OLG Bremen, Beschluss vom 15.04.2013 – 4 UF 3/13

Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen
Geschäftszeichen: 4 UF 3/13 = 70 F 1489/12 Amtsgericht Bremen

B e s c h l u s s
In der Familiensache

betreffend die mdj. Kinder
1. A. .[…], geb. am […]1997, […],
2. B. […], geb. am […]1999, […],

Verfahrensbeistand:
Rechtsanwältin […]

Weitere Beteiligte:
1. […],
Kindesvater

Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt […],

weitere Bevollmächtigte:
[…]

2. […],
Kindesmutter,

Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin […]

3. Amt für Soziale Dienste, […]

hat der 4. Zivilsenat – Senat für Familiensachen – des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Wever, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Röfer und den Richter am Oberlandesgericht Küchelmann am 15.04.2013 beschlossen:

1. Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bremen vom 12.12.2012 wird zurückgewiesen.

2. Der Kindesvater hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Aus der im Jahre 2007 geschiedenen Ehe der Beteiligten zu 1. und 2. sind die Kinder A. (geb. am […]1997) und B. (geb. am […]1999) hervorgegangen. Im Oktober 2005 trennten sich die Eheleute. Die Beteiligte zu 2. zog mit den beiden Kindern aus der bisherigen gemeinsamen Ehewohnung in G. aus. Hinsichtlich des Umgangs des Kindesvaters (Beteiligter zu 1.) mit A. und B. schlossen die Eltern am 23.11.2005 vor dem Amtsgericht G. eine Vereinbarung. Deren gerichtliche Abänderung begehrte die Kindesmutter im Januar 2006. Am 08.11.2006 beschloss das Amtsgericht G., dass zwischen den Kindern und dem Kindesvater ein Umgang dergestalt stattfindet, dass beide Kinder jedes zweite Wochenende der ungeraden Kalenderwoche von Samstag, 9:00 Uhr bis Sonntag, 18:00 Uhr, jeden Mittwochnachmittag von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr sowie für eine Woche in den Oster-, Herbst- und Weihnachtsferien und zwei Wochen in den Sommerferien zum Kindesvater gehen. Etwa seit Ende 2006 bzw. Anfang 2007 kam es zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Umgangskontakte, weil die Kinder wegen anderer Termine die Umgangskontakte zum Vater häufiger nicht wahrnahmen. Der Kindesvater stellte beim Amtsgericht G. einen Antrag wegen Umgangsbehinderung durch die Kindesmutter sowie einen Antrag auf Zwangsgeldandrohung gegen die Kindesmutter. Im August 2009 ließ die Kindesmutter ohne Wissen des mitsorgeberechtigten Kindesvaters bei dem Sohn A. eine PhimosenOperation durchführen. Der Kindesvater reichte daraufhin bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen die Kindesmutter wegen Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft ein und beantragte im November 2009 beim Amtsgericht G., ihm das alleinige Sorgerecht für die beiden Söhne zu übertragen. Die Kindesmutter stellte in dem dadurch eingeleiteten Verfahren ebenfalls einen Antrag auf Übertragung der Alleinsorge auf sie. Das Amtsgericht G. beschloss die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens. Im Rahmen der Gutachtenerstellung fand am 07.05.2010 eine Interaktionsbeobachtung zwischen Kindesvater und Kindern statt. Seitdem hat A. seinen Vater nicht wieder getroffen.

Der Kindesvater nahm im August 2010 seine Zustimmung zur Gutachtenerstellung zurück und verbot der Sachverständigen, ihre bis zu dem Zeitpunkt erlangten Erkenntnisse über ihn und die beiden Söhne an Dritte weiterzugeben. Das Amtsgericht G. ließ das Gutachten zunächst nicht mehr anfertigen und entschied am 01.09.2010, dass das Sorgerecht für beide Söhne auf die Kindesmutter übertragen werde. Das familienpsychologische Gutachten der Sachverständigen L. wurde erst im Juni 2011 zur Akte gereicht, nachdem der Kindesvater sich gegen die Tragung der durch die Gutachtenerstellung entstandenen Kosten gewandt hatte. Im August 2011 zog die Kindesmutter zusammen mit den Kindern nach Bremen um.

