KG Berlin, Beschluss vom 29.01.2019 – 13 UF 161/18 –

Amtliche Leitsätze

1. Ein beteiligter Elternteil kann sich auch dann mit der Beschwerde gegen die in einer familiengerichtlichen Endentscheidung enthaltenen Auflage wenden, an dem Kurs “Kind im Blick” oder einem vergleichbaren Kurs teilzunehmen, wenn die Auflage mit Zwangsmitteln nicht durchsetzbar ist bzw. Ordnungsmittel nicht angedroht wurden.

2. Eine Beratungsanordnung nach § 156 Abs. 1 Satz 4 FamFG stellt keine Endentscheidung dar und kann als solche auch nicht angeordnet werden, sondern bezweckt, als Zwischenentscheidung eine konsensuale Streitbeilegung zu fördern; die Anordnung geht der Endentscheidung regelmäßig voraus.

3. Eine erst mit der Endentscheidung verfügte Beratungsanordnung nach § 156 Abs. 1 Satz 4 FamFG kann nicht in eine Anordnung nach § 1684 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 BGB umgedeutet werden, zur Sicherstellung der umgangsrechtlichen Wohlverhaltenspflicht einen Kurs wie beispielsweise “Kind im Blick” zu besuchen, wenn eine entsprechende Anordnung unverhältnismäßig wäre, ein Elternteil sie mit Nachdruck ablehnt oder sie aus anderen Gründen ungeeignet erscheint.

4. Der Regelwert von 3.000 EUR für eine Kindschaftssache kann im Einzelfall reduziert werden, wenn nicht der Umgang an und für sich im Streit steht, sondern lediglich ein untergeordneter Teilaspekt.

Tenor

Auf die Beschwerde des Vaters wird der am 17. September 2018 erlassene Beschluss des Amtsgerichts Köpenick – 21 F 68/17 – dahingehend abgeändert, dass die Anordnung in Ziff. 2 des Beschlusstenors, wonach die Eltern verpflichtet sind, jeweils an dem Kurs “Kind im Blick” oder einem ähnlichen, kostenlosen Kurs oder einer Beratung teilzunehmen, die darauf gerichtet ist, sie zu lehren, den Kontakt zum anderen Elternteil im Sinne des Kindes zu gestalten, sowie weiter, binnen sechs Monaten eine Bescheinigung hierüber dem Familiengericht vorzulegen, ersatzlos aufgehoben wird.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt jeder Elternteil zur Hälfte. Seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder Elternteil selbst.

Der Beschwerdewert wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Vater – dessen Ehe mit der Mutter geschieden wurde – wendet sich gegen die in dem am 17. September 2018 erlassenen Beschluss des Familiengerichts zur Regelung des Umgangs zwischen der Mutter und der gemeinsamen, aus der Ehe hervorgegangenen Tochter enthaltene Anordnung, dass die Eltern den Kurs “Kind im Blick” oder einen ähnlichen Kurs bzw. eine Beratung besuchen und innerhalb von sechs Monaten dem Familiengericht eine Bescheinigung über Kursbesuch oder Beratung vorlegen sollen.

