AG Bremen, Urteil vom 22.10.2009 – 61 F 7987/08 UK

Zur Abänderung eines Unterhaltstitels: Keine Verpflichtung des Unterhaltsschuldners, während einer Umschulungsmassnahme auch noch eine Nebentätigkeit an den Wochenenden aufzunehmen)

Verkündet am 22.10.2009

Amtsgericht Bremen

Im Namen des Volkes
Urteil

In der Familiensache

hat das Amtsgericht Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 03.09.2009 durch die Richterin am Amtsgericht XXX für Recht erkannt:

1. Das Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts – Bremen vom 28.01.2005 zu Geschäfts-Nr.: 61 F 1110/2005 wird dahingehend abgeändert, dass der Kläger ab April 2009 bis Juni 2010 nicht verpflichtet ist, Unterhalt in Höhe des Regelbetrages von 100% der 1. Altersstufe abzüglich des anrechenbaren Kindergeldanteils zu zahlen.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist der Vater der Beklagten. Die Beklagte lebt im Haushalt ihrer Mutter, die zugleich ihre gesetzliche Vertreterin ist.

Der Kläger ist durch Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 28.01.2005 verpflichtet, an die Beklagte laufend den Mindestunterhalt abzüglich des anrechenbaren Anteils des staatlichen Kindergeldes zu zahlen. Ungeachtet dessen hat der Kläger bislang keinerlei Unterhalt für die viereinhalbjährige Beklagte gezahlt.

Der Kläger war zum Zeitpunkt der Geburt der Beklagten als Vertreter beim AWD tätig, zuvor bei einer Bausparkasse und war arbeitslos. Er hatte sich vergeblich um Arbeit bemüht, sein Erwerbsbemühen hatte er seinerzeit nicht ausreichend darlegen können, so dass er ungeachtet der bestehenden Arbeitslosigkeit zur Leistung des Mindestunterhaltes verpflichtet wurde.

Der Kläger nimmt seit dem 18.02.2008 an einer Umschulungsmaßnahme zum Elektroniker für Automatisierungs- und Betriebstechnik teil, die ihm von der Agentur für Arbeit in XXX vermittelt wurde. Die Agentur hatte zuvor durch Bescheid vom 06.02.2008 die Notwendigkeit der beruflichen Qualifizierung festgestellt.

Der Kläger trägt vor, er sei während der Fortbildung weiterhin auf die Inanspruchnahme der Regelsätze nach SGB II angewiesen, Umschulungsgeld erhalte er nicht, lediglich ausbildungsbedingte Aufwendungen – Fahrtkosten zum Ausbildungsort – würden ihm erstattet. Ferner handele es sich um eine Vollzeitausbildung. Er sei von 7.30 bis 16.00 Uhr zum Lehrgang oder Praktikum und müsse dazu auch Wege zurücklegen. Praktika würden auch an anderen Orten stattfinden. Da er viel lernen müsse, könne er daneben keiner Tätigkeit nachgehen und für den Unterhalt der Beklagten während der Zeit der Ausbildung nicht aufkommen. Er könne nur durch diese Ausbildung in Zukunft sicherstellen, dass er für den Unterhalt aufkommen könne.

Er habe nach der Schule zunächst als ungelernter Arbeiter bei der Fa. X in Y gearbeitet, und zwar von 1988 bis Ende Juli 1989 und danach an der Universität Osnabrück ein BWL-Studium begonnen, das er im Januar 1990 ohne Abschluss beendet habe. Er sei sodann im Rettungsdienst des Landkreises X beschäftigt gewesen, habe dort seinen Zivildienst geleistet und anschließend noch einen Zeitarbeitsvertrag gehabt. 1992 bis Februar 1993 sei er als ungelernter Mitarbeiter bei der Hamburg-Mannheimer Versicherung tätig gewesen. Ab April 1993 war er bei der Fa. X tätig, hat sich dort bestimmte Fertigkeiten selbst beigebracht und wurde dort schließlich zum DV-Kaufmann ausgebildet, aber anschließend nicht übernommen. Der Kläger gründete eine GmbH mit einem Mediziner, die Software entwickelte. Nachdem der Mitgesellschafter in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, musste die Firma 2002 liquidiert werden.

Der Kläger war dann selbstständig als Handelsvertreter für die Schwäbisch-Hall AG tätig, die dann aber durch eine verstärkte Kooperation mit Banken den Vertretern den Gebietsschutz entzog, der Kläger schied dort 2004 aus und begann im Oktober 2004 eine Tätigkeit beim AWD, die damit endete, dass der Kläger erhebliche Schulden anhäufte. Die Tätigkeit beim AWD beendete er mit dem 31.08.2006.

In den Beruf als DV-Kaufmann könne er nicht wieder eintreten, die technische Entwicklung, die seither stattgefunden habe, habe er nicht mehr nachvollziehen können, außerdem würden mittlerweile in diesem Bereich Hochschulabsolventen bevorzugt eingestellt.

Bei einer Bank oder einer seriösen Versicherung könne er nicht wieder anfangen, weil er im Schuldnerregister eingetragen sei aufgrund der vom AWD gegen ihn geltend gemachten Forderungen.