Am 20.08.2011 besuchte der Kindesvater die Kinder spontan in Bremen, wobei A. den Kontakt zum Vater verweigerte, während B. sich bereit erklärte, mit dem Kindesvater über das Wochenende mit nach G. zu kommen. Nach dem August 2011 ist es bisher zu keinen weiteren Zusammentreffen mehr zwischen B. und dem Kindesvater gekommen. Im August 2011 stellte der Kindesvater beim Amtsgericht Bremen einen Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge für beide Söhne auf ihn, hilfsweise auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, des Rechts zur Regelung der gesundheitlichen Angelegenheiten und des Rechts zur Wahrnehmung der schulischen Angelegenheiten für A. und B.. Diesen Antrag nahm er in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Bremen am 27.09.2011 zurück. Mit Antrag vom 15.03.2012 wollte der Kindesvater im Einstweiligen Anordnungsverfahren einen Ferienumgang mit seinen Söhnen durchsetzen. Der Antrag wurde vom Amtsgericht Bremen am 29.03.2012 zurückgewiesen.

Am 24.04.2012 hat der Kindesvater u.a. den Antrag gestellt, einen Umgangskontakt an jedem zweiten und vierten Wochenende eines Monats von Freitag, 18:00 Uhr bis Sonntag, 18:00 Uhr sowie für die Hälfte der Ferienzeit zu beschließen. Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung des Antrags und einen Umgangsausschluss zwischen dem Kindesvater und den Kindern von 2 Jahren beantragt. Nach Anhörung der Kinder, der Kindeseltern, des Verfahrensbeistands und des Jugendamts hat das Amtsgericht – Familiengericht – Bremen am 12.12.2012 beschlossen, dass der Kindesvater in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts G. vom 08.11.2006 berechtigt ist, Umgang zu seinen Söhnen durch die Übersendung von Briefen einmal pro Monat und zu ihren Geburtstagen sowie hohen Feiertagen zu pflegen. Im Übrigen hat es den Umgang zwischen dem Kindesvater und den Söhnen für zwei Jahre ausgeschlossen.

Gegen diesen, seinem Verfahrensbevollmächtigen am 18.12.2012 zugestellten Beschluss wendet sich der Kindesvater mit seiner Beschwerde, die am 27.12.2012 beim Amtsgericht eingegangen ist. Er verfolgt hiermit sein erstinstanzliches Begehren weiter.

Zur Begründung seiner Beschwerde führt er aus, das Amtsgericht habe die Gefahr für die Kinder und das Kindeswohl durch den Umgang mit ihm nicht substantiiert dargelegt. Ein Umgangsausschluss sei nicht gerechtfertigt. Ihm werde zu Unrecht vorgeworfen, er gehe nicht auf die Bedürfnisse seiner Söhne ein, die er schon lange nicht mehr gesehen habe. Das Gericht hätte zumindest eine Umgangsregelung mit zeitlichen Abständen in Erwägung ziehen müssen. Die Entscheidung habe auch nicht auf den Willen der Kinder gestützt werden dürfen, da nicht nachvollziehbar sei, dass dieser autonom motiviert sei. Um dies festzustellen, hätte das Amtsgericht ein Sachverständigengutachten einholen müssen.

Die Kindesmutter beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und verteidigt den angefochtenen amtsgerichtlichen Beschluss.

II.

Die Beschwerde ist nach den §§ 58 ff. FamFG statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die somit zulässige Beschwerde ist aber unbegründet.

Das Amtsgericht – Familiengericht – Bremen hat persönliche Umgangskontakte zwischen den Kindern und dem Kindesvater zu Recht bis Ende 2014 gemäß §§ 1696 Abs. 1, 1684 Abs. 4 BGB ausgeschlossen und den Umgang zwischen dem Kindesvater und seinen Söhnen zunächst auf briefliche Kontakte beschränkt. Zur Begründung wird vollumfänglich auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen, die der Senat sich zueigen macht. Der Senat geht mit dem Amtsgericht davon aus, dass es unter den gegebenen Umständen eine Kindeswohlgefährdung darstellen würde, wenn – entgegen dem eindeutig und seit langem konstant geäußerten Kindeswillen – Umgangskontakte zwischen den Kindern und dem Kindesvater gerichtlich angeordnet würden. An dieser Beurteilung hat sich auch durch den Vortrag und die Anhörungen im Beschwerdeverfahren nichts geändert.

