LG Verden, Urteil vom 26.09.2018 – 5 O 220/17

Im Namen des Volkes!
Urteil
In dem Rechtsstreit

des Herrn D. D., Bremen,
Kläger

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. B. & B., Bremen,

gegen

XXX, Inhaber …, Ritterhude,
Beklagte

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. Beier pp., Gröpelinger Heerstr. 387, 28239 Bremen,

wegen Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden auf die mündliche Verhandlung vom 05.09.2018 durch die Richterin am Landgericht Kopischke als Einzelrichterin für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
  4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 5.282,27 €.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Rückabwicklung des am 17.02.2017 mit der Beklagten geschlossenen Pkw-Kaufvertrages.

Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 17.02.2017 einen gebrauchten Ford Focus CMax, Erstzulassung: 08/2006, Km-Stand: 189.000, Fahrzeug-Identitätsnummer: WF…………., zum Kaufpreis von 3.998,- € von der Beklagten. Der Kläger leistete den Kaufpreis durch Inzahlunggabe seines alten Ford Mondeo zum Preis von 1.900,- € sowie Barzahlung von 2.098,- € am 21.02.2017. Zum Verkaufszeitpunkt hatte der Pkw noch Rest-TÜV bis Juli 2017. In dem Verkaufsinserat auf der Internetplattform „Autoscout24.de“ hieß es u.a. „Top Zustand, TÜV auf Wunsch neu“. Nach Kauf lies der Kläger diverse Arbeiten an dem Fahrzeug durchführen. Am 03.07.3017 stellte der Kläger das Fahrzeug zur Hauptuntersuchung vor; die Prüfplakette wurde nicht erteilt. Im Rahmen der Hauptuntersuchung wurden die folgenden Mängel festgestellt: Lenkhilfe Funktion mangelhaft, Lenkhilfe Funktion eingeschränkt bei niedriger Motordrehzahl, Abblendlicht links und rechts Einstellung zu niedrig, Längslenker 2. Achse links und rechts Gummilagerung beschädigt, Zug-/Druckstrebe 2. Achse links und rechts Gummilagerung beschädigt, Schwingungsdämpfer 2. Achse rechts undicht, Umweltbelastung: Getriebe undicht – Ölverlust mit Abtropfen. Die Beklagte ist mit Anwaltsschreiben vom 07.07.2017 unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden. Die Beklagte lehnte dies mit eMail vom 11.07.2017 ab, woraufhin der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 25.07.2017 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärte. Der Kläger begehrt neben der Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 3.998,- € die Erstattung der von ihm getätigten Verwendungen in Höhe von insgesamt 1.464,36 € (Anmeldekosten: 170,- €, neue Reifen: 297,76 €, Erneuerung von Bremsklötzen und Stoßdämpfern: 512,44 €, Erneuerung von Querlenkbuchse und Batterie sowie Achsvermessung: 399,17 €, nicht bestandene Hauptuntersuchung: 84,99 €). Er rechnet sich einen Gebrauchsvorteil in Höhe von 180,- € an.

Der Kläger behauptet, dass das Fahrzeug vor Vertragsabschluss nicht habe Probe gefahren werden können, da die Batterie leer gewesen und das Fahrzeug zudem völlig eingeparkt gewesen sei. Vor diesem Hintergrund habe er zusammen mit seiner Frau, der Zeugin D., lediglich eine kurze Sichtkontrolle von außen und innen vorgenommen. Etwaige Mängel des Fahrzeugs seien ihm weder selbst aufgefallen noch von der Beklagten mitgeteilt worden. Seitens der Beklagten sei ihm zudem geraten worden, die Hauptuntersuchung erst zu einem späteren Zeitpunkt durchführen zu lassen, um die Monate des Rest-TÜVs nicht verfallen zu lassen. Etwa 10 Tage nach Vertragsschluss habe er das Fahrzeug der Firma … vorgestellt, dort sei ihm mitgeteilt worden, dass die Reifen innen abgefahren seien und auch die Bremsklötze, Stoßdämpfer und Querlenkbuchse gemacht werden müssten. Die sodann im Rahmen der Hauptuntersuchung festgestellten Mängel an der Servolenkung und der Längslenkerbuchse stünden in keinerlei Zusammenhang mit den Reparaturarbeiten der von der Firma … festgestellten Mängel. Der Kläger meint, dass der streitgegenständliche Pkw schon zum Erwerbszeitpunkt mangelhaft gewesen sei und die Beseitigung der vorhandenen Mängel voraussichtlich Kosten in Höhe von 2.094,79 € netto verursachen würde. Er ist zudem der Auffassung, dass er aufgrund der Fahrzeugbeschreibung in der Verkaufsanzeige davon habe ausgehen dürfen, dass sich das Fahrzeug in einem solchen Zustand befindet, dass die Hauptuntersuchung ohne Beanstandungen durchgeführt werden kann.

Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 5.282,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 05.08.2017 Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Pkw Ford Focus C-Max, Fahrzeug-Identitätsnummer: WF………….., zu zahlen,
  2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Verzug befindet.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass der Kläger das Fahrzeug Vorvertragsabschluss ausführlich untersucht und dabei u.a. festgestellt habe, dass die Bremsklötze bald erneuert werden müssten, die Reifen kein volles Profil mehr hätten, etwas mit der Lenkung nicht stimme und die Stoßdämpfer nicht ganz in Ordnung wären. Es sei sich dann dahingehend verständigt worden, dass das Fahrzeug des Klägers für einen guten Preis in Zahlung genommen werden würde und der Kläger die von ihm festgestellten Verschleißerscheinungen auf seine Kosten würde beseitigen lassen. Entsprechend sei das Fahrzeug des Klägers dann auch deutlich über Wert in Zahlung genommen worden.

Zudem habe der Kläger nicht gewollt, dass der Wagen vor Vertragsschluss noch dem TÜV vorgestellt werde. Dies habe er selber nach Erneuerung der Verschleißteile tun wollen. Entsprechend habe der Kläger nach Vertragsabschluss dann auch die erforderlichen Reparaturarbeiten auf seine Kosten durchführen lassen. Etwaige zum Zeitpunkt der Hauptuntersuchung an der Lenkung und den Schwingungsdämpfern vorhandene Mängel seien allein auf unsachgemäße Reparaturarbeiten seitens des Klägers zurückzuführen. Ein Ölverlust habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht Vorgelegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch informatorische Befragung des Klägers und des Geschäftsführers der Beklagten, Vernehmung der Zeugin D. sowie Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.02.2018 (Bl. 62 – 69 d.A.) sowie die schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen Herrn Dipl.-Ing. W. D. vom 15.06.2018 (lose bei den Akten liegend) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Rückabwicklung des geschlossenen Pkw-Kaufvertrages. Ein derartiger Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 440, 323, 326 BGB.

1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer nicht hinreichend sicher davon überzeugt, dass es sich bei den vom Kläger bemängelten Beeinträchtigungen des Fahrzeuges tatsächlich um Mängel im technischen Sinne handelt, welche den Kläger zum Rücktritt berechtigen würden.

a) Der Sachverständige Herr Dipl.-Ing. D. hat zwar in seinem schriftlichen Gutachten vom 15.06.2018 ausgeführt, dass die Lenkhilfe-Funktion des Pkw Ford C-Max des Klägers mangelhaft ist, da die Funktion bei niedriger Motordrehzahl und betriebswarmen Servolenköl deutlich eingeschränkt ist. Zudem ist das Abblendlicht sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite zu niedrig eingestellt. Ferner sind sowohl die Gummilagerung der Längslenker der 2. Ache links und rechts von der Außenlagerhülse abgerissen und somit beschädigt als auch die Gummilagerung der Zug-/Druckstreben der 2. Achse links und rechts beschädigt, so dass sich die Zug-/Druckstrebe verdreht hat und nunmehr an dem Achslenker anliegt und dort entlangschrammt. Darüber hinaus weist das Getriebe einen Ölverlust mit Abtropfen auf, der auf einen undichten Simmering des Getriebes am Ausgang zur rechten Achswelle zurückzuführen ist.

Lediglich der Schwingungsdämpfer der 2. Achse rechts war zum Besichtigungszeitpunkt nicht mehr undicht, was auf den Umstand zurückzuführen ist, dass dieser zwischenzeitlich erneuert worden ist. Zudem geht der Sachverständige davon aus, dass diese Beeinträchtigungen bereits zum Zeitpunkt des Gefahrüberganges am 17.02.2017 Vorgelegen haben, da zwischen Gefahrübergang und Vorstellung zur Hauptuntersuchung lediglich 4.270 km mit dem Fahrzeug zurückgelegt worden sind und ausgeschlossen werden kann, dass die Beeinträchtigungen durch die seitens des Klägers veranlassten Arbeiten entstanden sind.

