BGH, Urteil vom 26.09.2013 – IX ZR 51/13

Leitsatz des Gerichts:

Lehnt der Rechtsanwalt aufgrund der von ihm auftragsgemäß vorzunehmenden, inhaltlich zutreffenden Rechtsprüfung die Begründung einer Berufung, die nach Kündigung des Mandats durch den Mandanten von einem anderen Anwalt vorgenommen wird, ab, verliert er nicht seinen Vergütungsanspruch.

Aus den Gründen:

„Dem Kläger stehen die geltend gemachten Gebühren für die Vertretung im Berufungsrechtszug gemäß § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Ein Fortfall des Vergütungsanspruchs nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB scheidet aus.

2. Die Bestimmung des § 628 Abs. 1 BGB regelt die Frage, in welchem Umfang dem Anwalt nach der außerordentlichen Kündigung gemäß § 627 BGB Honoraransprüche gegen seinen Mandanten zustehen. Danach kann der Dienstverpflichtete grundsätzlich einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen (§ 628 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies würde hier bedeuten, dass dem Kläger die bereits mit der Berufungseinlegung angefallenen Gebühren in voller Höhe verblieben (§§ 2, 13 RVG, Nr. 3200 VV). Hat der Dienstverpflichtete aber durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Auftraggebers veranlasst, so steht ihm nach der Vorschrift des § 628 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB, die durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht ausgeschlossen wird (BGH, Urteil vom 29. September 2011 – IX ZR 170/10, WM 2011, 2110 Rn. 13; vgl. ferner BGH, Urteil vom 7. Oktober 1976 – III ZR 110/74, WM 1977, 369, 371; vom 8. Oktober 1981 – III ZR 190/79, NJW 1982, 437, 438 jeweils zur Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung), ein Anspruch auf die Vergütung nicht zu, soweit seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse mehr haben. Die Voraussetzungen dieser Einwendung hat der Auftraggeber darzulegen und zu beweisen (BGH, Urteil vom 8. Oktober 1981, aaO; vom 30. März 1995 – IX ZR 182/94, WM 1995, 1288, 1289; vom 29. März 2011 – VI ZR 133/10, NJW 2011, 1674 Rn. 12). Dies ist dem Beklagten nicht gelungen.

3. Ein vertragswidriges, die Kündigung des Vertragspartners veranlassendes Verhalten im Sinne des § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt eine schuldhafte Verletzung einer Vertragspflicht voraus (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1976, aaO; vom 8. Oktober 1981, aaO; vom 7. Juni 1984 – III ZR 37/83, NJW 1985, 41; vom 30. März 1995, aaO; vom 29. März 2011, aaO Rn. 13; MünchKomm-BGB/Henssler, 6. Aufl., § 628 Rn. 17). Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist dem Kläger eine solche Vertragsverletzung nicht vorzuwerfen.

a) Der Hinweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die daran anknüpfende Empfehlung, das Rechtsmittel zurückzunehmen, sind nicht zu beanstanden. Der Hinweis entsprach der Prozesslage, wovon auch die Revisionserwiderung ausgeht, und die Empfehlung diente der Kostenminderung im Interesse des Beklagten. Hiermit kam der Kläger seinen mandatsbezogenen Verpflichtungen nach, zumal er einen ausdrücklichen Prüfauftrag erhalten hatte (vgl. Vill in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 704). Der Anwalt hat von der Durchführung eines erfolglosen Rechtsmittels ebenso abzuraten, wie von der Führung eines von vorneherein aussichtslosen Rechtsstreits (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 1958 – IV ZB 44/58, MDR 1958, 496, 497; Urteil vom 17. April 1986 – IX ZR 200/85, BGHZ 97, 372, 376; Vollkommer/Greger/ Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 3. Aufl., § 14 Rn. 9).“

Vorinstanzen:
AG Aachen, Entscheidung vom 10.05.2012 – 117 C 380/11 –
LG Aachen, Entscheidung vom 18.01.2013 – 6 S 101/12 –

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