AG Achim, Beschluss vom 10.03.2014 – 8 F 446/12

Amtsgericht Achim
Verkündet am 10. März 2014

Geschäftsnummer: 8 F 446/12

Beschluss

In der Familiensache betreffend die Regelung der elterlichen (Mit-) Sorge über … , geb. 2005 wohnhaft bei der Kindesmutter

– Verfahrensbeiständin: Rechtsanwältin I. in Achim –

Beteiligte:

1. Kindesvater und Antragsteller:
S. W. , …

– Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt F. und H. Beier in Bremen –

2. Kindesmutter und Antragsgegnerin:
A. G., Hamburg

– Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin J. in Bremen –

3. Jugendamt Verden

hat das Amtsgericht – Familiengericht – Achim auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2014 durch den Richter am Amtsgericht M. beschlossen:

I. Dem Kindesvater wird mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechtes, welches bei der Kindesmutter zur weiterhin alleinigen Ausübung verbleibt, die Mitsorge über A. J. G., geb. 2005, übertragen.

II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Verfahrenswert: 4500 €

G r ü n d e:

Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die zu keinem Zeitpunkt miteinander verheiratet gewesenen leiblichen Eltern des im Tenor näher bezeichneten Kindes, welches seit Sommer 2012 die Schule besucht. Aufgrund des Fehlens einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung obliegt die elterliche Sorge der Kindesmutter seit der Geburt des Kindes allein.

Die beiden 46 Jahre alten Kindeseltern hatten nach der Geburt des Kindes etwa zwei Jahre einen gemeinsamen Haushalt geführt. Nach der im Februar 2008 herbeigeführten räumlichen Trennung hatte es, vor allem dadurch begünstigt, dass beide Elternteile in O. wohnhaft gewesen waren, weiterhin regelmäßigen und intensiven Kontakt zwischen dem Kindesvater und seinem Kind gegeben, bis Ende 2009 überwiegend in Form eines symetrischen Wechselmodells. Seit 2010 praktizieren die Beteiligten – in erster Linie sozialhilferechtlichen Erwägungen geschuldet – nur noch eine Wochenendregelung, deren Umsetzung durch den im Laufe des Verfahrens (August 2013) erfolgten Umzug der Kindesmutter nach Hamburg, dem Herkunftsort beider Kindeseltern, allerdings erschwert wurde, wobei in erster Linie finanzielle Gründe hierfür verantwortlich zu machen sind. Soweit dem Kindesvater seit 2010 zusätzlich jeden Mittwoch ein Alltagskontakt mit Übernachtung zugebilligt worden war, hatte sich dieser mit dem Umzug gänzlich erledigt.

Der Kindesvater, Angestellter der L. V., der seit August 2010 verheiratet und aufgrund dieser Verbindung seit November 2012 Vater eines weiteren Kindes ist und in dessen Haushalt außerdem das 2006 geborene Kind seiner jetzigen Ehefrau lebt, hatte zunächst mit dem im Oktober 2012 anhängig gemachten Verfahren die Übertragung lediglich der Mitsorge angestrebt, vor allem, weil er sich davon eine Verbesserung der Kontakthäufigkeit, insbesondere die Wiedereinrichtung eines Wechselmodells, erhoffte. Darüber hinaus hatte die Kindesmutter bereits 2012 erwogen, aus O. wegzuziehen, womit der Kindesvater allerdings nicht einverstanden war und bis heute nicht ist.

Im Termin am 16. Januar 2013 verdichteten sich die Anzeichen, dass die Kindesmutter O. unter Mitnahme des Kindes verlassen könnte (B1 14 f. d.A.). Der Kindesvater, der nunmehr die Vorstellung äußerte, dass das Kind, welches seiner Ansicht nach ohnehin bei ihm besser aufgehoben wäre, erst recht für den Fall des Umzuges in seinen Haushalt wechseln müsse, weil ein Umzug dem Wohl des Kindes in jedem Fall schadete, erweiterte daraufhin sein Verfahrensziel dahingehend, dass ihm jetzt die alleinige elterliche Sorge zu übertragen sei, um die Mitnahme des Kindes für den Fall eines Umzuges zu verhindern.

Dieses Verfahrensziel verfolgte er dann vor allem nach dem Umzug und dem dadurch erschwerten Kontakt zum Kind weiter (Termin am 25. September 2013, Bl. 145 – 147 d.A.).

