AG Bremen, Urteil vom 09.04.2013 – Az.: 18 C 0322/12

50% Mietminderung aufgrund von Schimmel und hoher Luftfeuchtigkeit in der Mietwohnung. Bei einem Mangel der Mietsache ist die Miete kraft Gesetzes gemäß § 536 II BGB gemindert, ohne dass sich der Mieter hierauf berufen muss, wenn dem Vermieter diese bekannt sind. Nimmt der Vermieter die Mietsache zum Zwecke der Mängelbeseitigung in Besitz, rechtfertigt dies sogar eine vollständige Befreiung von der Miete für diesen Zeitraum.

Zum Zurückbehaltungsrecht des Mieters an der vereinbarten Mietkaution wegen vorhandener Mängel der Mietwohnung.

Verkündet am 09.04.2013

Amtsgericht Bremen

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

I. B., Bremen
Prozessbevollm.: RA R. B., Bremen,

gegen

M. J., Bremen Prozessbevollm.: RAe Beier & Beier, Bremen, zu H/2012/116

hat das Amtsgericht Bremen im schriftlichen Verfahren aufgrund der bis zum 17.03.2013 eingereichten Schriftsätze durch Richterin am Amtsgericht V. für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Zahlung rückständiger Mieten und rückständiger Kaution.

Die Parteien schlossen unter dem 20.02.2012 einen Mietvertrag über eine 1 – Zimmer – Wohnung im Erdgeschoss des Hauses S. Straße in Bremen. Als Mietbeginn wurde der 01.03.2012 vereinbart. Die monatliche Nettomiete wurde mit 230,00 € zzgl. einer Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 96,00 € vereinbart. Gemäß § 19 des Mietvertrages war der Beklagte verpflichtet, in zwei Monatsraten eine Kaution in Höhe von 500,00 € an die Klägerin zu zahlen.

Der Beklagte zahlte die Kaution nicht und blieb die Mieten für April bis Juni 2012 schuldig. Mit Schreiben vom 31.05.2012 kündigte die Klägerin daher das Mietverhältnis fristlos wegen des aufgelaufenen Mietrückstands, hilfsweise ordentlich.

Der Beklagte war am 15.03.2012 in die Wohnung eingezogen. Zwei Wochen nach seinem Einzug funktionierte die Toilettenspülung nicht mehr und das Wasser im Waschbecken und der Badewanne floss nicht mehr ab. Es kam zu mehreren Kanalverstopfungen. Der Beklagte übergab der Klägerin seinen Schlüssel, damit diese Reparaturmaßnahmen durchführen lassen konnte und fuhr für mehrere Wochen nach Hamburg. Der Kanal wurde von der Firma A. Rohrreinigung wieder freigemacht, so dass die Abwässer wieder abfließen konnten. Als der Beklagte Anfang Mai wieder in die Wohnung kam, waren seine Möbel von den Wänden gerückt und die Tapeten im unteren Bereich der Wände entfernt. Der Beklagte fuhr wieder nach Hamburg. Die Klägerin wollte unterdessen die weitere Sanierung vornehmen lassen. Als der Beklagte Anfang Juni wieder in die Wohnung kam, war das Laminat hochgenommen worden und es hatte sich Schimmel an den Zimmerwänden gebildet. Eine Behebung des Schadens war noch nicht erfolgt.

Unter dem 02.07.2012 setzte der Beklagte der Klägerin schriftlich eine letzte Frist zur Mängelbeseitigung bis zum 20.07.2012 und teilte der Klägerin mit, dass er eine Mietminderung in Höhe von 50% geltend mache und nunmehr 50% der rückständigen Miete für April bis Juni unter Vorbehalt zahle.

Die Klägerin beauftragte daraufhin einen Sachverständigen, der feststellen sollte, welcher Minderungsbetrag angemessen sei. Der Sachverständige begutachtete die Wohnung am 25.07.2012 und stellte neben dem vorhandenen Schimmel in der Wohnung eine hohe Luftfeuchtigkeit fest.

Der Beklagte räumte in der Folgezeit die Wohnung und gab diese am 31.07.2012 an die Klägerin heraus.

