LG Bremen, Urteil vom 03.11.2014 – 4- 0- 663/13

Geschäfts-Nr. 4- 0- 663/13 verkündet am 3. November 2014

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in Sachen

Enterprise Autovermietungs Deutschland GmbH, Mergenthaler Allee 35-37, 65760 Eschborn
vertreten durch den Geschäftsführer …
Klägerin

Prozessbevollm.: Rechtsanwälte K. & S., Gelsenkirchen

gegen

…, Bremen
Beklagten

Prozessbevollm.: Rechtsanwälte Beier & Beier, Gröpelinger Heerstr. 387, 28239 Bremen
AZ d. Proz.-Bev.: H/2013/059

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2014 durch den Richter
Richter am Landgericht Dr. S.
als Einzelrichter

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem behaupteten Mietvertrag zwischen den Parteien.

Die Klägerin betreibt eitle gewerbliche Autovermietung. Der Beklagte war bei der inzwischen insolvent gewordenen G. I. Group GmbH beschäftigt. Der Beklagte begab sich in die Geschäftsräume der Klägerin und unterschrieb dort einen Mietvertrag für einen Pkw Opel, amtliche Kennzeichen … Dieses Fahrzeug wurde schließlich in einen Pkw BMW 320d Automatik mit dem amtlichen Kennzeichen … eingetauscht.

Der Mietvertrag enthält in der oberen Spalte die Angabe:

„Rechnung an X G. I. Group GmbH“

Das „X“ wurde in ein dafür vorgesehenes Kästchen gesetzt.

Oberhalb der Angabe „G. I. Group GmbH“ steht „Mieter/Unternehmen

Der Mietvertrag wurde in der Spalte „Mieter“ vom Beklagten unterschrieben.

Unter „Zusätzliche Informationen/E-Mail-Adresse für E-Mails-Specials“ heißt es:

„Der Mieter haftet persönlich für Verkehrsverstöße, bei Verstößen können bis zu 25,- € Bearbeitungsgebühren extra anfallen (…)“

In Ziffer 1.2. der weiteren Mietbedingungen heißt es:

„Zur Benutzung des Mietwagens sind nur die im Mietvertrag genannten Fahrer berechtigt.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den streitgegenständlichen Mietvertrag in der Anlage K 1 Bezug genommen.

Die G. I. Group GmbH wurde als Kundin bei der Klägerin geführt, es wurde mehrfach durch Mitarbeiter dieser Firma Fahrzeuge angemietet, die für die Firma gebraucht worden sind.

Die Rechnung für die Miete wurde von der Klägerin zunächst an die G. I. Group GmbH gesandt. Insoweit wird auf die Anlage K 5 Bezug genommen.

Dem Beklagten wurde das Fahrzeug übergeben, der es am 03.10.2012 an seinen Bruder, Herrn H. A. R., übergab, der ebenfalls bei der G. I. Group GmbH beschäftigt war. Dieser verursachte mit dem Pkw BMW am 3.10.2012 in Köln bei einem Rotlichtverstoß einen Unfall. Am Pkw sind durch den Unfall Reparaturkosten in Höhe von 17.625,77 € sowie Gutachterkosten in Höhe von 45,00 € entstanden. Diese Schäden verlangt die Klägerin nebst 25,00 € Kostenpauschale von dem Beklagten ersetzt. Darüber hinaus verlangt sie von ihm die ausstehende Miete für das Fahrzeug in Höhe von 818,25 €.

Die Klägerin meint, nicht die G. I. Group GmbH, sondern der Beklagte als Unterzeichner sei Mieter geworden.

