei Monaten.

Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Dies gilt nicht bei Einlegung der Berufung in elektronischer Form.

gez. Dr. M. Richter

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