Die Klägerin ist der Meinung, dass ein Minderungsrecht des Beklagten bereits aus formellen Gründen daran scheitere, dass der Beklagte vor dem 02.07.2012 davon keinen Gebrauch gemacht habe. Er habe die Klägerin nicht über Mängel informiert und eine ordnungsgemäße Mängelrüge erhoben. Die Feuchtigkeit in der Wohnung sei im Übrigen auf nutzerbedingtes Verhalten des Beklagten zurückzuführen, da er während seiner Abwesenheit die Außenrolläden ständig heruntergelassen habe, geheizt habe aber nicht ausreichend gelüftet habe. Außerdem seien der Fußboden der Küche und der Diele mit Kartons, Leergut und diversen Kästen vollgestellt gewesen. Das Wohnzimmer habe sie nicht betreten können weil es abgeschlossen gewesen sei. Wegen der Feuchtigkeit aufgrund des nutzerbedingten Verhaltens sei das Laminat hochgenommen worden, da es Feuchtigkeit gezogen habe und seien die Tapeten teilweise entfernt worden. Abwasser aufgrund einer Kanalverstopfung habe sich dort nicht befunden. Da die von der Feuchtigkeit betroffenen Bereiche in der Wohnung noch hätten austrocknen müssen, wäre es nicht fachgerecht gewesen, den Fußboden zu früh Anfang/Mitte Juli neu zu verlegen. Die Fristsetzung zum 20.07.2012 sei daher unbeachtlich. Auch sei am 10.08.2012 festgestellt worden, dass die Küchengrundleitung des streitigen Mietobjektes vollständig mit Fett zugesetzt gewesen sei. Der Beklagte müsse also absichtlich Fett in das Ablaufrohr der Küchenspüle eingeleitet haben.

Die Klägerin verfolgte mit der ursprünglichen Klage zunächst neben dem Zahlungsantrag auf Zahlung der Kaution und der rückständigen Mieten für die Monate April bis Juni in Höhe von insgesamt 1.478,00 €, die Räumung der Wohnung sowie die Zahlung zukünftiger Nutzungsentschädigung bis zum Auszug. Nachdem der Beklagte ausgezogen war, erklärte die Klägerin den Räumungsantrag und den Antrag auf zukünftige Nutzungsentschädigung mit Schriftsatz vom 07.09.2012 für erledigt und nahm den Zahlungsantrag in Höhe der gezahlten 489,00 € (50% der Miete für April — Juni 2012) zurück. Darüber hinaus erweiterte sie die Klage um die noch ausstehende Miete für Juli 2012 in Höhe von 163,00 €.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.152,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5% – Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf je 326,00 € seit dem 06.04.2012, 06.05.2012, 06.06.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Meinung, dass er für die Monate April bis Juli 2012 mehr als die von ihm bezahlten 50% der Miete nicht schulde. Er habe sich gegenüber der Klägerin bei den gelegentlichen Zusammentreffen in der Wohnung immer auf sein Mietminderungsrecht berufen und die Klägerin zur Mängelbeseitigung aufgefordert. Darüber hinaus seien der Klägerin die Mängel bekannt gewesen, da sie im März wegen der defekten Toilettenspülung einen Handwerker beauftragt habe und im April die Möbel des Beklagten von der Wand gerückt habe und die Tapeten entfernt habe. Zu der Feuchtigkeit sei es gekommen, weil Wasser aus der Kanalisation durch die Toilette und das Waschbecken in die Wohnung gelangt sei. Soweit die Klägerin dem Beklagten mangelndes Lüften vorwerfe, gehe dieses fehl, da die Klägerin im Besitz der Schlüssel gewesen sei und hätte lüften können. Im Übrigen sei zwischen den Parteien vereinbart worden, dass der Beklagte die Mieten in bar zahlen könne, wenn er in Bremen sei, die Klägerin ihm quasi die Miete gestundet habe. Die Mietkaution habe er wegen der vorhandenen Mängel zurückbehalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung restlicher Miete in Höhe von 652,00 € aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag.

Die Miete war in dem streitgegenständlichen Zeitraum von April bis Juli 2012 um 50% gemindert, da die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch erheblich eingeschränkt war.

