AG Bremen, Beschluss vom 19.06.2013 – 66 F 2170/12 UK

Zu den Erwerbsanstrengungen eines Unterhaltsschuldners und zur Hinzurechnung eines fiktiven Einkommens. Verfügt der Unterhaltsschuldner über keine Einkünfte oder reicht vorhandenes Einkommen zur Erfüllung der gegenüber dem minderjährigen Kind bestehenden Unterhaltsverpflichtung nicht aus, so trifft ihn unterhaltsrechtlich gem. § 1603 Abs. 2 BGB die Obliegenheit die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen.

Amtsgericht Bremen

Beschluss

In der Familiensache


– Antragsteller –

vertreten durch

Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Beier & Beier, 28239 Bremen

gegen


– Antragsgegner –

Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …, Bremen

hat das Amtsgericht – Familiengericht – Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 15.05.2013 durch die Richterin am Amtsgericht M. beschlossen:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, beginnend mit dem Monat Februar 2013 an den Antragsteller einen monatlichen Mindestkindesunterhalt nach der jeweiligen Altersstufe gemäß der Düsseldorfer Tabelle unter Anrechnung des hälftigen Kindergeldes, aktuell monatlich 272,- € zu zahlen.

Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner. Der Verfahrenswert wird auf 3.264,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist das Kind des Antragsgegners und lebt bei der Kindesmutter.

Der Antragsgegner schloss im Oktober 2012 seine Ausbildung zum geprüften Tanz- und Bewegungstherapeuten und Pädagogen ab. Bereits 1 1/2 Monate vor seiner letzten Prüfung bewarb er sich im Klinikum X und erhielt dort schließlich im April 2013 eine Absage. Der Antragsgegner erhält im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum Arbeitslosengeld II vom Landkreis X. Nebenbei geht er einer geringfügigen Beschäftigung nach. Er hat sich des Weiteren bei einer Rückenschule in X beworben.

Der Antragsteller beantragt,

dem Antragsgegner aufzugeben, beginnend mit Juni 2012 an den Antragsteller den monatlichen Mindestkindesunterhalt der jeweiligen Altersstufe zu zahlen, unter Anrechnung des hälftigen Kindergeldes, aktuell monatlich 272,- €

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass er unverschuldet zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage sei, den Mindestunterhalt für seinen Sohn zu zahlen.

II.

Der Antragsgegner ist dem minderjährigen Antragsteller gegenüber gem. §§ 1601, 1612 BGB zur Zahlung von Barunterhalt in Höhe des Mindestkindesunterhalts verpflichtet.

Der Bedarf des minderjährigen Kindes ergibt sich gem. § 1612a BGB in Höhe des jeweiligen Mindestbedarf der entsprechenden Altersstufe. Dies ist in der 2. Altersstufe für den Antragsteller derzeit monatlich 272,- €, wobei das hälftige Kindergeld bereits abgezogen wurde. Dieser Bedarf des Antragstellers ist auch in gleicher Höhe ungedeckt.

Der Antragsgegner erhält zwar Sozialleistungen und verfügt derzeit nicht über ein ausreichendes Einkommen, um den Mindestkindesunterhalts zu zahlen. Ihm waren aber fiktive Einkünfte zuzurechnen.

Die für einen Unterhaltsanspruch vorausgesetzte Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten wird aber nicht allein durch das tatsächliche vorhandene Einkommen bestimmt. Vielmehr ist die Erwerbsfähigkeit entscheidend. Verfügt der Unterhaltsschuldner über keine Einkünfte oder reicht vorhandenes Einkommen zur Erfüllung der gegenüber dem minderjährigen Kind bestehenden Unterhaltsverpflichtung nicht aus, so trifft ihn unterhaltsrechtlich gem. § 1603 Abs. 2 BGB die Obliegenheit die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen. Insbesondere hat er seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen und eine einträgliche Erwerbstätigkeit auszuüben. Dabei legt ihm die verschärfte Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern eine erhöhte Arbeitspflicht unter gesteigerter Ausnutzung seiner Arbeitskraft aus. Kommt er dieser Erwerbsobliegenheit nicht nach, so muss er sich so behandeln lassen, als ob er ein Einkommen, das er bei gutem Willen erzielen könnte, auch tatsächlich hätte (Vgl. Wendel/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 2 Rd.-Nr. 243 ff, m. w. N.).

Der Antragsgegner muss sich demnach so behandeln lassen, als würde er monatlich ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.515,19 € verdienen. Das Gericht geht zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass der Antragsgegner dieses Einkommen als ausgebildeter Tanz- und Bewegungstherapeut erzielen könnte (vgl. www.lohnspiegel.de). Dabei ist das Gericht von einem Bruttoeinkommen in Höhe von 2.291,- € ausgegangen. Darüber hinaus ist auch davon auszugehen, dass der Antragsgegner dieses Nettoeinkommen mit einer Tätigkeit außerhalb seines erlernten Berufs erzielen könnte.

Hierauf muss sich der Antragsgegner verweisen lassen.

Dem Antragsgegner obliegt die Darlegungs- und Beweislast für seine geminderte Leistungsfähigkeit und die Behauptung, seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit genügt zu haben.

Der Antragsgegner hat nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass ihn das genannte Erwerbseinkommen zum jetzigen Zeitpunkt auf Grund seiner Wirbelsäulenverletzung nicht möglich ist. Insofern obliegt es ihm, Grund- und Umfang seiner Krankheit im Einzelnen vorzutragen, sowie, dass er wegen der Krankheit in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist. Die gesundheitliche Beeinträchtigung ist insoweit im Einzelnen nach Art und Umgang darzulegen und es ist vorzutragen, welchen Einfluss diese auf eine Erwerbsfähigkeit haben kann. Dem hat der Antragsgegner nicht genügt.

Ebenso wenig hat der Antragsgegner dargelegt, dass er seiner Erwerbsobliegenheit insoweit hinreichend genügt hat, dass er sich ausreichend auf Stellen, sei es im Rahmen seiner Ausbildung, sei es außerhalb seiner Ausbildung, beworben hat. Es ist nicht hinreichend dargelegt, dass es ihm nicht möglich ist, eine entsprechende Stelle bei der er 1.515,19 € netto erzielen könnte, nicht erlangen kann. Insofern ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner jedenfalls seit Beendigung seiner Ausbildung einen einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit entsprechenden zeitlichen Aufwand für Bewerbungen betreiben kann. Er ist weiter gehalten, sich umfassend auch außerhalb seines ausgebildeten Bereichs zu bewerben, sowie auch überregional zu bewerben. Die von ihm genannten aber nicht weiter dargelegten Bewerbungen reichen insoweit jedenfalls nicht aus. Unter Zuerkennung einer nach Auffassung des Gerichts ausreichenden Bewerbungszeit von 3 Monaten ist deshalb davon auszugehen, dass der Antragsgegner seit Februar 2013 das oben genannte Einkommen erzielen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG.

Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus § 51 FamGKG.

Rechtsbehelfsbelehrung

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde angefochten werden. Sie ist innerhalb eines Monats bei dem Amtsgericht Bremen, Ostertorstr. 25 – 31, 28195 Bremen, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung.

In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 € übersteigt oder das Gericht die Beschwerde in diesem Beschluss zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist, wer durch die Entscheidung in eigenen Rechten beeinträchtigt wird.

Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerde kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Das gilt nicht für einen Beteiligten, der durch das Jugendamt als Beistand vertreten ist. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

Der Beschwerdeführer hat einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Die Frist zur Begründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Die Begründung ist bei dem Oberlandesgericht Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen, einzureichen.

Unterschrift

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