Es stehen nach wie vor keine weniger in das Umgangsrecht des Kindesvaters eingreifenden Maßnahmen zur Verfügung, um eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden (hierzu unter 1.). Entgegen der vom Antragsteller vertretenen Auffassung war im vorliegenden Fall auch nicht die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens erforderlich (hierzu unter 2.).

1.
An die Einschränkung oder den Ausschluss des Umgangsrechts eines Elternteils nach § 1684 Abs. 3 und 4 BGB sind strenge Maßstäbe anzulegen. Eine Einschränkung des Umgangsrechts ist nur veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren (BVerfG, FamRZ 2007, 105; OLG Saarbrücken, MDR 2012, 1231; Palandt/Götz, BGB, 72. Auflage, § 1684 Rn. 36). Denn das Umgangsrecht eines Elternteils steht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Es erwächst aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Elternverantwortung und muss von den Eltern im Verhältnis zueinander respektiert werden. Daher hat der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, grundsätzlich den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zu ermöglichen. Wenn sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen können, ist eine Gerichtsentscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Nach ständiger bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung müssen die Gerichte sich im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen (BVerfG, a.a.O.). Im Rahmen der im konkreten Einzelfall zu treffenden Entscheidung ist somit auch der Kindeswille, der sich als Ausübung des Rechts des Kindes auf Selbstbestimmung darstellt, zu berücksichtigen. Der Kindeswille hat bei einem Kleinkind nur geringes Gewicht, weil das Kind noch nicht in der Lage ist, einen eigenen Willen zu bilden. Dem Kindeswillen kommt aber mit zunehmendem Alter des Kindes und damit verbundener Einsichtsfähigkeit vermehrte Bedeutung zu. Denn nur dadurch, dass der wachsenden Fähigkeit eines Kindes zu eigener Willensbildung und selbstständigem Handeln Rechnung getragen wird, kann das auch mit dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG verfolgte Ziel, die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit, erreicht werden (BVerfG, FamRZ 2008, 1737). Bei der Regelung der Ausübung des Umgangsrechts zwischen Eltern und Kind gilt es also, im Rahmen der Amtsermittlung eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt (Gerhardt/v.Heintschel-Heinegg/Klein/Büte, Familienrecht, 9. Aufl., 4. Kap. Rn. 442). Gerade bei älteren Kindern ist daher deren Wille ein entscheidender Maßstab für die gerichtliche Umgangsregelung. Zwar hat nicht jeder klar geäußerte Wille eines Kindes absoluten Vorrang. Doch muss auch sein Persönlichkeitsrecht beachtet werden, das mit dem Interesse des umgangsberechtigten Elternteils abzuwägen ist. Da grundsätzlich von der Prämisse auszugehen ist, dass der Umgang mit dem eigenen Elternteil in der Regel dem Kindeswohl entspricht, muss der Umgang gegebenenfalls auch gegen den Kindeswillen gewährt werden, soweit nicht die Begründung seiner Ablehnung aus der Sicht des Kindes berechtigt erscheint. Die Nichtbeachtung eines Widerstandes des Kindes, selbst wenn er nur auf Suggestion des anderen Elternteils beruht, wird nur dann zu rechtfertigen sein, wenn die manipulierten Äußerungen des Kindes die wirklichen Bindungsverhältnisse nicht zutreffend wiedergeben. Überwiegend wird die Auffassung vertreten, dass man in der Regel bei Kindern ab dem 12. Lebensjahr davon ausgehen kann, dass sie die Bedeutung des Umgangsrechts verstehen, so dass ihr Wille beachtlich ist (Palandt/Götz, a.a.O., § 1684 Rn. 32 f; Schulz/Hauß/Hüßtege, Familienrecht § 1684 Rn. 21; OLG Brandenburg, FamRZ 2010, 741). Kinder dieses Alters, die aus subjektiv beachtlichen oder verständlichen Gründen den Umgang ablehnen, können zu einem sinnvollen Umgang kaum mehr gezwungen werden. Jedenfalls erscheint die erzwungene Durchsetzung des Umgangsrechts mit dessen Zweck ebenso unvereinbar wie mit dem Persönlichkeitsrecht des Kindes (Gerhardt pp./Büte, a.a.O., 4. Kap. Rn. 483).