Unstreitig ist es nach dem Einzug des Beklagten zu mehreren Kanalverstopfungen gekommen und hat der Beklagte der Klägerin Ende März/Anfang April seinen Wohnungsschlüssel gegeben, um dort Reparaturmaßnahmen an den Abflüssen/Rohren ausführen zu lassen. Unstreitig war der Beklagte dann mehrere Wochen in Hamburg und musste bei seiner Rückkehr Anfang Mai feststellen, dass seine Möbel von den Wänden gerückt waren und die Tapeten im unteren Bereich der Wände teilweise entfernt worden waren. Dies sind typische Maßnahmen, die ergriffen werden, wenn es in einer Wohnung zu einem Wasserschaden gekommen ist. Unstreitig wurde dann in der folgenden weiteren mehrwöchigen Abwesenheit des Beklagten das Laminät in der Wohnung teilweise aufgenommen und hatte sich stellenweise Schimmel an den Wänden gebildet.

Wenn die Klägerin vortragen lässt, dass es zu einem Wassereinbruch in die Wohnung nicht gekommen sei, sondern die Feuchteschäden auf ein mangelhaftes Lüftungsverhalten des Beklagten zurückzuführen seien, so verwundert dies doch sehr. Zum einen ist unstreitig, dass der Beklagte im April 2012 nicht vor Ort war und die Klägerin im Besitz der Wohnungsschlüssel gewesen ist, um dort Reparaturarbeiten durchführen zu lassen. Dann kann aber von der Klägerin verlangt werden, dass sie bei Erkennen etwaiger Feuchtigkeitsprobleme Lüftungsmaßnahmen ergreift. Zum anderen ist es aber auch lebensfremd, dass Feuchtigkeitserscheinungen aufgetreten sein sollen in einer Wohnung, die unbewohnt ist, die dazu geführt haben, dass der Laminatboden teilweise aufgenommen werden musste, Möbel von den Wänden gerückt werden mussten und Tapeten entfernt werden mussten. Dies alles deutet auf einen Wassereinbruch in Folge der unstreitigen Kanalverstopfungen hin. Eine weitere Stütze findet dies in dem eigenen Vortrag der Klägerin, die ausführen lässt, dass der Laminatboden auch nicht innerhalb der zur Mängelbeseitigung gesetzten Frist bis zum 20.07.2012 wieder habe eingebracht werden können, da die Trocknungsphase am 02.07.2012 noch nicht abgeschlossen gewesen sei und die Klägerin erst habe sicher gehen müssen, dass die Wand- und Fußbodenbereiche vollständig ausgetrocknet seien, ehe neuer Fußbodenbelag aufgebracht werden könne.

Des Weiteren hat der Beklagte Fotos zur Akte gereicht, auf denen deutlich sichtbar ist, dass die Feuchtigkeitserscheinungen nicht nutzungsbedingt sein können. Auf diesen Bildern ist gut zu erkennen, dass es umlaufend in einer Höhe von bis zu ca. 10-15 cm gemessen vom Fußboden zu Feuchtigkeitsschäden an den Wänden gekommen ist. Dies ist ein typisches Zeichen dafür, dass Wasser in der Wohnung gestanden hat. Ferner ist auf diesen Bildern Schimmelbefall an den Wänden zu erkennen.

Aus dieser Gesamtschau ergibt sich für das Gericht, dass die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch in der streitgegenständlichen Zeit durch Feuchtigkeit beeinträchtigt war und diese Feuchtigkeit auf die Substanz der Wohnung (verstopfte Kanäle) und nicht auf ein Nutzungsverhalten des Mieters zurückzuführen war.

Soweit die Klägerin einwendet, der Beklagte habe ihr die Mängel nicht angezeigt – was dieser bestreitet – so ist dies nicht verständlich. Unstreitig hat der Beklagte der Klägerin die Kanalverstopfungen angezeigt und ihr seinen Wohnungsschlüssel zwecks Reparaturmaßnahmen übergeben. In der Folge musste der Beklagte diverse Veränderungen wie Abrücken der Möbel, Entfernen von Tapetenteilen, Aufnehmen des Laminats feststellen. Offensichtlich war die Klägerin diejenige, die über den Verlauf der Feuchteerscheinungen am besten informiert war und entsprechende Maßnahmen ergriffen hat.

