AG Detmold, Beschluss vom 19.02.2015 – 32 F 132/13

Amtsgericht Detmold
Beschluss

Tenor:

Der Antrag des Antragsteller wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.

Gründe:

I.

Der am 12.08. geborene, 15 Jahre alte Antragsteller ist der gemeinsame Sohn des Antragsgegners und der Kindesmutter. Die Eltern sind geschieden. Der Antragsteller lebt im Haushalt der Mutter. Aus der Ehe der Eltern sind insgesamt drei Kinder hervorgegangen. Der Antragsteller ist das jüngste Kind.

Der Antragsgegner hat ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 3059,84 EUR.

Die Kindesmutter hat ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 3508,53 EUR.

Der Antragsgegner zahlt für den Antragsteller einen laufenden monatlichen Kindesunterhalt von 396,50 EUR.

Der Antragsteller verlangt anteilige Kosten für eine Klassenfahrt und eine kiefernorthopädische Behandlung.

Die Kindesmutter erteilte dem Antragsgegner unter dem 11.09.2012 mit, dass der Antragsteller eine Klammer benötige. Es fallen 3500 EUR an, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Sie forderte den Antragsgegner auf, monatlich 72,92 EUR ab September 2012 zu zahlen.

Mit außergerichtlichen Schreiben vom 07.01.2013 teilte die Kindesmutter dem Antragsgegner mit, dass der Antragsteller an einer Klassenfahrt teilnehmen werde. Die Kosten dafür betragen 390 EUR. Sie forderte ihn auf, die hälftigen Kosten von 195 EUR zu zahlen.

Die Klassenreise, eine Skifreizeit, fand im Februar 2013 statt.

Alle drei Kinder der Eltern haben dieselbe Schule besucht. In der 8. Klasse wurde eine Skifreizeit durchgeführt. Auch die beiden Schwestern des Antragstellers haben in der 8. Klasse an einer solchen Skifreizeit teilgenommen.

Der Antragsteller trägt vor, dass die ältere Schwester eine vergleichbare kieferorthopädische Behandlung bekommen habe. Die Kosten für die kieferorthopädische Behandlung der Tochter seien von der Kindesmutter alleine getragen worden. Der Antragsgegner müsse nunmehr die Behandlung des Sohnes alleine tragen. Sie macht insoweit die Raten von September 2012 bis Juni 2103 gelten, somit 10 x 72,92 Euro = 729,20 Euro.

Der Antragsteller meint, dass die Kosten für die Skifreizeit aus dem laufenden Unterhalt nicht zu bestreiten waren, zumal zusätzliche Kosten für die notwendige Ausrüstung angefallen sein, die die Kindesmutter alleine getragen habe.

Der Antragsteller beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, an den Antragsteller zu Händen der Kindesmutter einen Betrag von 924,20 EUR (729,20 Euro + 195 Euro) nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.05.2014 zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er meint, die Kindesmutter sei an der Vertretung des Kindes gehindert, da sie anteilig haftet. Es fehle an der Aktivlegitimation der Kindesmutter.

Er behauptet, er sei im Vorfeld nicht über die Klassenfahrt informiert worden. Er sei lediglich durch die E-Mail vom 25.09.2012 vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

Er ist der Ansicht, dass die Kosten der Klassenfahrt voraussehbar sind und keinen Sonderbedarf darstellen. Er habe überhaupt keine Entscheidungsfreiheit gehabt.

Er meint, dass angesichts der Höhe des gezahlten Kindesunterhalts der Bedarf nicht außergewöhnlich hoch sei.

Der Antragsgegner bestreitet die Notwendigkeit der kieferorthopädischen Behandlung.

Der Unterhaltsanspruch der Tochter sei ein eigener Anspruch, der bisher nicht geltend gemacht worden sei.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle vom 23.10.2014, Bl. 68 der Akte, und vom 29.01.2015, Bl. 119 der Akte verwiesen. Das Gericht hat ferner Beweis erhoben durch Vernehmung des Dr. G als sachverständigen Zeugen.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 29.01.2015 verwiesen.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Die Kindesmutter ist gemäß § 1629 Abs. II BGB vertretungsbefugt. Sie kann Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den Antragsgegner geltend machen, da sich das Kind in ihrer Obhut befindet. Auch bei Unterhalt gemäß § 1601 BGB muss das Kind das Einkommen der Mutter darlegen.

1.
Die Kosten der Klassenreise von 390 EUR stellen im Ergebnis keinen Sonderbedarf gem. § 1613 II, Nr.1 BGB dar, da sie nicht außergewöhnlich hoch sind. Sie können bei vorausschauender Planung aus dem Tabellenunterhalt angespart werden.

Die Kosten für Klassenfahrten können Sonderbedarf sein, weil die Durchführung der Fahrt nicht längere Zeit im Voraus planbar feststeht. Die Durchführung der Fahrten hängt davon ab, ob sich genügend Teilnehmer finden, eine ausreichende Anzahl von Lehrern bereit ist, die Klassenreise zu begleiten, und ob eine ausreichende Anzahl von Eltern die Fahrt befürwortet.

Sonderbedarf setzt aber Unregelmäßigkeit und außergewöhnliche Höhe voraus.

Für Sonderbedarf gilt nicht der allgemeine Grundsatz, dass der betreuende Elternteil seine Unterhaltspflicht schon durch die Betreuung des Kindes erfüllt. Grundsätzlich haften für Sonderbedarf bei der Eltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen.

Die Skifreizeit war zum einen mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen, da sie nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers auch in den Vorjahren in Klasse 8 stattgefunden hat, als seine beiden Schwestern jeweils daran teilgenommen haben. Es bestand daher die Gelegenheit, rechtzeitig Rücklagen zu bilden.

