OLG Bremen, Beschluss vom 27.12.2012 – 4 WF 162/12

Geschäftszeichen: 4 WF 162/12 = 61 F 1207/09 AG Bremen

Beschluss
In der Familiensache

T. V., Bremen,
Antragstellerin,

Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin A., Bremen,

gegen

H. V., Bremen,
Antragsgegner,

Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Beier & Beier, Oslebshauser Heerstr. 20, 28239 Bremen, Geschäftszeichen: H/2012/031

hat der 4. Zivilsenat – Senat für Familiensachen – des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. R. als Einzelrichterin am 27.12.2012 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts — Familiengericht – Bremen vom 24.10.2012 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Antragstellerin hat für das Scheidungsverfahren (Geschäftsnummer 61 F 1207/09), das sie durch ihren Antrag vom 08.04.2009 beim Amtsgericht – Familiengericht -Bremen anhängig gemacht hat, Verfahrenskostenhilfe beantragt. Mit Beschluss vom 24.10.2012 hat das Amtsgericht Bremen der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe für das Scheidungsverfahren einschließlich der Folgesachen bewilligt und ihr Rechtsanwältin von F. beigeordnet. Zudem hat es ihr auferlegt, die von ihr zu tragenden Verfahrenskosten aus ihrem Vermögen zu zahlen, wobei diese Verpflichtung bis zum 30.06.2013 gestundet wurde. Zur Begründung hat das Amtsgericht auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 16.05.2011 (Geschäftsnummer 4 WF 67/11) verwiesen, mit dem die amtsgerichtliche Entscheidung, dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe zu gewähren, ihm die Bezahlung der Verfahrenskosten aus seinem Vermögen aufzuerlegen, diese Verpflichtung allerdings bis zum 30.06.2013 zu stunden, bestätigt worden ist.

Gegen den am 29.10.2012 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 12.11.2012 insofern Beschwerde eingelegt, als ihr auferlegt worden ist, die Verfahrenskosten aus ihrem Vermögen zu tragen. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 und 5 FGG-RG das seit dem 01.09.2009 geltende Verfahrensrecht anzuwenden, da am 31.08.2010 im ersten Rechtszug noch keine Entscheidung über den Versorgungsausgleich ergangen war.

Die statthafte (§ 113 Abs. 1 FamFG, § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO), form- und fristgerecht (§ 569 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts — Familiengericht — Bremen vom 24.10.2012 ist zulässig, aber unbegründet.

Das Amtsgericht Bremen ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin Vermögen besitzt, das sie zur Bezahlung der Verfahrenskosten einzusetzen hat. Die Antragstellerin ist Miteigentümerin mehrerer Immobilien. Ihr steht — ebenso wie dem Antragsgegner — das hälftige Miteigentum an dem freistehenden Einfamilienhaus in der X-Strasse in Bremen, an dem Reihenhaus nebst Garage in der X-Strasse in Bremen sowie an einem Ladenlokal und einer Wohnung in Aydin/Türkei zu. Dass dem Antragsgegner noch zusätzlich das Alleineigentum an einem weiteren Grundstück in der Türkei zusteht, ist nicht von Belang. Denn auch das Immobilieneigentum der Antragstellerin ist Vermögen i.S.d. § 115 Abs. 3 ZPO. Von dem zuvor aufgeführten Grundbesitz stellt allenfalls die von der Antragstellerin zusammen mit ihren Kindern bewohnte Immobilie in der X-Strasse schutzwürdiges Vermögen gemäß § 115 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII dar, das nicht zur Deckung der Verfahrenskosten eingesetzt werden muss. Dies gilt aber nicht für das Reihenhaus in der X-Strasse und für das Miteigentum an der Wohnung und dem Ladenlokal in Aydin. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 16.05.2011 (4 UF 67/11) ausgeführt hat, ist dieses Vermögen gemäß § 115 Abs. 3 ZPO für die Verfahrenskosten einzusetzen. Allein die möglichen Schwierigkeiten der zeitnahen Verwertung eines Vermögensgegenstandes führen nicht dazu, ihn als Schonvermögen zu behandeln. Vielmehr ist dann – wie hier geschehen -anzuordnen, dass der aus dem Vermögen zu zahlende Betrag gestundet wird (vgl. Hans. OLG Bremen, FamRZ 2011, 386 m.w.N.).

Die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung vertretene Rechtsansicht, ihr sei die Vermögensverwertung unzumutbar, wird nicht geteilt.

Die von der Antragstellerin zur Untermauerung ihrer Rechtsauffassung angeführte Entscheidung des BGH vom 29.10.2003 (FamRZ 2004, 177) liegt bereits deshalb neben der Sache, weil es darin um die Frage geht, ob eine noch nicht fällige Festgeldanlage und eine Regressforderung gegen einen ehemaligen, zahlungsunwilligen Lebensgefährten Vermögenswerte i.S.d. § 115 ZPO darstellen.