Die Eltern von A… – das Kind wird üblicherweise nur “A… ” gerufen – trennten sich im August 2010; ihre Ehe ist seit September 2013 rechtskräftig geschieden. Von August 2010 bis etwa Januar 2017 wurde A… von beiden Elternteilen gemeinsam im wöchentlichen Wechsel betreut. Nachdem die Mutter im Frühjahr 2015 von ihrem bisherigen Wohnsitz in B…-N… nach B…-T… verzog, die Streitigkeiten zwischen beiden Elternteilen zunehmend eskalierten – die Eltern stritten vor dem Familiengericht u.a. über die Wahl der Grundschule für A…, über die Teilnahme des Kindes an einer Mutter-Kind-Kur sowie die religiöse Unterweisung von A… – und Vermittlungsbemühungen des Jugendamtes einschließlich des Versuchs, beide Elternteile an eine Familienberatungsstelle anzubinden, scheiterten, gelangten beide Eltern zu der Auffassung, dass die Fortführung des praktizierten Wechselmodells dem Kindeswohl nicht mehr entspreche und begehrten die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge bzw. von Teilen der elterlichen Sorge jeweils auf sich allein. Die in dem seinerzeitigen Verfahren (Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg 150 F 6628/15) bestellte Sachverständige – die Diplompsychologin…, B… – stellte fest, dass das praktizierte Wechselmodell aufgrund der Ablehnung durch beide Elternteile, der dysfunktionalen Elternkommunikation sowie der misstrauischen Grundhaltung beider Elternteile mit dem Wohl von A… nicht mehr im Einklang stünde. Sie empfahl, die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben und das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie die Befugnis zur Regelung der Schulangelegenheiten auf den Vater zu übertragen, weil sich im väterlichen Haushalt eine für das Kindeswohl günstigere Konstellation zwischen der Bedürfnislage von A… und ihren Lebensbedingungen ergäbe. Dieser Empfehlung folgte das Familiengericht und übertrug im Januar 2017 das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie die Befugnis zur Regelung der Schulangelegenheiten auf den Vater allein und beließ die elterliche Sorge im Übrigen bei beiden Eltern gemeinsam. Seit dem Wechsel von A… in den Haushalt des Vaters hatten Mutter und Tochter einen erweiterten Umgang alle vierzehn Tage von Donnerstag nach der Schule bis Montag zu Schulbeginn. Nachdem der Versuch der Eltern, sich unter Einbeziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten über den Umgang in den Ferien und zu den Feiertagen zu einigten, scheiterte, der Vater der Meinung war, als Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts den Umgang mangels Zustandekommens einer Elterneinigung eigenmächtig bestimmen zu können und die Mutter sich dadurch bevormundet fühlte, machte die Mutter im März 2018 das vorliegende Verfahren anhängig, mit dem sie u.a. eine gerichtliche Regelung des Regel- und des Ferienumgangs begehrte.

Mit der angegriffenen Entscheidung hat das Familiengericht den Regel- und den Ferienumgang zwischen der Mutter und der gemeinsamen Tochter im Wesentlichen nach Maßgabe der Empfehlungen der bestellten Verfahrensbeiständin bestimmt und unter besonderer Berücksichtigung des von A… formulierten Wunsches, an den Geburtstagen ihrer (Halb-) Geschwister möglichst im Haushalt des Vaters sein zu können sowie bestimmter weiterer, von den Eltern übereinstimmend vorgebrachter Wünsche. Entsprechend einer Anregung der Verfahrensbeiständin hat das Familiengericht weiter angeordnet, beide Eltern sollten jeweils den Kurs “Kind im Blick” oder einen ähnlichen Kurs besuchen oder an einer Beratung teilnehmen, die darauf gerichtet sei, sie zu lehren, den Kontakt zum anderen Elternteil im Sinne des Kindes zu gestalten und binnen sechs Monaten eine Bescheinigung hierüber dem Familiengericht vorzulegen. Zur Begründung hierfür hat es ausgeführt, diese Auflage beruhe auf § 156 Abs. 1 Satz 4 FamFG.

Der Vater wendet sich mit seiner Beschwerde allein gegen die im Beschluss enthaltene Auflage, eine Beratung wahrnehmen bzw. einen Elternkurs besuchen zu müssen; die Regelung des Umgangs im Übrigen wird von ihm akzeptiert. Er macht geltend, bei der den Eltern gemachten Auflage handele es sich nicht um eine im Zuge des Verfahrens wahrzunehmende Beratung mit dem Ziel der Herstellung eines elterlichen Einvernehmens, sondern um eine im Rahmen der Endentscheidung verfügte Anordnung. Hierfür gebe es keine Rechtsgrundlage. Auch von der Sache her sei die getroffene Anordnung nicht geboten, weil die Bedeutung des Umgangs zwischen Mutter und Tochter von ihm gerade nicht in Frage gestellt, sondern vielmehr positiv gefördert werde, in dem er der Mutter entsprechende Vorschläge für die Wahrnehmung des (Ferien-) Umgangs unterbreitet habe. Da durch die getroffene Entscheidung der Umgang vom Gericht bereits positiv geregelt worden sei, komme eine weitergehende, nach Verfahrensabschluss zu erfüllende Anordnung, auf ein elterliches Einvernehmen hinzuwirken, nicht mehr in Betracht. Zudem habe er die Empfehlungen, die in einem derartigen Kurs bzw. einer solchen Beratung den Eltern üblicherweise gegeben würden, der Sache nach bereits beherzigt. Ein Kursbesuch erübrige sich zumal auch deshalb, weil die Mutter nicht bereit sei, sich von ihrer verfestigten Sichtweise abbringen zu lassen oder das Niveau der elterlichen Kommunikation zu verbessern; gemeinsame Elterngespräche seien deshalb unmöglich.