Vor dem Hintergrund der genannten Rechtsprechung hat das Amtsgericht Bremen im vorliegenden Fall zutreffend dem von beiden Kindern geäußerten Willen, zurzeit keinen persönlichen Umgang mit dem Kindesvater pflegen zu wollen, vor dem Elternrecht des Vaters auf Umgang mit seinen Kindern den Vorrang eingeräumt.

Das Amtsgericht hat zutreffend festgestellt, dass sowohl A. als auch B. zurzeit jeden persönlichen Kontakt mit ihrem Vater ablehnen. An dieser ablehnenden Haltung hat sich auch während des laufenden Beschwerdeverfahrens nichts geändert, wie sich aus der vom Senat durchgeführten Anhörung beider Kinder ergeben hat. Die ablehnende Haltung gegenüber dem Kindesvater ist bei dem bald 16-jährigen A. besonders ausgeprägt. Er hat seinen Vater vor 3 Jahren zuletzt während der Interaktionsbeobachtung für eine Gutachtenerstellung getroffen. Es handelte sich somit nicht um ein frei vereinbartes Zusammentreffen, sondern um ein verfahrensrechtlich notwendiges, was A. nach eigenen Angaben auch damals schon so aufgefasst hat. Aus freien Stücken ist er nach wie vor nicht bereit, mit seinem Vater in Umgangskontakte zu treten. Diese ablehnende Haltung seinem Vater gegenüber zeigt er bereits seit mehreren Jahren. Auch bei seiner Anhörung durch den Senat hat er dies unter starker emotionaler Beteiligung sehr deutlich gemacht. Auch B. nimmt seit Ende August 2011 gegenüber seinem Vater eine ablehnende Haltung ein. Er will sich ebenfalls nicht gerichtlich zu Kontakten mit seinem Vater zwingen lassen und lehnt Umgangskontakte mit ihm ohne eine vorherige Annäherung durch briefliche Kontakte, die vom Kindesvater ausgehen müssen, ab.

Das Amtsgericht hat auch bereits zutreffend festgestellt, dass beide Kinder aus ihrer Sicht erhebliche Gründe für ihre ablehnende Haltung dem Vater gegenüber geltend machen. Bei der Anhörung durch den Senat führten sie – ebenso wie zuvor bei ihrer Anhörung durch die Amtsrichterin – ihre bisherigen, häufig negativen Erfahrungen mit ihrem Vater an. A. schilderte – häufig unter Tränen, wie ihn sein Vater in der Vergangenheit in Gegenwart von Freunden gedemütigt habe, indem er z.B. einen von ihm gemachten Griechisch-Fehler rügte. Außerdem habe er ihn für seine guten Leistungen nie gelobt, sondern – auch wieder vor Freunden – behauptet, er selbst sei noch viel besser gewesen. Daraufhin habe ihm dann der danebenstehende Freund Lob ausgesprochen, was eigentlich Aufgabe des Vaters gewesen sei. Schon bei der Erinnerung an diese Szenen fing A. an zu weinen. Angesichts seiner starken Emotionalität in Bezug auf das Thema „Vater“ versuche er, dieses Thema möglichst weit von sich fern zu halten. Ebenso hatte er sich bereits gegenüber der Amtsrichterin geäußert. Bei der Anhörung durch den Senat äußerte er zudem sehr überzeugend,
dass er sich emotional noch nicht stark genug fühle, um seinem Vater wieder zu begegnen. Diesen Eindruck hatten auch die Senatsmitglieder und teilen die Auffassung des sich sehr differenziert und bedacht äußernden Jugendlichen, dass eine therapeutische Begleitung zur Bearbeitung des Themas „Vater“ für ihn eine große Hilfe wäre. Weil er sich zurzeit emotional auf keinen Fall in der Lage sieht, seinem Vater in Umgangskontakten zu begegnen, äußerte er sich auch positiv zu der angefochtenen amtsgerichtlichen Entscheidung. Er befürwortete ausdrücklich die schriftliche Kontaktaufnahme durch seinen Vater, der ihm so vermitteln könne, dass er auf seine Bedürfnisse und Wünsche eingehen wolle.

