Amtsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 22.01.2014 – 57 C 7154/13

In dem Rechtsstreit
Universal Music GmbH gegen XXX

Das Gericht weist daraufhin, dass es Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit hat und erwägt, den Rechtsstreit an das Wohnorturheberrechtsgericht der Beklagtenseite zu verweisen.

Nach tradierter Rechtsprechung ergibt sich aus § 32 ZPO bei Urheberrechtsverletzungen im Internet ein sogenannter fliegender Gerichtsstand, der daraus folgt, dass sämtliche Gerichte zuständig sein sollen, an deren Ort der als urheberrechtswidrig beanstandete Medieninhalt bestimmungsgemäß zugänglich war (so etwa LG Frankfurt NJOZ 2012, 2124 mwN).

Für den Fall von Rechtsverletzungen im Bereich des Filesharing ergibt sich aus neuerer Zeit jedoch instanzgerichtliche Rechtsprechung, die den fliegenden Gerichtsstand des § 32 ZPO als rechtsmissbräuchlich ansieht und eine Zuständigkeit am Wohnsitzgericht des Beklagten sieht (so ist mit dieser Begründung ein Verfahren eines Berliner Amtsgerichts nach Düsseldorf abgegeben werden; siehe auch AG Köln 137 C 99/13; abrufbar unter www.nrwe.de und AG Bielefeld, Beschl. V. 15.08.2013, Az. 42 C 76/13; AG Köln, Beschl. v. 07.10.2013, Az. 125 C 359/13).

Für eine solch einschränkende Auslegung sprechen weiter die prozessualen Folgen der Morpheus-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2013, 1441). Die Entwicklung im Bereich der Filesharing-Zivilverfahren seit dieser Entscheidung zeigt, dass die Klägerseite vielfach dazu übergeht den Beweis der Täterschaft des Anschlussinhabers dadurch führen zu wollen, dass die Mitnutzer als Zeugen dafür angeboten werden, selbst kein Filesharing betrieben zu haben, was im Umkehrschluss auf die Täterschaft des Anschlussinhabers schließen lässt. Weiter zeigt sich im Falle des Vorhandenseins jugendlicher Mitnutzer des Anschlusses eine Tendenz der Klägerseite eine ordnungsgemäße Belehrung durch die Eltern zu bestreiten, was im Hinblick auf § 831 Abs. 1 S.2 BGB zur Folge hat, dass die beklagten Eltern entsprechend beweispflichtig für die Beachtung ihrer Aufsichtspflicht sind und hierzu ihre nach ihrer Darstellung belehrten Kinder als Zeugen anbieten sowie ergänzend sich selbst im Rahmen der Parteivemehmung nach § 448 ZPO. Da das Ergebnis dieser Beweisaufnahme in den meisten Fällen zentral für das Ergebnis des Prozesses ist, lässt die Pflicht des Gerichts zur ordnungsgemäßen Sachaufklärung es in der Regel nicht zu, diese Beweisaufnahmen durch ein ersuchtes Gericht am Wohnort des Anschlussinhabers durchzuführen, sondern es bedarf der umfangreichen Beweisaufnahme durch das entscheidende Gericht. Da die hier in Betracht kommenden Zeugen in aller Regel in häuslicher Gemeinschaft mit dem beklagten Anschlussinhaber wohnen, ist bei Annahme eines fliegenden Gerichtsstands mit einer solchen Zeugenvernehmung eine Anreise von mehreren Stunden verbunden, ferner wird sich vielfach die Notwendigkeit einer Hotelübemachtung ergeben. Bedingt nicht nur durch die damit verbundenen Kosten, sondern auch dem damit verbundenen Aufwand — insbeiondere auch vor dem Hintergrund der Schulpflicht der oft jugendlichen Zeugen — stellt eine Beweisaufnahme, die ohne jedweden besonderen Bezug der Sache zum Gericht fernab vom Wohnsitz des Anschlussinhabers stattfindet, eine erhebliche physische und psychische Belastung des Anschlussinhabers und seiner Familie dar, der die Rechtsverteidigungsmöglichkeit erheblich einschränkt, der auf der anderen Seite keine Vorteile der Klägerseite gegenüberstehen. Die Klägerseite hat ihren Sitz in Berlin, die beauftrage Anwaltskanzlei in Hamburg, ein nachvollziehbarer Grund in Düsseldorf zu klagen, ist nicht ersichtlich.

Für die einschränkende Auslegung des § 32 ZPO spricht weiter der neu eingeführte § 104a UrhG, der den Gerichtsstand auf den Wohnsitz des Verbrauchers festlegt. Zwar kann dieses Gesetz wegen § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO noch nicht angewendet werden, jedoch hat die durch den Entwurf erkennbare Meinung des Gesetzgebers, dass die Anwendung des fliegenden Gerichtsstands gegenüber einem Verbraucher nicht nur keine Anwendung mehr finden soll, sondern gemäß Gesetzesüberschrift sogar als unseriöse Geschäftspraxis abgewertet wird, bereits Einfluss auf die Auslegung geltender gesetzlicher Vorschriften. Als zeitliche Grenze für die Annahme der Nichtzuständigkeit ist die Einbringung der Stellungnahme der Ausschüsse des Bundesrates zum Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 23.04.2013 anzusehen, aus der sich der Entwurf von § 104a UrhG ergibt, da sich hierdurch die Argumente gegen einen fliegenden Gerichtsstand letztlich soweit verfestigt haben, dass es gerechtfertigt erscheint, von der bisher herrschenden Rechtsprechung abzuweichen. Für den Zeitpunkt der Anwendung von § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ist nach vorangegangenem Mahnverfahren stets und unabhängig davon, ob die Zahlung der weiteren Gerichtskosten alsbald erfolgt ist oder nicht, auf den Zeitpunkt des Eingangs beim Prozessgericht abzustellen (BayObLG NJW-RR 1995, 635). Dies ist hier der 17.05.2013.

Gelegenheit zur Stellungnahme / Beantragung der Verweisung besteht binnen 2 Wochen.

Düsseldorf, 22.01.2014
Amtsgericht
Schreiber
Richter am Amtsgericht

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