AG Bremen, Urteil vom 25.08.2016 – 5 C 58/16
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
V. K. Deutschland GmbH, v.d.d. Geschäftsführer der GmbH, …
Klägerin
Prozessbevollm.: S. Z. Rechtsanwaltsges. mbH, …
gegen
R. S., Bremen
Beklagter
Prozessbevollmächtigte: RAe Beier & Beier, Gröpelinger Heerstr. 387, 28239 Bremen Geschäftszeichen: H/2015/074
hat das Amtsgericht Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 04.08.2016 durch die Richterin am Amtsgericht M. für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin € 463,44 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.08.2015 sowie € 4,50 Rücklastschriftkosten und € 1,20 vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach §§ 313a, 511 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die nach teilweiser Rücknahme verbliebene Klage ist überwiegend begründet.
Die Klägerin kann von dem Beklagten ein Entgelt in ausgeurteilter Höhe für Telekommunikationsdienstleistungen und Schadensersatz nach fristloser Kündigung des Vertrages Nr. xxx (Paket Internet/Phone K. 100) in ausgeurteilter Höhe nach §§ 611, 628 Abs. 2 BGB iVm den Entgeltlisten und AGB der Klägerin verlangen.
Die Klägerin war gemäß §§ 314, 626 BGB berechtigt, das Vertragsverhältnis fristlos zu kündigen, da der Beklagte die mit den streitgegenständlichen Rechnungen geforderten Entgelte nicht beglichen hat. Soweit der Beklagte einwendet, Erfüllung durch Überweisung der Rechnungsbeträge geleistet zu haben, ist sein Vortrag hierzu unschlüssig und daher unbeachtlich. Denn die Rechnungs-Nrn. der streitgegenständlichen Rechnungen lauten: xxx, xxx, xxx, xxx und xxx. Die von dem Beklagten vorgelegten Einzahlquittungen beziehen sich jedoch auf Rechnungs-Nrn. xxx unleserlich xxx, xxx, xxx und xxx. Zudem stimmen die in den Einzahlquittungen aufgeführten Zahlbeträge nicht mit den in den streitgegenständlichen Rechnungen genannten Beträgen überein.
Soweit der Beklagte einwendet, bei der Berechnung des Schadensersatzes hätte ein höherer Abzug wegen ersparter Aufwendungen gemacht werden müssen, nämlich mindestens 50 %, kann dem nicht gefolgt werden. Die Klägerin hat bei der Berechnung ihres Schadens bereits einen Abzug von 30 % gemacht. Dies ist der nach der Rechtsprechung übliche und nicht zu beanstandende Abzug. Die von dem Beklagten herangezogenen amtsrichterlichen Urteile nehmen einer Schätzung folgend einen um 20 % höheren Abzug vor, ohne diesen in einen konkreten Bezug zu dem bereits erfolgten Abzug von 30 % zu setzen. Hinsichtlich der Schadensberechnung wird im Übrigen auf die Darlegung im Klägerschriftsatz vom 07.06.2016 verwiesen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Rücklastschriftkosten können der Klägerin als Verzugsschaden nach §§ 280, 286 BGB lediglich in Höhe von € 4,50 zugesprochen werden, weil sie nur in dieser Höhe schlüssig mit Schriftsatz vom 29.01.2016 vorgetragen hat, nämlich dass 1 Mal € 4,50 an Gebühren angefallen seien. Die geltend gemachten Mahnkosten von € 1,20 sind nicht zu beanstanden.
Hingegen können der Klägerin keine Inkassokosten zugesprochen werden. Das Landgericht Bremen (Geschäfts-Nr. 2- S- 208/12, Urteil v. 22. Juli 2013) hat hierzu ausgeführt:
„Die Klage war hinsichtlich der vorgerichtlichen Kosten — soweit von der Klägerin im Berufungsverfahren noch geltend gemacht – abzuweisen. Die Klage ist hinsichtlich der noch geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten unbegründet.
Zwar sind grundsätzlich auch Kosten der außergerichtlichen Geltendmachung als Verzugsschaden ersatzfähig. Die Kammer tritt dieser grundsätzlichen rechtlichen Einordnung der zum Teil auch von der Klägerin zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung nicht entgegen. Dies gilt jedoch nur, sofern es sich um zweckentsprechende Maßnahmen der Rechtsverfolgung handelt (vgl. BGH, Urteil vom 09. März 2011 — VIII ZR 132/10 —, Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 09. März 2012 — 2 U 98/11 —, beide zitiert nach juris). Diese Einschränkung ist im Rahmen der Kausalität des Schadens oder bei der Schadensminderungspflicht zu verorten.
Vorgerichtliche Kosten sind vor diesem Hintergrund grundsätzlich nicht erstattungsfähig, wenn der Gläubiger, wie hier die Klägerin, geschäftserfahren ist und die Sache, ebenfalls wie hier, aus der Sicht zum Zeitpunkt der Einschaltung des Dritten zu Inkassozwecken keine besonderen Schwierigkeiten aufwies (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 — VIII ZR 277/11 —, BGH, Urteil vom 06. Oktober 2010 — VIII ZR 271/09 —, jeweils zitiert nach juris) oder sich der Anspruchsgegner bereits eindeutig und abschließend dahingehend positioniert hatte, dass er den Forderungen vorbehaltlich einer gerichtlichen Geltendmachung nicht nachkommen werde. Eine Erstattungspflicht für eigene Aufwendungen des Gläubigers besteht nur insofern, als ein wirtschaftlich denkender Gläubiger bei der Vorab – Betrachtung („ex ante Perspektive“) diese im Zeitpunkt der Einschaltung des Dritten zu Inkassozwecken für notwendig halten durfte (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 09. März 2012 — 2 U 98/11 —, zitiert nach juris). Hierbei ist es unerheblich, ob es sich bei dem Dritten um ein Inkassobüro oder einen vorgerichtlichen Rechtsbeistand handelt. Das Überwachen von Zahlungspflichten und die Übersendung von Mahnungen sind einfachste kaufmännische Tätigkeiten, die zum eigenen Pflichtenkreis eines kaufmännischen und geschäftserfahrenen Gläubigers gehören. Diese hat die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag zunächst auch selbst übernommen. Ein schützenswertes Interesse, diese Tätigkeiten zur Wiederholung auf eine andere Rechtsperson zu verlagern und so im Ergebnis eine Erstattung der Aufwendungen zu erlangen, besteht nicht (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 09. März 2012 — 2 U 98/11 —, zitiert nach juris).
