Indizien, die auf einen gestellten Verkehrsunfall schließen lassen

In der Rechtsprechung sind Indizien aufgestellt worden, die darauf hindeuten, dass ein Verkehrsunfall nicht im eigentlichen Sinne stattgefunden haben soll, nämlich um ein zufälliges und nicht beabsichtigtes Ereignis.

Zwar trifft den auf Schadensersatz in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherer des Schädigers die Beweislast dafür, dass es sich um einen vorgetäuschten Unfall handelt. Allerdings kann der Nachweis, dass es sich um einen verabredeten Unfall handelt, auch im Wege des Indizienbeweises erbracht werden

Brandenburgisches Oberlandesgericht, VerkMitt 2008, Nr. 57.

Dazu reicht es aus, Indiztatsachen festzustellen, die bei lebensnaher Betrachtung auf ein kollusives Zusammenwirken beider beteiligten Fahrzeugführer hinweisen, weil die Anzahl und die Gewichtung der Indiztatsachen ein Geschehensbild ergeben, das für betrügerische Unfallmani­pulationen typisch ist

OLG Köln, VersR 2011, 1414.

Es ist somit eine Gesamtschau der Indiztatsachen vorzunehmen

OLG Köln, a.a.O.; OLG Stuttgart, Schaden-Praxis 2009, 137OLG Celle, OLGR Celle 2006, 273; OLG Koblenz, VersR 2006, 523; OLG Frankfurt, ZfS 2004, 501; Brandenburgisches Oberlandesgericht, a.a.O.; OLG Zweibrücken, OLGR Zweibrücken 2005, 98; OLG Hamm, NZV 2001, 374; KG, VRS 115, 285; OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013 – 19 U 78/13; OLG Koblenz NJW-RR 2006, 95, 96 [OLG Koblenz 04.10.2005 – 12 U 1114/04]; OLG Frankfurt NJW-RR 2007, 603; OLG Köln, Urt. v. 28.01.2004 – 11 U 149/01 – BeckRS 2010, 06359; OLG Köln, Urt. v. 19.07.2011 – 4 U 25/10 – BeckRS 2011, 19429.

Es kommt mithin nicht darauf an, ob die Indiztatsachen bei isolierter Betrachtung erklärbar sind.

Die Überzeugungsbildung des Gerichts setzt insoweit keine wissenschaftlich lückenlose Gewissheit voraus, es genügt vielmehr der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für ein unredliches Verhalten, wobei die Grundsätze des Anscheinsbeweises auch für die Fälle des kollusiven Zusammenwirkens anwendbar sind

vgl. BGH NJW 1978, 2154; BGH VersR 1987, 503; BGH VersR 1988, 683; BGH NJW-RR 1989, 983; OLG Köln VersR 2011, 1415; 2001, 872; Brandenburgisches Oberlandesgericht, a.a.O.; KG NZV 2006, 264 m.w.N; vgl. auch OLG Hamm Schaden-Praxis 2004, 222; OLG Köln, Urt. v. 19.07.2011 – 4 U 25/10 – BeckRS 2011, 19429.

Folgende Indiztatsachen können danach für eine Unfallmanipulation sprechen:

  • es liegt ein „Auffahrunfall“ vor (OLG Zweibrücken, OLGR Zweibrücken 2005, 98; Thüringer Oberlandesgericht, DAR 2004, 30; OLG Hamm, NZV 2001, 374);
  • es handelt sich um einen leicht zu beherrschenden Fahrvorgang der Verursacherin, den jeder „normale“ Verkehrsteilnehmer zu meistern in der Lage ist (OLG Frankfurt, NZV 2007, 313; OLG Koblenz, VersR 2006, 523; OLG Koblenz, VersR 2006, 523);
  • es liegt eine vermeintlich eindeutige Haftungslage vor (Brandenburgisches OLG, VerkMitt 2008, Nr. 57; OLG Koblenz, VersR 2006, 523; OLG Zweibrücken, OLGR Zweibrücken 2005, 98);
  • der geschilderte Fahrvorgang ist nicht plausibel erklärbar (OLG Celle, OLGR Celle 2007, 467);
  • die Kollision fand an einem abgelegenen Kollisionsort nachts statt, so dass nicht mit zufälligen Zeugen zu rechnen ist (OLG Celle, OLGR Celle 2007, 467; OLG Hamm, NZV 2001, 374; OLG Frankfurt, NZV 2007, 313);
  • beide Beteiligten geben nur eine oberflächliche Hergangsschilderung ab (OLG Hamm, NZV 2001, 374);
  • es erfolgte trotz Bekanntschaft der Beteiligten demonstrativ eine polizeiliche Unfallaufnahme, um der Kollision den Anschein eines authentischen Schadenfalles zu geben (OLG Düsseldorf, NZV 2011, 493);
  • die beteiligten Fahrzeugführer sind Bekannte und der Kollisionsort liegt weit entfernt vom Wohnort der Beteiligten;
  • die Beschädigungen passen nicht zum geschilderten Sachverhalt (OLG Köln, VersR 2011, 1415; OLG Celle, OLGR Celle 2004, 328);
  • der Schaden wird fiktiv abgerechnet (OLG Köln, VersR 2011, 1415; OLG Celle, OLGR Celle 2006, 273);
  • beim Klägerfahrzeug handelt es sich um ein hochwertiges Fahrzeug älteren Baujahres (OLG Celle, OLGR Celle 2007, 467; OLG Koblenz, VersR 2006, 523), das nur schwer verwertbar ist;
  • es wurden keine teuren Fahrzeugteile am Klägerfahrzeug (z.B. Motor, Getriebe etc.) in Mitleidenschaft gezogen (OLG Celle, OLGR Celle 2007, 467);
  • es liegt ein sofortiges Schuldanerkenntnis der Verursacherin vor (OLG Düsseldorf, NZV 2011, 493; OLG Stuttgart, Schaden-Praxis 2009, 137; OLG Celle, OLGR Celle 2004, 328);
  • beim Verursacherfahrzeug handelt es sich um ein Fahrzeug mit Vollkaskoversicherung (OLG Bremen, Urt. v. 10.10.12, Az. 1 U 18/12), so dass der Eigenschaden nicht sehr hoch ist.