Die Mutter meint, dass das Rechtsmittel des Vaters unzulässig sei. Denn da die erteilte Beratungs-/Kursauflage von Gesetzes wegen mit Zwangsmitteln nicht durchsetzbar sei (§ 156 Abs. 1 Satz 5 FamFG), sei er durch die getroffene Entscheidung nicht in seinen Rechten beeinträchtigt; bei Nichtbefolgung der Auflage entstünden ihm keine Nachteile.

Das Jugendamt hat berichtet, die für A… bestellte Verfahrensbeiständin hat sich geäußert. Der Senat hat die Akten des Verfahrens Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg 150 F 6628/15 – in jenem Verfahren wurde das Sachverständigengutachten eingeholt und über das Aufenthaltsbestimmungsrecht entschieden – zu Informationszwecken beigezogen. Mit Beschluss vom 10. Januar 2019 wurde die Sache auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

II.

1. Die Beschwerde des Vaters ist zulässig und insbesondere form- und fristgerecht angebracht und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 63 Abs. 1, 64, 65 FamFG):

a) Nach der vom Familiengericht angeführten Rechtsgrundlage für die ergangene Beratungsanordnung – § 156 Abs. 1 Satz 4 FamFG – handelt es sich bei der getroffenen Anordnung um eine Zwischenentscheidung, die nicht selbständig (isoliert) anfechtbar ist, sondern nur inzident, im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die Endentscheidung dem Beschwerdegericht zur Überprüfung unterbreitet werden kann (§§ 156 Abs. 1 Satz 5, 58 Abs. 2 FamFG sowie Prütting/Helms-Hammer, Abramenko, FamFG [4. Aufl. 2018], § 156 Rn. 42; § 58 Rn. 16) und deshalb hat der Vater mit seinem Rechtsmittel zu Recht die Endentscheidung angegriffen.

b) Entgegen der Auffassung der Mutter ist der Vater (genauer: beide Eltern) durch die ergangene Anordnung auch in seinen (ihren) Rechten beeinträchtigt. Denn mit der getroffenen Anordnung, an einer Beratung oder einem bestimmten Kurs teilzunehmen und dem Familiengericht eine Bescheinigung hierüber vorzulegen, wird unmittelbar in die Rechtsstellung der Eltern eingegriffen und diese zu einem bestimmten Handeln verpflichtet (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG [19. Aufl. 2017] § 59 Rn. 9; Prütting/Helms-Abramenko, FamFG [4. Aufl. 2018], § 59 Rn. 7). Ohne die von ihm angegriffene Anordnung stünde der Vater besser, weil von ihm dann keine Pflichten (Kursbesuch, Nachweispflicht) abgefordert würden. Dass eine Anordnung nach § 156 Abs. 1 Satz 4 FamFG mit Zwangsmitteln nicht durchsetzbar ist (§ 156 Abs. 1 Satz 5 FamFG), vermag hieran nichts zu ändern; der “böse Schein”, dass der Beteiligte sich der gerichtlichen Anordnung nicht beugt, muss in diesem speziellen Fall ausreichend sein. Das Rechtmittel ist damit zulässig.