Damit war die Miete kraft Gesetzes seit April 2012 gemäß § 536 II BGB gemindert, ohne dass sich der Beklagte hierauf hätte berufen müssen.

Die von dem Beklagten zu Grunde gelegte Minderung in Höhe von 50% ist auch der Höhe nach berechtigt. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Wohnung im Sanitärbereich für einen gewissen Zeitraum nicht ordnungsgemäß genutzt werden konnte aufgrund des mangelhaften Wasserablaufs. Ferner war zu berücksichtigen, dass Teile des Fußbodenbelags und der Tapeten entfernt wurden und die Möbel des Beklagten von den Wänden gerückt wurden. Zu einem wesentlichen Teil war aber zu berücksichtigen, dass die Klägerin das Mietobjekt in Besitz genommen hat, um die Mängel zu beseitigen. Hier erkennt die Rechtsprechung sogar eine vollständige Befreiung von der Miete für diesen Zeitraum an (vgl. Palandt, 72. Auflage, 2013, § 536, Rdnr. 32).

2. Die Klägerin hat aus den o.g. Gründen auch keinen Anspruch auf Zahlung der Kaution in Höhe von 500,00 € aus § 19 des Mietvertrages.

Unstreitig hat der Beklagte die Wohnung bereits am 31.07.2012 geräumt zurückgegeben.

Die Klägerin als Vermieterin hat zwar auch nach Beendigung des Mietverhältnisses grds. noch einen Anspruch auf Zahlung der Kaution. Dies aber nur ausnahmsweise dann, wenn sie ein Sicherungsinteresse darlegt. Dies ist nicht erfolgt. Soweit die Klägerin auf etwaige Nebenkostennachzahlungen anspielt, so erscheint es bereits mehr als unwahrscheinlich, dass der Beklagte in der streitgegenständlichen Zeit Nebenkosten in die Vorauszahlungen übersteigender Höhe verursacht haben könnte, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass er sich vorwiegend in Hamburg aufgehalten hat. Darüber hinaus wäre die Klägerin aber auch nach Ende des Mietverhältnisses verpflichtet gewesen binnen angemessener Frist, die in der Regel mit 3 — 6 Monaten zu bemessen ist, über die Kaution abzurechnen. Auch dies ist nicht geschehen. Mangels substantiiert dargelegtem Sicherungsinteresse scheidet auch dieser geltend gemachte Anspruch aus.

3. Zinsen auf die rückständige Miete werden nicht geschuldet. Der Beklagte war aufgrund der mangelhaften Wohnung berechtigt, ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen.

4. Soweit die Klägerin die Klage in Höhe von 489,00 € zurückgenommen hat, waren ihr die Kosten gemäß § 269 III ZPO aufzuerlegen. Es gab keine Gründe, von der grundsätzlichen Kostenregelung des § 269 ZPO abzuweichen. Aufgrund des Schreibens des Beklagten vom 02.07.2012 war die Klägerin gehalten, vor Einreichung der Klage am 06.07.2012 zu prüfen, ob Zahlungen auf die Miete seitens des Beklagten zwischenzeitlich erfolgt waren.

5. Soweit die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Räumungsantrags und des Antrags auf Zahlung zukünftiger Nutzungsentschädigung übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kosten insoweit gemäß § 91 a ZPO durch Beschluss zu entscheiden.

Nach § 91a Abs. 1 S. 2 und S. 1 ZPO ist über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei ist insbesondere der zu erwartende Verfahrensausgang zu berücksichtigen.

Wie bereits weiter oben ausgeführt stand dem Beklagten ein Recht zur Minderung der Miete um 50% zu. Ferner stand ihm wegen des übrigen Teils der Miete im Hinblick auf seinen Anspruch auf mangelfreie Leistung gemäß § 320 BGB ein Zurückbehaltungsrecht zu. Ein Recht zur fristlosen Kündigung gemäß §§ 543 II Nr. 3, 569 BGB oder zur ordentlichen Kündigung gemäß § 573 11, II Nr. 1 BGB stand der Klägerin daher nicht zu. Der Räumungsantrag sowie der Antrag auf künftige Nutzungsentschädigung wären abgewiesen worden. Mithin waren auch hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

6. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen im Übrigen aus § 91 I, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Unterschrift

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