Liegt eine ungewöhnliche Häufung manipulationstypischer Beweisanzeichen vor, kann dies zu einem Anscheinsbeweis zulasten des Klägers führen. Bei einer auffälligen Häufung manipulationstypischer Indizien wird der Anscheinsbeweis für einen gestellten Unfall auch nicht dadurch erschüttert, dass die Schäden an den beteiligten Fahrzeugen etwa kompatibel sind (OLG Bremen, VersR 2003, 1553).

Das OLG Köln hat in seinem Urteil vom 18.10.2013 – 19 U 78/13 weitere folgende Indizien angeführt:

  • vier Unfälle desselben Fahrzeugfahrers im zeitlichen Abstand von nur wenigen Monaten in räumlich begrenztem Umfang
  •  Leichte Auffahr- bzw. Ein- oder Ausparkunfälle ohne Personenschäden und ohne unmittelbare Zeugen, obwohl sich die Unfälle am hellen Tag und an belebten Stellen ereignet haben. Obwohl die Verursacherlage offenbar eindeutig war, ist die Polizei gerufen worden;
  •  Allen Unfällen gemeinsam ist, dass die am Unfall beteiligten, beschädigten Fahrzeuge im Vergleich zum Schädigerfahrzeug höherwertig sind;
  • Zum Unfallgeschehen und zum Randgeschehen wurde nicht nachvollziehbar vorzutragen. Zudem waren alle anderen Angaben zum Unfallgeschehen vage und widersprüchlich ;
  •  Keine vollständige Kompatibilität der Unfallschäden;

Nach einer Entscheidung des  OLG Naumburg im Urteil vom 03.04.2014 – 4 U 59/13 sprechen hingegen folgende Indiztatsachen gegen eine Unfallmanipulation:

  • Der Unfall fand nicht an einem abgelegenen Ort und nicht, wie recht häufig bei gestellten Unfällen anzutreffen, nachts oder in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden statt, sondern am späten Vormittag auf einem belebten Parkplatz vor einem Einkaufszentrum. Insoweit führte das Gericht aus: Bei einem betrügerischen Vorgehen entspricht es stattdessen für gewöhnlich eher dem Bestreben der Schadensverursacher, durch Wahl eines wenig frequentierten Ortes und einer ungewöhnlichen Uhrzeit das Risiko, unliebsamen Zeugen zu begegnen, denen der inszenierte Parkunfall als nicht echt, gewollt oder zumindest als ungewöhnlich auffallen könnte, möglichst zu minimieren.
  • Das Unfallgeschehen erscheint vom Schadensbild und Verlauf her völlig plausibel und es weist keine irgendwie gearteten Auffälligkeiten in Richtung einer Manipulation auf. Das Gericht führt hierzu aus: So waren die beiden Fahrzeuge nach dem Unfall nicht bewegt worden und befanden sich immer noch im direkten Kontakt miteinander, als die beiden Polizeibeamten Me. und M. vor Ort eintrafen.
  • Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es vor oder nach dem Geschehen zu einer Häufung von Verkehrsunfällen unter Mitwirkung des Klägers oder des Beklagten oder unter Beteiligung der beiden betroffenen Fahrzeuge gekommen wäre. Auch sonstige in der Person der Unfallbeteiligten liegende Auffälligkeiten, wie etwa einschlägige Vorstrafen wegen Vermögens- oder Aussagedelikten oder schlechte wirtschaftliche Verhältnisse als mögliches Motiv für eine Manipulation sind nicht zutage getreten.
  • Zudem hatte der Geschädigte sein Fahrzeug nicht bereits kurze Zeit nach dem Unfall durch Verkauf entledigt, um auf diese Weise eine unliebsame Begutachtung des Fahrzeugs ausschließen zu können. Das Gericht führt hierzu aus: Im Gegenteil ist zu konstatieren, dass der Kläger, bevor er sein Fahrzeug schließlich nach fast einem halben Jahr wegen der einerseits recht hohen Reparaturkosten und der andererseits ausstehenden Regulierung der Beklagten zu 2 veräußerte, dieses zuvor noch deren Sachverständigen S. für eine Besichtigung zur Verfügung gestellt hatte, was ebenfalls darauf hindeutet, dass er aus seiner Sicht nichts zu verbergen hatte, sondern vielmehr an einer schnellen und objektiven Aufklärung des Unfallgeschehens interessiert gewesen war.

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