Nach Vorliegen des Ergänzungsgutachtens geht es dem Kindesvater nunmehr in dem vorliegenden Verfahren wieder nur noch um sein ursprüngliches Verfahrensziel, nämlich die Einräumung der elterlichen Mitsorge.

Der Kindesvater meint, einerseits über eine ausreichende Erziehungskompetenz sowie über ausreichende Bindungen zum Kind zu verfügen, und dass andererseits auch eine ausreichende Kommunikationsbasis bestehe, was sich durch die möglichen Absprachen auf der Umgangsebene belege lasse, so dass die Grundlage für ein gemeinsames Sorgerecht gegeben sei.

Der Kindesvater beantragt,

ihm die elterliche Mitsorge über das Kind A. J. G., geb. 2005, zu übertragen.

Die Kindesmutter beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie geht davon aus, dass die Basis für eine gemeinsame Sorgerechtsausübung aufgrund unüberwindbarer Kommunikationsschwierigkeiten aktuell nach wie vor fehle und sich daher zumindest derzeit das verfolgte Verfahrensziel ohne Nachteile für das Kind nicht umsetzen lasse.

Das Gericht hat das Kind angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Inhaltsprotokoll vom 25. September 2013 (B1. 151 f. d.A.) Bezug genommen.

Sowohl die Verfahrensbeiständin als auch das beteiligte Jugendamt haben sich für eine Beibehaltung des aktuellen Zustandes ausgesprochen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat durch Beweisbeschluss vom 23. Januar 2013 Beweis erhoben über die Frage, in wessen Haushalt das Kind vor allem im Falle eines Umzuges und nach im Laufe der Verfahrens durchgeführtem Umzug zukünftig aufwachsen sollte, durch Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens. Wegen des Ergebnisses wird auf das Erstgutachten der Sachverständigen Dr. B. M. aus L. vom 13. Mai 2013 (Bl. 36 – 100 d.A.) und auf das Ergänzungsgutachten vom 8. Januar 2014 (Bl. 156 – 191 d.A.) Bezug genommen.

Bei Verfahrenseinleitung galt sowohl für den Erstantrag als auch für die Antragserweiterung vom Januar 2013 die aufgrund der Entscheidung des EUGHMR vom 3. Dezember 2009 (FamRZ 2010, 103 ff.) veranlasste Übergangslösung des BVerfG (vgl. BVerfG, FamRZ 2010, 1403 ff.), wonach sowohl für die Einräumung der Mitsorge gegen den Willen des anderen Elternteils als auch für einen Sorgerechtswechsel gegen den Willen des anderen Elternteils bei Ausscheiden der Mitsorge eine positive Kindeswohlprüfung erforderlich war.

Während dies für den zweiten, hier von Januar 2013 an zunächst auch verfolgten Verfahrensgegenstand auch seit der Rechtslage von Mai 2013 weiterhin Bestand hat ( vgl. jetzt § 1671 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB), ist dies im neu geschaffenen § 1626a Abs. 2 Satz 1 iVm Abs. 1 Nr. 3 BGB nunmehr dahingehend geregelt, dass eine negative Kindeswohlprüfung vorzunehmen ist.

Nachdem der Kindesvater nunmehr wieder nur noch die Einräumung der Mitsorge erwirkt haben will und Grundlage der Prüfung, inwieweit dieses Ansinnen gerechtfertigt ist oder nicht, nach inzwischen geltender Rechtslage zu beurteilen ist, ist dem Kindesvater, da die Kindesmutter widerspricht, ein Fall des § 1626a Abs. 2 Satz 2 BGB somit ausscheidet, die Alleinsorge nur dann zu übertragen, sofern zu erwarten ist, dass die (Aufhebung der Alleinsorge einerseits und die) Übertragung der Mitsorge auf den antragstellenden Elternteil andererseits dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Danach ist von einer Einräumung der Mitsorge abzusehen, wenn sich diese entgegen der gesetzlichen Konzeption von der positiven Auswirkung einer gemeinsamen Elternverantwortung nachteilig auf das Kind auswirkte, insbesondere wenn sie zu einer erheblichen Belastung des Kindes führte (vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 16. Januar 2014 – 10 UF 80/13 – mit Verweis auf die gesetzgeberischen Vorstellungen; vgl. auch Huber/Antomo, Elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern, FamRZ 2012, 1257 ff (1260)).