2. Auch in der Sache selbst erweist sich das Rechtsmittel als erfolgreich; auf die Beschwerde des Vaters hin ist die getroffene Anordnung ersatzlos aufzuheben:

a) Die vom Familiengericht angeordnete Verpflichtung der Eltern, nach Erlass der Endentscheidung an einem bestimmten (Eltern-)Kurs teilzunehmen bzw. eine näher gekennzeichnete Beratung wahrzunehmen, findet in der vom Familiengericht zur Begründung für die getroffene Verfügung angeführten Bestimmung – § 156 Abs. 1 Satz 4 FamFG – keine gesetzliche Grundlage. Das ergibt sich aus dem Charakter der verschiedenen, in § 156 Abs. 1 Satz 2 bis 4 FamFG vorgesehenen Interventionsmaßnahmen als Zwischenentscheidungen, aber auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 156 Abs. 1 FamFG in der Zusammenschau mit weiteren Bestimmungen: § 156 FamFG stellt die zentrale Regelung für die Umsetzung einer eigenverantwortlichen Konfliktlösungsstrategie der Eltern in bestimmten sorge- und umgangsrechtlichen Verfahren dar; sie überträgt die allgemeine Anforderung an das Gericht, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung der Beteiligten hinzuwirken (§ 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG) auf die spezifische Situation im kindschaftsrechtlichen Verfahren. Ähnlich wie beispielsweise § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG für den Verfahrensbeistand oder § 163 Abs. 2 FamFG für den Sachverständigen gibt § 156 Abs. 1 FamFG dem Familiengericht Instrumente an die Hand, mit denen die Eltern besser in die Lage versetzt werden sollen, anstatt eine gerichtliche Entscheidung abzuwarten, im Zuge des Verfahrens bzw. in dessen Verlauf (vgl. KG, Beschl. v. 30. April 2018 – 19 UF 71/17, FamRZ 2018, 1324 [bei juris Rz. 42]) eine eigenständige, konsensuale und eigenverantwortliche Lösung im Elternstreit zu erarbeiten (vgl. Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG [11. Aufl. 2015], § 156 Rn. 1, 4; Holzer/Hornikel, FamFG [1. Aufl. 2011], § 156 Rn. 1 sowie umfassend Prütting/Helms-Hammer, FamFG [4. Aufl. 2018], § 156 Rn. 6f., Rn. 28ff., Rn. 37). Die Beratungsanordnung nach § 156 Abs. 1 Satz 4 FamFG stellt damit gerade keine Endentscheidung dar und kann als solche auch nicht erlassen werden (vgl. Zöller/Lorenz, ZPO [32. Aufl. 2018], § 156 Rn. 6), sondern soll als Zwischenentscheidung der Streitbeilegung dienen. Von daher geht sie der Endentscheidung immer voraus; sie stellt ein Lösungselement in einem (häufig komplexen) kindschaftsrechtlichen Verfahren dar, mit dem die Endentscheidung, soweit sich diese nicht aufgrund eines auf diese Weise gefundenen Elternkonsenses gänzlich erübrigt, so doch wenigstens vorbereitet wird. § 156 Abs. 1 FamFG wirkt daher nicht über die Endentscheidung hinaus. Mittelbar folgt dies auch aus der Zusammenschau mit § 81 Abs. 2 Nr. 5 FamFG: Wenn die Nichtbefolgung einer Beratungsanordnung nach § 156 Abs. 1 Satz 2, 4 FamFG dadurch sanktioniert werden kann, dass der betreffende, sich einer Beratung verweigernde Beteiligten in der das Verfahren abschließenden Endentscheidung mit den Verfahrenskosten belastet werden kann, dann kann die Anordnung nur im laufenden Verfahren, aber nicht als Endentscheidung, in der zwingend die Kostenfrage zu regeln ist (§ 81 Abs. 1 Satz 3 FamFG), erlassen werden (vgl. Senat, Beschl. v. 6. Februar 2018 – 13 UF 188/17 [n. veröffentl.]). Diesen Zusammenhang hat das Familiengericht verkannt und die in zeitlicher Hinsicht über die Endentscheidung hinausreichende Beratungsanordnung auf § 156 Abs. 1 Satz 4 FamFG gestützt. Diese Begründung trägt nicht.

