AG Bremen, Beschluss vom 18.07.2012 – Az.: 66 F 149/11 SO

 

Amtsgericht Bremen

Beschluss

In der Familiensache

betreffend die elterliche Sorge für
J. N., geboren am 24.12.2004
wohnhaft Einrichtung XXX,
– Betroffener –

Beteiligte:
1. V. C., Bremen
– Verfahrensbeiständin –

2. Amt für Soziale Dienste Jugendamt Bremen – Fachdienst Amtsvormundschaft -, Rembertiring 39, 28203 Bremen

3. Amt für Soziale Dienste SZ Gröpelingen/Walle, 28195 Bremen

4. I. N., Bremen

zu 4. Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Beier & Beier, 28239 Bremen Geschäftszeichen: H/2011/059

5. O. K. W., Bremen

hat das Amtsgericht – Familiengericht – Bremen durch die Richterin am Amtsgericht M. am 18.07.2012 beschlossen:

Der Kindesmutter wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Gesundheitsfürsorge und das Recht zur Beantragung öffentlicher Hilfen für J. N., geb. am 24.12.04 entzogen und auf das Jugendamt Bremen als Vormund übertragen.

Die Entscheidung ist sofort wirksam.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Verfahrenswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kindesmutter steht die Sorge für ihr Kind J. N., geb. am 24.12.04 allein zu.

Mit einstweiliger Anordnung vom 21.12.10 wurde der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Gesundheitsfürsorge und das Recht zur Beantragung öffentlicher Hilfen für J. vorläufig entzogen und auf das Jugendamt Bremen übertragen.

Die Kindesmutter ist dem Jugendamt seit dem 13.10.06 bekannt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Kindesmutter schon längere Zeit im Methadonprogramm und wurde deshalb im Rahmen einer allgemeinen Anweisung des Amtes für Soziale Dienste vom Jugendamt aufgesucht. Als die Mitarbeiter des Amtes für Soziale Dienste eine vermüllte Wohnung vorfanden, wurde J. erstmals in Obhut genommen und blieb bis zum 02.01.07 bei dem Bruder der Kindesmutter, Herrn A. N..

Mit Auflagen und dem Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhilfe wurde J. sodann zurückgeführt.

J. wurde zunächst ins Hermann-Hildebrandt-Haus verbracht und am 20.08.07 in den mütterlichen Haushalt zurückgeführt. Die Zusammenarbeit mit der Kindesmutter gestaltete sich gut. Die Familienhilfe war bis zum 30.06.10 in der Familie tätig. Es wurde festgestellt, dass die Kindesmütter stabil ist und bei dem substituierenden Arzt Dr. S. regelmäßig Urinkontrollen durchführte, welche belegten, dass sie Beigebrauch frei war.

Nach einer Polizeimeldung, dass die Kindesmutter im August 2009 beim Kauf von 3 g Heroin erwischt worden sei, wurde mit der Kindesmutter vereinbart, eine Haaranalyse durchzuführen. Das toxikologische Gutachten betreffend die Kindesmutter vom 18.08.10 wies einen Beigebrauch der Kindesmutter von Kokain und Heroin über einen Zeitraum von insgesamt 12 Monaten nach. Die Kindesmutter räumte daraufhin einen Beigebrauch von Kokain und Heroin über einen Zeitraum von insgesamt 5 Jahren ein. Das Toxikologische Gutachten für das Kind J. N. vom 11.08.10 wies Kokain sowie dessen inaktive Stoffwechselprodukte Benzoylecgonin und Opioide 6-MAM (aktives Heroin Stoffwechselprodukt) und Morphin in den Haaren des Kindes nach und führte aus, dass der Nachweis von 6 MAM beweise, dass die Anwendung parenteral erfolgt sein müsse.

Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde J. mit Einverständnis der Kindesmutter erneut in Obhut genommen und befand sich seit März 2010 im St.-Petri-Kinderheim. Die Kindesmutter verlangte im Dezember 2010 unter Beibehaltung der Zustimmung zur Fremdplatzierung, dass J. zu ihrem Bruder und dessen Ehefrau, die Eheleute N. verbracht wird. Mit Beschluss vom 21.12.10 entzog das Amtsgericht Bremen die genannten Teilbereiche der Sorge einstweilen und bestellte für das Kind eine Verfahrensbeiständin. Mit Beschluss vom 12.01.11 bestätigte das Amtsgericht den Beschluss vom 21.12.10 nach mündlicher Verhandlung und lehnte eine Vormundschaft des Bruders der Kindesmutter, Herrn A. N. im Rahmen der einstweiligen Anordnung, ab.

J. befindet sich seit Anfang Januar 2011 in einer sozial- und heilpädagogischen Einrichtung, der „XXX“. Dabei handelt es sich um eine Kleinsteinrichtung, in der J. mit 3 weiteren Kindern familienanalog mit der Sozialpädagogin Frau P. zusammenlebt.

Das Gericht hat sodann Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen familienpsychologischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter sowie des Onkels von J., Herrn A. N.. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das psychologische Gutachten vom 16.05.12 (BI. 101 d.A.) verwiesen.

Das Gericht hat die Kindesmutter persönlich angehört.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Vermerk über die Anhörung vom 18.07.12 verwiesen.

Die Kindesmutter hat dem Teilentzug der Sorge zugestimmt und sich damit einverstanden erklärt, dass J. in der Einrichtung lebt.

II.

Der Kindesmutter war die elterliche Sorge hinsichtlich der Teilbereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Gesundheitsfürsorge und das Recht zur Beantragung öffentlicher Hilfen gem. §§ 1666, 1666 a BGB zu entziehen, um eine Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden.

Das psychologische Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Kindesmutter derzeit nicht in der Lage ist, das Kind angemessen zu betreuen und zu versorgen. Die Kindesmutter sei psychisch instabil und aufgrund ihrer eigenen großen Bedürftigkeit sowie der bisher therapeutisch nicht ausreichend bearbeiteten Suchtproblematik nicht in der Lage, das Kind zu betreuen. Es sei nicht auszuschließen, dass die Kindesmutter in erneuten Krisen das Kind nicht hinreichend versorgen kann. Insbesondere die emotionalen und psychischen Auffälligkeiten des Kindes, die eine kontinuierliche und professionelle Begleitung erfordern, wie sie derzeit in dem kompetenten heilpädagogischen Setting der Einrichtung angeboten werden, führe dazu, dass die Installierung ambulanter oder teilstationärer Hilfen nicht ausreichend wären, um das Kindeswohl dauerhaft zu sichern. Die grundsätzlich erziehungsgeeignete Kindesmutter könne aufgrund dieser Umstände den aktuellen Entwicklungserfordernissen des Kindes daher nicht genügen. Aufgrund des erhöhten Förderbedarfs von J. komme auch eine Vormundschaft des Bruders der Kindesmutter nicht in Betracht. Das Wohl des Kindes sei derzeit am besten durch den Verbleib in der derzeitigen Einrichtung gewährleistet.

Das Gericht hat sich aus eigener Überzeugung dem Ergebnis des Gutachtens angeschlossen. Da sich insbesondere auch das Jugendamt und die Verfahrensbeiständin für die Aufrechterhaltung der einstweiligen Anordnung aussprachen und die Kindesmutter dem Teilentzug zustimmte, war entsprechend zu entscheiden.

Für die weitere Entwicklung ist nun dringend erforderlich, dass die von der Einrichtung geplante Therapie für J. kurzfristig installiert wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus § 45 FamGKG.

M.
Richterin am Amtsgericht

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