1. Soweit die Alleinsorge und somit allemal auch die Einräumung einer Mitsorge ursprünglich und unterschwellig immer noch im Sinne sogar einer positiven Kindeswohlprüfung damit begründet worden ist, dass das Kind im Haushalt der Kindesmutter aufgrund deren, an der Halbschwester N. festzumachenden Erziehungsungeeignetheit gefährdet sei, hat die Begutachtung diese Annahme des Kindesvaters nicht bestätigt. Ein weitergehendes Bedürfnis für eine Mitsorge ähnlich der Einrichtung einer Kontrollbetreuung bei bestehenden Vorsorgevollmachten im Betreuungsrecht besteht daher nicht. Auch ist auch nicht erkennbar, dass Umgangsprobleme eine Änderung der Sorgerechtsverhältnisse erfordert hätten. Zum einen lassen sich Umgangsprobleme mit der Herstellung einer gemeinsamen Sorgerechtsausübung nicht lösen, da diese auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge auftreten, ohne dass deshalb gleich das Sorgerecht entzogen werden müsste. Zum anderen bestehen entgegen der Auffassung des Antragstellers keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine fehlende Bindungstoleranz als Hintergrund für die Umgangskonflikte. Abgesehen davon, dass diese unstreitig im Wesentlichen einen finanziellen Ausgangspunkt haben, ist in der Vergangenheit und auch im Verfahren immer wieder deutlich geworden, dass die Kindesmutter die besonderen Bindungen des Kindes zum Vater erkannt und sich daran auch orientiert hat. Dass sich das zuletzt bis zum Umzug nicht in der Zubilligung eines vom Kindesvaters gewünschten paritätischen Wechselmodells niedergeschlagen hat, beruhte wiederum auf finanzielle Gründe (Kürzung der „Sozialhilfe“).

2. Soweit die Übertragung der Mitsorge auch die Möglichkeit der Mitbestimmung beim Aufenthalt des Kindes beinhaltet, ergibt sich aus dem Verfahren einerseits und dem Ergebnis der Begutachtung andererseits allerdings ohne Weiteres, dass hier auch zukünftig Konfliktpotenzial auszumachen ist. In dieser Frage war der Kindesvater vor dem Verfahren ambivalent und damit nicht verlässlich. Im Laufe des Verfahren hat sich diesbezüglich zwar eine Verlässlichkeit eingestellt; allerdings in der Weise, dass er durchgehend bis heute der Auffassung ist, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei ihm haben sollte. Dabei kann dahinstehen, ob er weiterhin eine Gefährdung des Kindes bei der Mutter sieht oder ob es ihm darum geht, seine Elternverantwortung nur dann sinnvoll ausüben zu können, wenn er (bzw. seine Ehefrau) betreuender Elternteil ist.

Dass er von der Alleinsorge abgerückt ist, ist nicht das Ergebnis eines Sinneswandels. Der Kindesvater wollte ursprünglich an seinem Ziel der Alleinsorge festhalten und konnte hier nur durch Intervention seines Verfahrensbevollmächtigten umgestimmt werden. Da auch nach dem Ergebnis der Begutachtung, die auch die aktuellen Verhältnisse einschloss, und dem Ergebnis der kurz nach dem Umzug erfolgten Kindesanhörung kommt ein Aufenthaltswechsel indes eher nicht in Betracht. Es ist zu erwarten, dass diese Frage zukünftig bei jeder Uneinigkeit insbesondere auch bei der Umgangshäufigkeit immer wieder Thema wird und diese Frage die Kindesinteressen von Kindern jeden Alters unmittelbar tangiert. Vor diesem Hintergrund hat sich an der schon früh herauskristallisierten Einschätzung des Gerichtes, dass sich eine Mitsorge im Bereich des Aufenthaltsbestimmungsrechtes verbietet.