b) Eine gesetzliche Grundlage für eine im Zeitraum nach Erlass der Endentscheidung zu absolvierende Beratung bzw. für den Besuch eines entsprechenden Elternkurses wie beispielsweise “Kind im Blick” oder “Kinder aus der Klemme” besteht dagegen mit § 1684 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 BGB. Danach kann das Gericht Anordnungen zur Erfüllung der umgangsrechtlichen Wohlverhaltenspflicht der Eltern treffen (vgl. Senat, Beschl. v. 13. September 2018 – 13 UF 74/18, FamRB 2019, 14 [bei juris Rz. 32]; KG, Beschl. v. 30. April 2018 – 19 UF 71/17, FamRZ 2018, 1324 [bei juris Rz. 42]; OLG Brandenburg, Beschl. v. 15. Februar 2016 – 10 UF 213/14 [bei juris, dort Rz. 44 für den Kurs “Kind im Blick”]). Aufgrund des mit dieser Anordnung einhergehenden Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht der Eltern sollen derartige Anordnungen allerdings nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbar sein (vgl. MünchKomm/Hennemann, BGB [7. Aufl. 2017], § 1684 Rn. 22). Auch wenn das bei einer bloßen Beratungsauflage oder bei der Verpflichtung zum Besuch eines Kurses wie “Kind im Blick” u.ä. nicht in Rede steht, ist festzuhalten, dass die Eltern in diesem Zusammenhang nicht zu einer Therapie verpflichtet werden dürfen; dies auch dann nicht, wenn eine Therapie der Schlüssel zu einer nachhaltigen, im Interesse des Kindes erforderlichen Verhaltensänderung sein sollte (vgl. Palandt/Götz, BGB [78. Aufl. 2018], § 1684 Rn. 5; MünchKomm/Hennemann, a.a.O.).

c) Ob die vom Familiengericht verfügte Anordnung nach § 156 Abs. 1 Satz 4 FamFG in eine solche nach § 1684 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 BGB umgedeutet bzw. sie unter Auswechselung von Rechtsgrundlage und Begründung aufrechterhalten werden kann, bedarf keiner Entscheidung:

(aa) Denn bereits für eine im Rahmen des Verfahrens, nach § 156 Abs. 1 Satz 4 FamFG, zu erlassende Beratungsauflage ist anerkannt, dass die verfügte Maßnahme verhältnismäßig und geeignet sein muss und dass sie nicht geeignet ist, sobald sie von einem Elternteil abgelehnt wird (vgl. Prütting/Helms-Hammer, FamFG [4. Aufl. 2018], § 156 Rn. 29; Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG [11. Aufl. 2015], § 156 Rn. 4). Für die Anordnung einer Beratung bzw. eines Kursbesuchs auf der materiell-rechtlichen Rechtsgrundlage des § 1684 Abs. 2 BGB muss das entsprechend geltend (vgl. OLG Bremen, Beschl. v. 2. November 2009 – 4 UF 83/09, FamRZ 2010, 821 [bei juris Rz. 9 für die Anordnung einer videogestützten Interaktionsdiagnostik]).

(bb) Eine solche Konstellation ist vorliegend (mindestens) in Bezug auf den Vater gegeben: Bereits durch sein allein auf den Angriff gegen die Beratungsauflage fokussiertes Rechtsmittel bringt er seine Ablehnung einer solchen, im Interesse des Kindes und der Sicherstellung eines künftigen, kindeswohlgerechten Umgangs verfügten Hilfe bzw. Unterstützung deutlich zum Ausdruck. Seine Ablehnung hat er aber auch zuvor, während und auch schon vor dem erstinstanzlichen Verfahren, erklärt, etwa in seiner Mail vom 29. März 2017 an die Mutter, in der er ausführte, keinen Bedarf für eine gemeinsame professionelle Beratung zusammen mit der Mutter zu sehen (…). Die Ungeeignetheit einer Beratung dürfte weiterhin auch in dem Umstand zu sehen sein, dass die von den Eltern einzeln und auch gemeinsam wahrgenommenen Beratungsgespräche bei der Erziehungs- und Familienberatung des Jugendamts im August 2017 gescheitert sind (…): Da sich eine Elternberatung bereits einmal als erfolglos herausgestellt hat und keine Hinweise auf eine veränderte Sachlage vorliegen, erweist sich eine erneute Anordnung als unverhältnismäßig.