Im vorliegenden Fall geht es dagegen um Immobilienvermögen. Dass dieses im Miteigentum der Antragstellerin und des Antragsgegners steht, macht die Verwertung der Immobilien nicht unzumutbar. Vielmehr besteht auch für den Antragsgegner angesichts des Beschlusses des Amtsgerichts Bremen vom 16.12.2011, betreffend seine gestundete Verpflichtung zur Verfahrenskostentragung, die Notwendigkeit, die Immobilien binnen gleicher Frist zu verwerten. Es ist also kein Grund dafür ersichtlich, aus dem die Antragstellerin die Mitwirkung des Antragsgegners an der Veräußerung der Immobilien „als völlig ausgeschlossen“ bezeichnet. Insbesondere hat sie nicht vorgetragen, dass der freihändige Verkauf der Immobilien von den Miteigentümern in der Vergangenheit überhaupt versucht worden ist. Erst wenn ein derartiger Versuch  gescheitert wäre, müsste ein gerichtliches Verfahren zur Aufhebung der Gemeinschaft betrieben werden (§ 753 BGB). Ein solches ist hinsichtlich der Immobilie in der X-Strasse bereits seit über 2 Jahren anhängig. Weshalb die Versteigerung bisher noch nicht stattgefunden hat, ist den Ausführungen der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift nicht klar zu entnehmen. Es ist nicht verständlich, weshalb die Herabsetzung der eingetragenen Grundschuld nach Auffissung der Antragstellerin mit Zustimmung des Antragsgegners zwingend vor einer Versteigerung vorgenommen werden muss. Es lässt sich weder aus den von der Antragstellerin noch aus den vom Antragsgegner vorgelegten Unterlagen, die zudem überwiegend aus den Jahren 2008 und 2009 stammen, entnehmen, in welcher Höhe eine auf der Immobilie lastende Grundschuld noch valutiert, was für einen Käufer allein entscheidend sein dürfte. Die Mutmaßung der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift, es werde voraussichtlich kein Übererlös aus der Teilungsversteigerung verbleiben, ist somit auch nicht belegt. Im Übrigen ist den Miteigentümern ohne weiteres eine freihändige Veräußerung der Immobilie weiterhin zumutbar, zumal sich hierdurch angesichts steigender Immobilienpreise ein höherer Erlös erzielen lassen dürfte. Dieser wäre allerdings genauso wenig geschützt wie der Erlös aus einer Zwangsversteigerung (vgl. Hans. OLG Bremen, FamRZ 2009, 628).

Der Vortrag der Antragstellerin zu dem Wert der unbelasteten Immobilien in der Aydin ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Hier fehlen schon nähere Angaben über die Größe und das Alter der Immobilie. Der Antragsgegner hat den Wert des Ladenlokals und der Wohnung mit jeweils 20.000 € angegeben. Die Antragstellerin behauptet nun, die gesamte Immobilie sei allenfalls 300 € wert. Diese Wertdifferenz kann nicht plausibel damit erklärt werden, dass der Antragsgegner eine „völlig illusorische“ Schätzung abgegeben habe. Es handelt sich immerhin um Grundbesitz in einer mittelgroßen Stadt unweit der Ägäis und der Großstadt lzmir. Dass ein Ladenlokal und eine Wohnung in einer nicht unattraktiven geographischen Lage in der Türkei für 300 € zu kaufen ist, hält der Senat, der sich auch das Immobilienangebot für die Region im Internet angesehen hat, für gänzlich unglaubhaft. Ein langwieriges gerichtliches Teilungsverfahren in der Türkei scheint bezüglich dieser Immobilie angesichts der auch für den Antragsgegner bestehenden Verpflichtung, die Verfahrenskosten ab dem 01.07.2013 aus seinem Vermögen aufzubringen, nicht erforderlich. Dass der Antragsgegner an einem Verkauf nicht mitwirken würde, ist nicht ersichtlich. Er hat bisher nur angeführt, dass er aus finanziellen Gründen nicht in die Türkei reisen könnte und im Übrigen angesichts des Miteigentums der Antragstellerin auch diese mitkommen müsste. Diesbezüglich hat der Senat bereits in dem Beschluss vom 16.05.2011 darauf hingewiesen, dass die Veräußerung der Immobilien in der Türkei auch durch Beauftragung eines Dritten von Deutschland aus möglich sein muss. Der Antragsgegner hat jedenfalls nicht die Veräußerung der dortigen Immobilien verweigert. Nach der inzwischen erfolgten Scheidung der Beteiligten besteht hierfür zur Auseinandersetzung des Gemeinschaftseigentums an den dortigen Immobilien ohnehin eine Notwendigkeit.

Nach alldem ist auch nach dem Vortrag der Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz nichts dafür ersichtlich, dass für sie die Verwertung ihres Vermögens und dessen Einsatz für die Verfahrenskosten unzumutbar ist. Dass ihre Verpflichtung zur Tragung der Verfahrenskosten nur bis zum 30.06.2013 gestundet worden ist, erklärt sich mit der gleichlaufenden Frist für den Antragsgegner. Auf seine Verwertungsbemühungen während der letzten 2 Jahre werden die Beteiligten zurückgreifen können, um die Immobilien jetzt zu veräußern. Dass ihr freihändiger Verkauf unter Mitwirkung des Antragsgegners nicht kurzfristig möglich wäre, macht die Antragstellerin nicht geltend.

gez. Dr. R.

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