3. Damit ist festzustellen, ob die gleichen Befürchtungen, nämlich spürbare negative Auswirkungen auf das Kindeswohl, auch im Falle der Einräumung der Mitbestimmung in den übrigen wesentlichen, vgl. § 1628 BGB – Bereichen zu gegenwärtigen sind. Dazu reicht es nicht, dass in bestimmten zukünftigen, aktuell nicht abzusehenden bedeutsamen Fragen Meinungsverschiedenheiten drohen. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass nicht jede Meinungsverschiedenheit gleich in einen unlösbaren Konflikt führen muss. Denn in allen Streitfällen bei bestehender gemeinsamer elterliche Sorge sind die Elternteile gehalten sind, sich zu einigen oder gegebenenfalls den Einzelfall durch das Gericht klären zu lassen (§§ 1627, 1628 BGB). Darüber hinaus führt nicht jeder unlösbarer Konflikt automatisch zu einer spürbaren Belastung für das Kind, weil die meisten Entscheidungen vor dem Kind verborgen getroffen werden und werden sollten. Soweit das für den Aufenthalt des Kindes nicht zutrifft, ist bereits oben eine entsprechende Einschätzung erfolgt, die zu einer Verneinung der Mitsorge zu führen hat. Von diesen Hinterungsgründen ist jeweils nach wie vor nicht auszugehen.

a) Das Kindeswohl kann allerdings und nur dann betroffen sein, wenn dem zukünftigen Konflikt mindestens eine manifestierte prinzipielle Kommunikations- und Kooperationsunfähigkeit und/ oder eine fehlende Bereitschaft dazu zugrundeliegen sollte. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn diese Störung der Sorgerechtsausübungskompetenz schwerwiegend und nachhaltig ist (vgl. nochmals OLG Celle, aaO; OLG Brandenburg, NJW 2014, 233 (234) mit Hinweis auf BVerfG, aa0).

b) Davon ist entgegen der Einschätzung der Kindesmutter, des Jugendamtes und der Verfahrensbeiständin in Übereinstimmung mit der Gutachterin noch nicht auszugehen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass das Verhältnis der Eltern genügend Anhaltspunkte dafür bietet, dass ein dem vom OLG Brandenburg zu entscheidender vergleichbarer Sachverhalt vorliegen könnte. Hier wie dort besteht erhebliches Streitpotenzial, welches im Wesentlichen mit einer fehlenden tragfähigen sozialen Bindung zwischen den Eltern einhergeht. Beide Elternteile wertschätzen einander nicht (mehr), greifen sich verbal an, misstrauen einander. Elterngespräche sind im Gegensatz zum vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall, wo diese gescheitert waren, nicht einmal zustande gekommen. Soweit allerdings auch ein Konflikt beim Umgang vorliegt, kann hier nicht festgestellt werden, dass hier ein Umgangsboykott dahintersteckt.

Was allerdings (auch) festzustellen ist, dass vorliegend trotz des langen Verfahrens, der verbalen Auseinandersetzungen und der fehlenden Annäherung der Eltern die Eltern-Kind-Beziehung noch nicht betroffen ist. Es ist auch nicht zu erwarten, dass sich der Zwang der gemeinsamen Ausübung, worauf diese Entscheidung aufgrund der Weigerung der Kindesmutter und der Vorgaben des 1627 BGB zwangsläufig hinauslaufen wird, zu einer Belastung für das Kind führt, sofern wie hier das eigentliche Konfliktpotenzial, nämlich der Aufenthalt des Kindes, aus dem Mitwirkungszwang ausgenommen wird.

Das Gericht hat dabei berücksichtigt, dass die Beteiligten in der Zeit von 2002 bis Ende 2007 ein Paar waren und zwei Jahre davon eine gemeinsame Erziehung des Kindes stattgefunden hatte. Anschließend hatte genug Vertrauen seitens der Kindesmutter, die auch nicht generell einem Mitsorgerecht ablehnend gegenüberstand und -steht, vorgelegen, dass lange Zeit ein Wechselmodell praktiziert wurde, das nicht etwa gescheitert war, sondern aus Sicht der Mutter aufgegeben werden musste, weil ihr Sozialleistungen gekürzt wurden bzw. werden sollten. Die Kindesmutter hatte auch die Bindungen des Kindes zum Vater und dessen Neufamilie erkannt und respektiert und so einen zusätzichen Umgangskontakt installiert.

Das Interesse des Kindesvaters, dessen Erziehungseignung nicht in frage steht, ist auch nicht dem Verfahren oder der Verfolgung einer Rechtsposition geschuldet, also rein taktisch. Es ist davon auszugehen, dass der Kindesvater tatsächlich sich seiner Vaterverantwortung bewusst ist und diese mit Leben füllen will und wird.