(cc) Hinzukommt, dass das Jugendamt ausweislich des im Beschwerdeverfahren erstatteten Berichts vom 19. Dezember 2018 (…) den Besuch des Kurses “Kind im Blick” aus fachlicher Sicht nicht für ein geeignetes Setting erachtet, um den eskalierten, hochstreitigen Elternkonflikt zu bearbeiten und A… wirksam zu entlasten. Auch die Verfahrensbeiständin, auf deren Anregung hin die Auflage vom Familiengericht letztlich erlassen wurde, äußert in ihrer im Beschwerdeverfahren abgegebenen Stellungnahme vom 4. Dezember 2018 (…) – auch wenn sie den Kursbesuch aus sozialpädagogischer Sicht nach wie vor für sinnvoll erachtet – mittlerweile Zweifel an der Bereitschaft bzw. Offenheit beider Eltern, sich auf den Kurs einlassen zu können und an deren Bereitschaft, durch Absolvierung des Kurses neue Kompetenzen erlernen zu wollen: Auch das stellt ein Indiz dafür dar, dass die konkret verfügte Beratungsauflage – Besuch des Kurses “Kind im Blick” – ungeeignet ist.

Vor diesem Hintergrund ist die verfügte Beratungsauflage auf die Beschwerde des Vaters hin aufzuheben.

d) (aa) Der Senat nutzt die Gelegenheit, die Eltern, insbesondere aber den Vater besonders auf die fachlichen Hinweise des Jugendamtes in dessen Stellungnahme vom 19. Dezember 2018 aufmerksam zu machen: Das Jugendamt führt dort aus, dass das Verhältnis der Eltern inzwischen derartig eskaliert sei, dass es den anerkannten Kriterien für die Beurteilung des Ausmaßes eines Elternkonflikts zufolge bereits als “hochkonflikthaft” gelte. Die – insbesondere auch langfristigen – Folgen einer hochkonfliktträchtigen Beziehung zwischen den Eltern für das Wohl des betroffenen Kindes, der Einfluss und die Verantwortung, die die Eltern mit dem von ihnen gelebten Vorbild auf die spätere Lebensführung ihrer Trennungs- bzw. Scheidungskinder haben, wird indessen vielfach unterschätzt: Denn die Eltern prägen die Vorstellungen eines Kindes von Familie, Liebe, Eltern- und Partnerschaft etc. Erlebte (Eltern-) Konflikte können Kinder traurig, wütend und ängstlich stimmen. Wenn die Eltern und deren Verhalten aber gleichzeitig der Auslöser dafür sind, dass das Kind beunruhigt oder gar verstört wird, sitzen Kinder – bildhaft gesprochen – “in der Klemme”. Als Folge hiervon können Kinder wütendes oder oppositionelles Verhalten entwickeln, verstummen oder deprimiert sein. Wenn das innere Gleichgewicht eines Kindes erschüttert ist, kann das zu Schlaf- und/oder Konzentrationsstörungen, zu schulischem Leistungsabfall oder zu anderen Symptomen führen. Nicht selten treten die Auswirkungen des Elternverhaltens auch erst im Erwachsenenalter des Kindes hervor. In der einschlägigen Forschung wird davon berichtet, dass in der Kindheit erfahrene Bindungs- und Beziehungsmuster sich im Erwachsenalter wiederholen sollen (vgl. Dormann, ZKJ 2018, 457ff., insb. 459 m. umfangr. Nachweisen sowie Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.).

(bb) Eine derartige Entwicklung soll sich, wie die Sachverständige im Vorverfahren Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg 150 F 6628/15 im Gutachten vom 16. November 2015 festgestellt hat, auch bei A… abzeichnen. In dem Gutachten heißt es (Beiakte 150 F 6628/15, I/86f. bzw. Gutachten S. 50f.):

“Die streithafte Beziehung zwischen den Eltern wird von A… wahrgenommen und es ist davon auszugehen, dass dieser Zustand sie belastet. Dies findet auch Ausdruck in den Angaben des Kindes zum gegenseitig schlecht übereinander reden […] sowie dem Wunsch des Kindes, sie [die Eltern] mögen sich vertragen. […] Zu einer Entlastung des Kindes zugunsten einer positiven und unbeschwerten Persönlichkeitsentwicklung können ausschließlich die Eltern selbst beitragen, indem sie aufeinander zugehen, unterstützende Beratungsangebote nutzen und daran arbeiten, eine konstruktive Elternebene mit gegenseitigem Mindestmaß an Vertrauen zu erarbeiten. (…).”