Sie beantragt,

1. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 18.514,02 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 17.695,77 € seit dem 09.02.2013 sowie aus weiteren 818,25 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin von der Verpflichtung zur Zahlung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß der Rechnung der Rechtsanwälte K. & S vom 22.05.2013 in Höhe eines Betrages von 807,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, nicht er, sondern die G. I. Group GmbH sei Mieterin des streitgegenständlichen Pkw geworden. Zudem sei nach seiner Behauptung mit der Klägerin abgesprochen gewesen, dass die angemieteten Fahrzeuge nicht nur von dem abholenden Fahrer, sondern auch von anderen Mitarbeitern der G. I. Group GmbH gefahren werden dürften.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M. H., C. W. und S. K. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 19.05.2014 (BI. 67 d.A.) und vom 08.10.2014 (BI. 87 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen Ansprüche gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Ein solcher Anspruch auf Schadensersatz folgt nicht aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 535 BGB. Denn der Beklagte ist nicht Mietvertragspartei der Klägerin geworden. Diese rechtliche Schlussfolgerung ergibt sich aus dem objektiven Parteiwillen gemäß §§ 133, 157 BGB. Der streitgegenständliche Mietvertrag ist zwar vom Beklagten in der Spalte „Mieter“ unterzeichnet worden. Das Gericht hat aber keine Zweifel daran, dass den Parteien bewusst, und es von ihnen auch gewollt war und so gelebt wurde, dass die G. I. Group GmbH Mieterin der abgeholten Fahrzeuge werden sollte und nicht der Beklagte. Dabei kommt es auf die ausdrückliche Unterzeichnung des Beklagten als „Mieter“ nicht an. Vielmehr ist das von den Parteien Gewollte maßgeblich für den Vertragsschluss. So ergibt sich auch schon aus der oberen, schon vor der Unterzeichnung des Beklagten gemachten Angabe, dass die Rechnung an die G. I. Group GmbH „Mieter/Unternehmen“ gehen solle, ebenfalls, dass diese Mieterin sein soll. Zwar könnte durchaus auch der Schluss gezogen werden, der Rechnungsempfänger sei nicht zwingend der Mieter. Jedoch hätte dann die zusätzliche Bezeichnung „Mieter/Unternehmen“ keinen Sinn gemacht. Will man dies hier auf den Vordruck zurückführen, darf aber nicht außer Betracht gelassen werden, dass auch die Bezeichnung „Mieter“ in der Unterschriftenspalte vorgegeben war.

Zudem ist unstreitig, dass die G. I. Group GmbH Kundin der Klägerin war.

Zwar haben die Zeugen W. und K. ausgesagt, dass man bei der Klägerin zwischen Firmen- und Privatkunden unterscheiden würde und man dort an Firmenkunden keine Fahrzeuge vermiete. Diesen Aussagen kann aber kein rechtlicher Wert beigemessen werden. Denn ganz offensichtlich haben sich die Zeugen an die Unterschriftenleistung fixiert und meinen, wie die Klägerin auch, dass damit die unterzeichnende Person Mieter sein muss. Vielmehr ist aber aus der durchgeführten Beweisaufnahme deutlich geworden, dass nicht der abholende Fahrer Mieter, sondern – jedenfalls bezogen auf die G. I. Group GmbH – die dahinter stehende Firma nach dem Vertragswillen Mieterin werden sollte. Dass der abholende Mitarbeiter den Vertrag unterzeichnet ergibt sich aus der Natur der Sache, denn damit soll – woran das Gericht keine Zweifel hat – der Abholer dokumentiert werden. Die Parteien haben sich ganz offensichtlich keine Gedanken über die – möglichen – rechtlichen Folgen gemacht, wenn der Abholer als „Mieter“ unterschreibt, denn sonst hätte sich aufgedrängt, die Bezeichnung „Mieter/Unternehmer“ bei der Angabe zum Rechnungsempfänger zu streichen. Es entspricht zudem auch nicht alltäglicher Praxis, dass ein Mitarbeiter eines Unternehmens, eine Vertragsverpflichtung für sich eingehen will. Dass die Klägerin wusste, dass das angemietete Fahrzeug nicht für den Beklagten persönlich bestimmt war, ergibt sich zweifellos aus der Angabe, dass die Rechnung an die G. I. Group GmbH gehen soll. Dies hat auch der Zeuge K. bestätigt. Der Zeuge W. hat zudem angegeben, dass für die G. I. Group GmbH eine Kundennummer mit besonderen Konditionen geführt worden sei. Auch dies zeigt, dass nach dem Vertragswillen damit die Firma und nicht der Fahrer Vertragspartner sein sollte. Denn wieso sollte man sonst für eine Firma, die doch nicht Vertragspartner sein soll, Konditionen aushandeln.