Eine reale Chance auf dem Arbeitsmarkt habe er nicht und müsse sich daher nach neuer beruflicher Qualifikation umsehen.

Er beantragt wie folgt zu erkennen:

In Abänderung des Urteiles des Familiengerichtes Bremen vom 28.01.2005 zu Geschäfts-Nr. 61 F 1110/2005 wird festgestellt, dass der Kläger ab März 2008 nicht verpflichtet ist, Unterhalt in Höhe des Regelbetrages von 100% der jeweiligen Altersstufen zu den dortigen Ziffern a bis c abzüglich der Hälfte des Kindergeldes für ein erstes Kind, soweit anrechenbar, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass der Kläger nach Möglichkeiten suche, sich der Unterhaltsverpflichtung zu entziehen. Er könne und müsse neben der Ausbildung erwerbstätig sein.

Wegen des Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen sowie auf die Sitzungsniederschriften.

Entscheidungsgründe

Die Abänderungsklage ist als solche zulässig, weil sich seit dem Erlass der Ausgangsentscheidung die Verhältnisse dadurch verändert haben, dass der Kläger eine Umschulung aufgenommen hat, wenngleich sich an seiner Einkommenslosigkeit dadurch zunächst nichts geändert hat.

Sie ist aber unzulässig, soweit der Kläger Abänderung des vorliegenden Titels vor Zustellung der Abänderungsklage verlangt, § 323 Abs. 3 S. 1 ZPO, weil es sich bei dem zur Abänderung stehenden Titel um ein Urteil handelt. Die Zustellung der Klage erfolgte am 16.04.2009. Die Einreichung eines Prozesskostenhilfegesuches steht nach dem Wortlaut der Vorschrift in ihrer Wirkung der Klagerhebung nicht gleich, eine rückwirkende Abänderung eines Urteils vor Rechtshängigkeit der Abänderungsklage kommt daher nach dem für dieses Verfahren anwendbaren Recht nicht in Betracht.

Soweit die Klage zulässig ist, ist sie begründet. Der Kläger ist während der Zeit seiner Umschulung nicht verpflichtet, der Beklagten, seiner minderjährigen Tochter, Unterhalt zu leisten, § 1603 BGB, für die danach liegende Zeit hingegen kann er eine Befreiung von seiner Unterhaltspflicht nicht verlangen.

Wie der Kläger letztlich unbestritten vorgetragen hat, absolviert er eine Umschulung, in der er ganztags beschäftigt ist. Dass er darüber hinaus noch weitere Zeit für Lernen, Prüfungsvorbereitung und die Ableistung von Praktika aufwenden muss, hat die Beklagte letztlich nicht in Abrede gestellt.

Nach der ebenfalls nicht grundlegend in Abrede gestellten Schilderung der bisherigen beruflichen Laufbahn des Klägers ist die Umschulung nicht nur geboten, sondern auch von der Beklagten hinzunehmen. Der Kläger könnte heute nur als ungelernte Kraft tätig werden mit der Folge, dass eine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit auch nicht ohne Weiteres angenommen werden kann. Die berufliche Laufbahn des Klägers zeigt auch, dass der Kläger eigentlich immer wieder versucht hat, beruflich Fuß zu fassen und sich hier auch flexibel gezeigt hat, so dass die Vermutung der Beklagten, der Kläger suche nur nach einer weiteren Möglichkeit, sich der Unterhaltsverpflichtung zu entziehen, nicht zutreffen dürfte.

In Anbetracht des Umfangs der Ausbildung und des damit einhergehenden zeitlichen Aufwandes kann dem Kläger auch nicht angesonnen werden, daneben noch durch eine Tätigkeit etwa am Wochenende noch – wenn auch in geringem Umfang – Einkünfte zu erzielen.

Während der Zeit seiner Ausbildung ist der Kläger daher als leistungsunfähig anzusehen, nicht jedoch für eine unbegrenzte Zeit darüber hinaus.

Der Kläger hat seinen Antrag auf Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung auf „0″ so gestellt, dass er nicht nur für die Zeit seiner Umschulung, sondern auch danach von der Unterhaltsverpflichtung befreit werden möchte.

Dazu sieht das Gericht allerdings keine Veranlassung. Die vollständige Aufhebung des Titels würde dazu führen, dass die Beklagte wiederum ihre Ansprüche erneut geltend machen müsste. Der Kläger hat mitgeteilt, dass er im Januar 2010 seine Prüfung absolvieren werde. Er wird bei Beachtung seiner Erwerbsobliegenheit spätestens im Juni 2010 in der Lage sein müssen, den Unterhalt der Beklagten sicher zu stellen.

Der Titel kann daher nicht, wie beantragt, auf Dauer, sondern nur zeitlich beschränkt abgeändert werden.

Die Kostenregelung folgt aus § 91 ZPO. Die Kosten des Rechtsstreits richten sich nach dem Jahreswert des titulierten Unterhaltes. Da der vorliegende Titel für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr abzuändern war, hat im Ergebnis die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die teilweise Klagabweisung wirkt sich kostenrechtlich nicht aus.

Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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