Im vorliegenden Verfahren kommt das Jugendamt im Bericht vom 19. Dezember 2018 (…) zu einem entsprechenden Schluss und auch die Verfahrensbeiständin weist im Bericht vom 20. August 2018 (…) deutlich darauf hin, dass es für A… gute Entwicklung unbedingt nötig sei, dass die Eltern sich versöhnlich und kooperativ gegenüberstehen.

(cc) Um der Entwicklung derartiger, dem Kindeswohl abträglicher Folgen vorzubeugen bzw. entgegenzuwirken, wurde von Kindertrauma- und Familientherapeuten das Interventionskonzept “Kinder aus der Klemme” entwickelt; ein auf die besonderen (Hilfe- und Unterstützungs-) Bedürfnisse von hochkonflikthaften Eltern in sehr komplexen Trennungssituationen ausgerichteter Kurs mit dem Ziel, Eltern besser dazu zu befähigen, trotz bestehender Konflikte für eine gesunde Entwicklung ihrer Kinder Sorge tragen zu können (vgl. für B…: Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.).

(dd) Dies vorausgeschickt, wird der Vater (die Eltern) aufgefordert, die eigene Haltung noch einmal sehr sorgfältig zu hinterfragen und gebeten, im Interesse des gemeinsamen Kindes und dessen (langfristigem) Wohl ergebnisoffen zu prüfen, ob die bisherige Skepsis gegenüber einer niedrigschwelligen Interventionsmaßnahme nicht aufgegeben werden kann und ein Kurs wie etwa “Kinder aus der Klemme” besucht werden soll. Die entsprechenden Kurse werden in B… – in Abhängigkeit von den verfügbaren Finanzmitteln – bislang zweimal jährlich durchgeführt; nähere Informationen herüber finden sich im Internet oder werden durch das Jugendamt erteilt.

3. a) Einer erneuten Anhörung der Eltern bedurfte es nicht, da die Eltern zuletzt Mitte September 2018 vom Familiengericht gehört worden sind und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren (§ 68 Abs. 3 FamFG). Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass es vorliegend in erster Linie um eine reine Rechtsfrage geht, zu denen die Eltern sich bereits deutlich positioniert haben. Zudem hat der Senat die Beteiligten mit Schreiben vom 8. Januar 2019 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im schriftlichen Verfahren entschieden werden soll; die Eltern haben keine Bedenken geäußert.

b) Von einer Anhörung von A… im Beschwerdeverfahren wurde aus mehreren Gründen abgesehen: Zunächst, weil es in der konkreten Konstellation nicht um den Umgang, dessen Ausgestaltung oder einen anderen, vom Kind unmittelbar wahrnehmbaren Aspekt geht, sondern um eine Rechtsfrage und weil die spezifische Sichtweise von A…, soweit es hierauf ankommt, von der für sie bestellten Verfahrensbeiständin ausführlich in das Beschwerdeverfahren eingebracht wurde. Hinzukommt, dass A… gegenüber der Verfahrensbeiständin (…), aber auch in der richterlichen Anhörung von Mitte September 2018 wiederholt und klar zum Ausdruck gebracht hat, Gesprächen mit Richtern und gerichtsnahen Fachkräften überdrüssig zu sein; derartige Anhörungen sollen für sie eine Belastung darstellen. Gegenüber der Familienrichterin hat sie ausweislich des Protokolls sogar erklärt, sich zu wünschen, nie wieder in ein Gericht gehen zu müssen: Die vorzunehmende, erforderliche Abwägung zwischen der Belastung des Kindes durch eine erneute Anhörung (bzw. die Missachtung des von ihm geäußerten Wunsches) und den Vorteilen einer Kindesanhörung u.a. für die weitere Sachverhaltsaufklärung (§ 26 FamFG) sprechen hier für den Verzicht auf eine nochmalige Anhörung, zumal die Sichtweise von A… bereits durch die Verfahrensbeiständin in das Beschwerdeverfahren eingebracht wurde (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 31. Oktober 2018 – XII ZB 411/18, FamRZ 2019, 115 [bei juris LS 4, Rz. 16]). Bei diesem Befund und im Hinblick darauf, dass es bei der zu treffenden Entscheidung – die Frage nach einer Teilnahme der Eltern an einem Beratungsgespräch bzw. einem Kurs – eher weniger auf die Neigungen, die Bindungen oder den Willen von A… ankommt, erscheint es im Ergebnis vertretbar, von einer erneuten Kindesanhörung ausnahmsweise abzusehen (§ 159 Abs. 2 FamFG).

c) Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 81 Abs. 1 FamFG: Nach dem Dafürhalten des Senats entspricht es dem dort genannten Billigkeitsmaßstab am besten, wenn in Bezug auf die Kosten des Beschwerdeverfahrens zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten differenziert wird. Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Eltern als Ausdruck ihrer gemeinschaftlichen Verantwortung für A… jeweils zur Hälfte (vgl. etwa OLG Hamm, Beschl. v. 25. Mai 2018 – 4 UF 154/17, FamRZ 2018, 1669 [bei juris Rz. 31]). Die außergerichtlichen Kosten sind von jedem Beteiligten selbst zu tragen.

d) Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 45 Abs. 1, 3 FamGKG. Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles war der Regelwert für eine Kindschaftssache von 3.000 € um ein Drittel auf 2.000 € zu reduzieren. Denn im Beschwerdeverfahren stand nicht mehr der Umgang an und für sich im Streit, sondern lediglich ein untergeordneter Teilaspekt; der Aktenumfang im Beschwerdeverfahren umfasste zudem nur knapp 80 Seiten. Das indiziert, dass der Arbeitsaufwand und der Umfang der Angelegenheit sowohl für die Beteiligten und ihre Vertreter als auch für den Senat deutlich geringer als in sonstigen Umgangsstreitigkeiten und insgesamt klar unterdurchschnittlich waren; ein Gesichtspunkt, der im Beschwerdewert seinen Niederschlag finden muss. Tatsächlich ist es in der obergerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass der Regelwert des § 45 Abs. 1 FamGKG in Fällen von unterdurchschnittlicher Bedeutung, von deutlich geringerem Arbeitsaufwand oder wenn nur ein untergeordneter Aspekt des Umgangs im Streit steht, zu reduzieren ist (vgl. etwa KG, Beschl. v. 10. Januar 2011 – 17 UF 225/10, FamRZ 2011, 825 [Kürzung des Regelwertes um ein Drittel, wenn sich der Streit im Umgangsverfahren allein auf die Übernachtungsregelung bezieht]; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2. Oktober 2012 – 18 WF 264/12, ZKJ 2013, 80 [Halbierung des Regelwertes, wenn es lediglich um die Einhaltung der Umgangszeiten geht]; OLG Brandenburg, Beschl. v. 3. Mai 2012 – 9 WF 138/12, FamRZ 2013, 724 [Herabsetzung des Regelwertes auf 1.000 €, wenn nur ein Teilbereich der elterlichen Sorge – Vermögenssorge – streitgegenständlich ist]; OLG Hamm, Beschl. v. 25. Mai 2018 – 4 UF 154/17, FamRZ 2018, 1669 [bei juris Rz. 32] [Absenkung des Regelwertes auf 1.000 €, wenn mit der Wahl des Kindergartens lediglich ein Teilbereich der elterlichen Sorge betroffen ist]). Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass die festgesetzte Summe nicht dem von den Eltern zu zahlenden Betrag entspricht, sondern lediglich den Maßstab dafür darstellt, um gerichtliche und außergerichtliche Kosten betragsmäßig ermitteln zu können.

e) Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür offensichtlich nicht vorliegen. Vielmehr handelt es sich um die Entscheidung eines Einzelfalles aufgrund einer besonderen, individuellen Sachverhaltskonstellation (§ 70 FamFG).

vorgehend:
AG Berlin-Köpenick – 17.09.2018 – AZ: 21 F 68/17