Dass dies gerade die Sorge der Kindesmutter ist, ist nachvollziehbar, macht die Weigerung noch nicht zu einer beachtlichen im Sinne von § 1626a Abs. 2 BGB. Vielmehr ist zu erwarten, dass sie sich auch weiterhin anstrengt, um im Streitfalle zu einer gemeinsamen kindeswohlgerechten Lösung zu kommen. Dass dies im Falle des Umgangs bislang immer mehr oder weniger möglich war, darf zwar nicht überbewertet werden, wie es der Kindesvater wohl tut. Denn auch wenn Umgang immer eine Einzelfallentscheidung erfordert, so unterliegt er doch vor allem bei Fernbeziehungen gewissen Eckregeln, um deren Festlegung zu streiten sich nicht lohnt. Da die gemeinsame elterliche Sorge sich in Fernbeziehungen allgemein in Telefonaten und Briefverkehr erschöpft, sind Kommunikationsstörungen eher nicht hinderlich. Dass eine mangelnde Kooperationsbereitschaft aus Prinzip seitens des Vaters besteht, ist nicht belegt, da es bislang noch nicht praktisch wurde außerhalb der Aufenthaltsfrage.

4. Nach alledem kann zwar konstatiert werden, dass Idealbedingungen für eine Mitsorge zwar nicht vorliegen, diese sich aber eher im Bereich der Paarebene auswirken (werden).

Sollte sich der Konflikt allerdings auf die Eltern-Kind-Beziehung ausweiten, was wie gesagt bisher nicht der Fall war, obwohl dies eigentlich fast zu erwarten wäre angesichts des Verfahrensverlaufes, und diese Ausweitung ein Ausmaß annehmen wie von § 1696 BGB verlangt, müsste entsprechend reagiert werden.

Die Beteiligten – bis auf den Kindesvater – mögen der Ansicht sein, dass die Gegenargumente so gravierend sind, dass diese Entscheidung das Kind zu einem Experimentierobjekt werden lässt. Das Gericht hat sich diese Entscheidung aber nicht leicht gemacht und ist bei Abwägung aller Umstände, insbesondere der Belastungen, denen das Kind durch das Verfahren und den Umzug ausgesetzt war, zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Veränderung der Sorgerechtsverhältnisse sowohl der – nicht mehr vor Ort befindlichen – Kindesmutter als auch dem Kind zugemutet werden können, zumal in naher Zukunft konfliktträchtige Entscheidungssituationen nicht drohen.

Dass es bei dieser Entscheidung auch zukünftig bleiben wird, wobei die Mitsorge im Grunde immer einfacher wird, je mehr das Kind seine Wünsche äußern und begründen kann, hängt allerdings auch davon ab, ob der Kindesvater weiterhin seine Mitwirkung an Elterngesprächen beim Jugendamt oder beim Mediator verweigert, sofern deren Notwendigkeit sich als fortbestehend erweist. Im Sinne der Verbesserung der Paarebene, die zu Intensivierung der Eltern-Kind-Ebene führen dürfte, wäre dies zu wünschen.

5. Nach alledem ist die Gemeinsorge in dem Umfange wie entschieden einzuräumen. Einer gesondert auszuwerfenden Zurückweisung des weitergehenden Antrages bedurfte es nicht.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Eine andere Kostenverteilung ist nicht angezeigt, da beide Elternteile mit ihren Maximalforderungen nicht durchgedrungen sind.

Die, Wertfestsetzung folgt aus § 45 Abs. 3 FamGKG und ist dem Umstand geschuldet, dass die Vorstellungen der Eltern weit auseinanderliegen und erheblicher Ermittlungsaufwand betrieben werden musste, der nicht ausschließlich dem Verantwortungsbereich des Kindesvaters zuzuordnen ist, nachdem die Kindesmutter entgegen der Erwartungen der Gutachterin umzog.

Rechtsmittelbelehrung:

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde angefochten werden. Sie ist innerhalb eines Monats bei dem Amtsgericht Achim einzulegen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe der Entscheidung.

Beschwerdeberechtigt ist, wer durch die Entscheidung in eigenen Rechten beeinträchtigt wird. Einem über 14 Jahre alten Kind steht in allen seine Person betreffenden Angelegenheiten das selbständige Beschwerderecht zu. Außerdem ist das zuständige Jugendamt beschwerdeberechtigt.

Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des genannten Gerichts eingelegt. Sie kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem genannten Gericht ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

Die Beschwerde soll begründet werden.

gez.: M.

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