Die Skifreizeit kostete 390 EUR. Weitere, mit der Skifreizeit zwingend verbundene Kosten wurden nicht konkret dargelegt. Der Antragsgegner leistet monatlichen Kindesunterhalt für den Antragsteller i.H.v. 396,50 EUR.

Nach Auffassung des Gerichts war es der Kindesmutter zum anderen zumutbar, in dem Jahr der Klassenreise monatlich 32,50 EUR, somit 8,2 %, des laufenden Unterhalts, für die Klassenreise zu verwenden.

Wann ein Bedarf außergewöhnlich hoch ist, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.

Da sich auch die Kindesmutter an den Kosten der Klassenreise beteiligen musste, reichte es aus, monatlich 16,25 EUR, somit 4,1 % des laufenden monatlichen Unterhalts, für die Klassenfahrt im Jahr der Skifreizeit zurückzulegen. Dies ist zumutbar (vgl. OLG Hamm FamRZ 2007, Seite 77).

2.
Der Antragsgegner ist auch nicht verpflichtet, die geltend gemachten Kosten der kieferorthopädischen Behandlung zu tragen.

Zu unterscheiden vom Sonderbedarf ist der Mehrbedarf (§ 1610 BGB). Es handelt sich dabei um regelmäßig, über einen längeren Zeitraum anfallenden Bedarf, der einerseits notwendig ist, andererseits aber aus dem Tabellenunterhalt nicht gedeckt werden kann.

Die Zahlungsübersicht für die kieferorthopädische Behandlung sieht die Zahlung eines Betrages von 3500 EUR in 48 monatlichen Raten zu je 72, 92 Euro vor. Es handelt sich um einen regelmäßigen, über einen längeren Zeitraum anfallenden Bedarf. Die Zuzahlung ist eine erhebliche Bedarfsposition, die nicht ohne weiteres aus dem Tabellenunterhalt bedient werden kann.

Die Behandlung erfolgte unbestritten nicht im Einvernehmen mit dem Antragsgegner, da die Kindesmutter den Behandlungsvertrag mit den Kiefernorthopäden abgeschlossen hat, ohne vorher die Zustimmung des Antragsgegners einzuholen.

Der Antragsteller hat im Ergebnis auch nicht dargelegt, dass die Behandlung zahnmedizinisch indiziert war.

Der Unterhaltsberechtigte ist darlegungspflichtig dafür, dass die Vornahme der Behandlung medizinisch indiziert war.

Der Antragsteller hat die medizinische Notwendigkeit der vereinbarten Behandlung nicht hinreichend dargelegt.

Die Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung werden grundsätzlich in voller Höhe von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Diese übernehmen zunächst 80 % der Behandlungskosten und erstatten nach plangemäßem Abschluss der Behandlung die verbleibenden Behandlungskosten.

Der Antragsteller hat nicht dargelegt, aus welchen genauen Gründen eine Behandlung mit den erstattungsfähigen kieferorthopädischen Leistungen und Materialien nicht ausreichend war.

Die Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. G hat ergeben, dass eine funktionelle Behandlung anstelle einer statischen Behandlung durchgeführt worden sei. Man nehme bei der statischen Behandlung unprogrammierte Bracketts und bei der funktionellen Behandlung programmierte Bracketts.

Während bei der von der Krankenkasse übernommenen Behandlung diese mit einem Aktivator erfolge, der zum Essen herausgenommen werden müsse, gebe es bei der funktionellen Behandlung den Mini-Aktivator (vgl. Bl. 98 d. A.).

Voraussetzung für einen Anspruch gegen den Antragsgegner ist, dass die Behandlung aufgrund krankheitsbedingter Ursachen medizinisch notwendig war. Dies ist auch nach Vernehmung des sachverständigen Zeugen nicht ausreichend dargelegt. Der Zeuge Dr. G hat bekundet, dass die von ihm empfohlene Behandlung “ zwingend sinnvoll“ sei. Er hat gerade nicht bekundet, dass die Behandlung notwendig sei. Das Gericht geht auch davon aus, dass für den Fall, dass aufgrund besonderer krankheitsbedingter Umstände/ Einschränkungen beim Kind die zusätzlichen Leistungen tatsächlich notwendig gewesen wären, die gesetzliche Krankenkasse diese auch übernommen hätte.

Der sachverständige Zeuge führt selber auch bei einem Viertel seiner Patienten die statische Behandlung durch. Es ist davon auszugehen, dass der Zeuge Dr. G die statische Behandlung auch bei dem Antragsteller durchgeführt hätte, wenn die Kindesmutter einen entsprechenden Vertrag mit den von den Leistungen der Krankenkasse abgedeckten Behandlungen abgeschlossen hätte. Seine Einschätzung, dass später einmal Nebenwirkungen auftreten, ist vage. Auch zahlreiche andere Kiefernorthopäden führen die statische Behandlung durch. Wenn die Kindesmutter ohne Einvernehmen mit dem Antragsgegner einen Behandlungsvertrag über eine zwar nicht notwendige, aber sehr sinnvolle Behandlung abschließt, kann sie den Antragsgegner, der nicht zugestimmt hat, nicht wegen Mehrbedarfs in Anspruch nehmen. Die Voraussetzungen dafür liegen dann nicht vor.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 243, 116 FamFG.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht – Familiengericht – Detmold, Heinrich-Drake-Str. 3, 32756 Detmold schriftlich in deutscher Sprache durch einen Rechtsanwalt einzulegen.

Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht – Familiengericht – Detmold eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen.

Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. Die Frist hierfür beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Innerhalb dieser Frist müssen der Sachantrag sowie die Begründung unmittelbar bei dem Beschwerdegericht – Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm – eingegangen sein.

Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind.

Schreibe einen Kommentar