Allerdings hat der Sachverständige ebenfalls ausgeführt, dass es sich bei den vorhandenen Beeinträchtigungen um einen Verschleiß handelt, der im Hinblick auf das Alter und die Laufleistung des Fahrzeugs auftreten kann und auch auftritt.

b) Die Kammer hat sich die versierten Ausführungen des Sachverständigen nach kritischer Würdigung zu eigen gemacht. Die Ausführungen waren in sich schlüssig und auch für einen technischen Laien gut nachvollziehbar. Die Kammer hat zudem keinen Anlass an der Fachkunde des Sachverständigen zu zweifeln; dies gilt umso mehr als dass das Gutachten von keiner der Parteien angegriffen worden ist.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass es sich bei den vom Kläger bemängelten Beeinträchtigungen des Fahrzeugs um im Hinblick auf Alter und Laufleistung typische Verschleißerscheinungen und somit keine zum Rücktritt berechtigende Mängel des Fahrzeugs handelt.

c) An der Bewertung der vorhandenen Beeinträchtigungen als normale Verschleißerscheinungen ändert auch der Umstand nichts, dass das Fahrzeug in der Internetverkaufsanzeige als in einem „Top Zustand“ mit der Möglichkeit zu einem „neuen TÜV“ beworben worden ist.

Zum einen ist das Fahrzeug ausweislich des schriftlichen Kaufvertrages lediglich mit dem noch vorhandenen Rest-TÜV und dem Hinweis „Service beachten“ verkauft worden; mithin ist es bereits nicht zu einer wirksamen Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend gekommen, dass sich das Fahrzeug in einem derartigen Zustand befindet, dass es die Hauptuntersuchung ohne Mängel besteht.

Zum anderen hat der Kläger das Fahrzeug auch in dem Bewusstsein erworben, dass es aufgrund von Alter und Laufleistung durchaus zu Verschleißerscheinungen kommen kann und bewusst auf die Erneuerung der Hauptuntersuchung verzichtet.

Im Rahmen seiner informatorischen Befragung hat der Kläger insofern angegeben, dass er als bereits einen Tag nach der Übergabe des Fahrzeugs ein Problem mit der Batterie aufgetreten ist, davon ausgegangen sei, dass ein Auto mit einem gewissen Alter und einer gewissen Laufleistung durchaus einen normalen Verschleiß aufweist, den man dann entsprechend auf eigene Kosten reparieren lassen muss.

Dass der Kläger insofern keine genaue Vorstellung davon gehabt hat, welche typischen Verschleißerscheinungen das Fahrzeug aufweist, ist unschädlich. Entscheidend ist, dass er das Fahrzeug in dem Bewusstsein erworben hat, dass Verschleißerscheinungen möglich sind.

Hinzukommt, dass die Ehefrau des Klägers, die Zeugin D., bekundet hat, dass sie ihren Mann, den Kläger, nach Besichtigung des Fahrzeugs unmittelbar vor Kaufvertragsabschluss ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass er darauf achten solle, dass das Auto TÜV hat, woraufhin der Kläger ihr gegenüber angegeben habe, dass ein halbes Jahr verschenkt werden würde, wenn die Hauptuntersuchung bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erneuert werden würde.

Die Kammer hat keinen Anlass an dem Wahrheitsgehalt der Angaben der Zeugin D. zu zweifeln. Zwar ist sie die Ehefrau des Klägers und kann somit durchaus auch ein eigenes Interesse am Prozessausgang haben, jedoch wurden sämtliche Fragen der Kammer ohne etwaige Entlastungs- und Belastungstendenzen und zudem in sich schlüssig und plausibel beantwortet. Hinzukommt, dass die Zeugin auch Angaben zum Nachteil ihres Mannes getätigt hat, so dass die Kammer die Ausführungen insgesamt als wahrheitsgetreu bewertet.

Mithin hat der Kläger bewusst auf die Erneuerung der Hauptuntersuchung verzichtet und ist somit das Risiko eingegangen, dass das Fahrzeug dem Alter und der Laufleistung entsprechende Verschleißerscheinungen aufweisen kann, welche ihm als Laien im Rahmen der durchgeführten Sichtkontrolle nicht auffallen müssen.

Mangels Rücktrittsgrund fehlt es an einem wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag, so dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs nicht in Annahmeverzug befunden hat.

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III.

Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 48 Abs. 1 GKG iVm §§ 3, 4, 5 ZPO.

 

Siehe auch den Hinweisbeschluss des OLG Celle vom 09.01.2019 – 7 U 385/18