Dass es an einer Vollmacht des Beklagten zur Vertretung der G. I. Group GmbH gefehlt habe, trägt die Klägerin selbst nicht vor. Von daher kommt auch keine Haftung nach § 179 Abs.1 BGB in Betracht.

Die Klägerin kann einen Schadensersatzanspruch auch nicht darauf stützen, dass der Beklagte den Pkw an seinen ebenfalls bei der G. I. Group GmbH beschäftigten Bruder weitergegeben hat, dies nach dem Vertrag aber untersagt gewesen ist. Denn diese Regelung trifft ebenfalls die G. I. Group GmbH als Vertragspartnerin, die sich ein etwaiges Verschulden des Beklagten gemäß § 278 BGB zurechnen lassen müsste. Eine unmittelbare vertragliche Ersatzpflicht des Beklagten kann daraus aber nicht hergeleitet werden.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu. Denn unstreitig hat der Beklagte das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht geführt und demnach die Rechtsgutverletzung nicht verursacht. Soweit man in der unstreitigen Weitergabe des Fahrzeuges an den ebenfalls in der G. I. Group GmbH beschäftigen Bruder des Beklagten eine Handlung sieht, die im Rahmen der Adäquanztheorie zu einer kausalen Rechtsgutverletzung und diese wiederum zu einem kausalen Schaden geführt hat, so hat der Beklagte jedenfalls die im Rahmen des Erfolgsunrechts vermutete Rechtswidrigkeit widerlegt. Denn zu Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die Weitergabe des Pkw an Mitarbeitern innerhalb der G. I. Group GmbH erlaubt war. Dies war zwar vertraglich untersagt. Wenn aber -wie hier – die G. I. Group GmbH als juristische Person Vertragspartnerin war, und auch verschiedene Mitarbeiter Fahrzeuge für diese Firma angemietet haben, dann liegt es fern, dass sich nach dem Vertragswillen, die Benutzung des Fahrzeuges nur auf den abholenden Mitarbeiter beschränken sollte. Denn für die Klägerin muss klar gewesen sein, dass die G. I. Group GmbH als Vertragspartnerin auf die flexible Nutzung ihrer Mitarbeiter angewiesen war. Letztendlich würde bei einer unterstellten Rechtswidrigkeit auch der an sich vorhandene kausale Schaden, wegen Unterbrechung des Kausalverlaufes, entfallen und es damit auch an der Haftung des Beklagten fehlen. Adäquatkausal ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnliche Lauf der Dinge außer Acht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der fraglichen Art herbeizuführen. Die Adäquanz kann fehlen, wenn ein Dritter in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt. Voraussetzung der Ursachenzurechnung ist, dass der Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden bei natürlicher Betrachtungsweise bei der Erstursache verbleibt und die Zweitursache im Hinblick auf den eingetretenen Schaden nicht so stark in den Vordergrund tritt, dass die Erstursache vollständig verdrängt wird. Indem der Bruder des Beklagten den Unfall herbeigeführt hat, liegt allein hierin die vorwerfbare Ursache, die die Erstursache „Weitergabe des Fahrzeuges durch den Beklagten“ verdrängt.

Die Klägerin hat damit gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Miete gemäß § 535 Abs. 2 BGB.

Zuletzt steht der Klägerin damit auch kein Freistellungsanspruch bezogen auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 S. 2 ZPO.

gez. RLG Dr. S.

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