Weiterhin dürfen in rechtlich einfach gelagerten Fällen wie dem vorliegenden, in denen im Zeitpunkt der Beauftragung Anhaltspunkte z.B. für eine weitere Prüfung der Rechtmäßigkeit der Forderungsgeltendmachung nicht ersichtlich sind, weitere Kosten für den Schuldner nicht allein dadurch produziert werden, dass ein Dritter ihn vorprozessual erneut zur Zahlung auffordert.
Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen diese weitere Zahlungsaufforderung sich lediglich auf die erneute Mitteilung des Forderungsbetrages unter Zusatz weiterer Kosten und der Klage- oder Mahnverfahrensandrohung beschränkt (vgl. für den vorliegenden Fall Anlagen A 4 und A 5). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern dieses Vorgehen eine zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung darstellen soll, insbesondere nachdem die Klägerin der Beklagten zuvor selbst bereits eine „letzte außergerichtliche Mahnung“ übersandt hatte (vgl. Anlage A 3). Die Klägerin hat auch auf den Hinweis des Amtsgerichts vom 11. Juni 2012 erstinstanzlich nicht dargelegt, dass im vorliegenden Fall das von ihr beauftragte Inkassounternehmen „überzeugendere“ Mahnschriftsätze an die Beklagte versandt oder andere Maßnahmen ergriffen hat. Soweit die Klägerin meint, das von ihr beauftragte Inkassounternehmen habe mit den als Anlage A 6 und A 7 zur Akte gereichten Schreiben die Beklagte „unter Darlegung der Sach- und Rechtslage erneut zur Zahlung aufgefordert“, ist diese Bewertung der inhaltlich knapp und einfach gehaltenen Schreiben der Kammer nicht nachvollziehbar und unzutreffend.
In dieser rechtlichen Bewertung liegt keine Schlechterstellung von Inkassobüros gegenüber Rechtsanwälten, sodass nicht die gesetzgeberische Entscheidung unterlaufen wird. Denn die gleichen Grundsätze gelten für vorprozessuale Mahnschreiben von Rechtsanwälten (vgl. Urteil der Kammer vom 06. Juni 2013 zum Az.: 2 – 0 – 0049/13). Aus diesen Gründen kann auch keine Erstattung „fiktiver Rechtsanwaltskosten“ verlangt werden.“
Dem schließt sich das erkennende Gericht an.
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr.1, 269 Abs. 3, 708 Nr.11, 711, 713 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt oder
wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht Bremen zugelassen worden ist.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist glaubhaft zu machen; eine Versicherung an Eides statt ist nicht zulässig.
Die Berufung muss binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils an alle Parteien schriftlich beim Landgericht Bremen, Domsheide 16, 28195 Bremen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. Die Gerichtssprache ist deutsch.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bremen zu begründen.
Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bremen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
M.
Richterin am Amtsgericht
Siehe auch
OLG Oldenburg,Urteil vom 24.04.2006, 11 U 8/6, m.w.N.
Grundsätzlich stellen die Kosten eines zugelassenen Inkassobüros zwar einen vom Schuldner zu ersetzenden Verzugsschaden dar (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB). Denn der in Verzug befindliche Schuldner hat alle Kosten zweckentsprechender Maßnahmen der Rechtsverfolgung zu erstatten, soweit der Gläubiger die Aufwendungen nach dem Umständen des Falles als notwendig ansehen durfte.
Der Anspruch ist aber in mehrfacher Hinsicht begrenzt: Aufgrund der Schadensminderungspflicht des Gläubigers (§ 254 Abs.2 BGB) ist der Anspruch der Höhe nach auf den nicht anrechnungsfähigen Teil der Gebühren beschränkt, die ein Anwalt für die Betreibung der Forderung hätte verlangen dürfen, in der Regel also auf 0,65 Gebühren nach Teil 2 Abschnitt 4 VV 2400 oder 2402 RVG.
In den Fällen, in denen der Gläubiger nicht davon ausgehen durfte, die Forderung werde ohne Einschaltung der Gerichte beigetrieben werden können, sind weder Rechtsanwaltskosten noch Inkassokosten in der zuvor genannten Höhe erstattungsfähig; auch dies ergibt sich aus der Schadensminderungspflicht des Gläubigers (§ 254 Abs. 2 BGB). Denn der Gläubiger ist gehalten, unter mehreren Möglichkeiten, eine Forderung geltend zu machen, die kostengünstigste zu wählen. Vom Gläubiger ist unter solchen Umständen zu verlangen, dass er seine Forderung sofort im Mahnverfahren oder klageweise beitreibt (OLG Oldenburg,Urteil vom 24.04.2006, 11 U 8/6, m.w.N.).
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