Ähnlich äußerte sich auch sein jüngerer Bruder B.. Auch dieser schilderte – teilweise unter Tränen – Ereignisse aus der Vergangenheit, bei denen er sich durch den Kindesvater vor fremden Leuten blamiert und herabgesetzt gefühlt habe. B. wünschte sich ebenso wie A. eine briefliche Kontaktaufnahme durch den Vater und dessen Verständnis für ihre Bedürfnisse und Wünsche. Beide Jungen machten übereinstimmend deutlich, dass sie sich insbesondere durch die Gerichtsverfahren, die der Kindesvater ständig wieder in Gang setzen würde, stark belastet fühlten. Ein derartiges Eingehen auf die Wünsche der Kinder ist dem Kindesvater nach wie vor nicht möglich. Obwohl er den Wunsch der Kinder nach einer brieflichen Kontaktaufnahme durch ihn seit mehreren Monaten kennt und auch das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss das einmal monatliche Schreiben von Briefen durch den Kindesvater ausdrücklich zulässt, hat der Kindesvater bisher davon abgesehen, einen Brief an seine Söhne zu schreiben. Er begründet sein Verhalten damit, dass von Seiten der Kindesmutter bzw. der Kinder seine Briefe in der Vergangenheit als Belästigung empfunden worden seien. Außerdem möchte er keine neuen „Angriffspunkte“ durch einen an seine Söhne verfassten Brief bieten. Zudem hat der Kindesvater darauf hingewiesen, dass er in der Vergangenheit viele Briefe geschrieben habe, die alle unbeantwortet geblieben seien. Dem Kindesvater bleibt so der Blick auf die Gegenwart und Zukunft verschlossen, weil er sich immer auf Ereignisse zurückzieht, die ein Verhalten seiner damals noch kleineren Kinder bzw. der Kindesmutter betreffen. Aufgrund dieser Rückwärtsgewandheit seines Agierens vor Gericht ist er auch nicht in der Lage, auf die sich – eventuell geänderten – Wünsche seiner Kinder nach schriftlicher Kontaktaufnahme einzugehen. Das passive Verhalten des Kindesvaters vor dem Hintergrund der sich bietenden Möglichkeit zur erneuten, zunächst schriftlichen Kontaktaufnahme mit seinen Söhnen lässt die Frage aufkommen, ob der Kindesvater aufgrund der vielen Gerichtsverfahren mittlerweile sein ursprüngliches Ziel, nämlich die Wiederherstellung des Umgangs mit seinen Söhnen, aus den Augen verloren hat. Dass er die Wünsche und Bedürfnisse seiner Kinder nach wie vor nicht berücksichtigen kann, ist bei seiner Anhörung durch den Senat auch dadurch deutlich geworden, dass er bei einem eventuellen künftigen Zusammentreffen mit B. diesem gegenüber das Thema „sexueller Missbrauch“ durch die PhimosenOperation bei A. ansprechen wollte, um seinen jüngeren Sohn vor einem möglicherweise auch diesem drohenden Eingriff „zu schützen“. Dass dieses, vom Kindesvater fast wahnhaft verfolgte Thema, das sogar zu einem von ihm ausgelösten Strafverfahren gegen die Kindesmutter geführt hat, kein Gesprächsthema bei einem nach mehreren Jahren ersten Zusammentreffen mit B. sein darf, konnte dem Kindesvater nicht vermittelt werden. Dem Kindesvater fehlt es nach wie vor an Einfühlungsvermögen gegenüber seinen Kindern.

Das Amtsgericht hat in seinem Beschluss vom 12.12.2012 auch zu Recht festgestellt, dass dem von A. und B. geäußerten Willen ein erhebliches Gewicht beigemessen werden muss. Es handelt sich hier um die wohl abgewogenen Äußerungen zweier bald 14-jähriger bzw. 16-jähriger Jugendlicher. Entgegen ihrem Willen einen Umgangskontakt zu erzwingen, würde zum einen ihrer weiteren Entwicklung schaden und zum anderen auch tatsächlich nicht durchzusetzen sein. Angesichts des von den Kindern in der Vergangenheit gezeigten ablehnenden Verhaltens würde eine zwangsweise Durchsetzung von Umgängen mit dem Vater auch zu keiner Wiederannäherung zwischen ihnen und dem Antragsteller führen. Vielmehr ist anzunehmen, dass sie sich mit allen Mitteln derartigen Kontakten entziehen würden.

Sowohl A. als auch B. haben deutlich gemacht, dass sie sich zur Kontaktaufnahme mit ihrem Vater nicht gerichtlich zwingen lassen werden. Im Übrigen ist auch durch das wenig empathische Verhalten des Kindesvaters zu befürchten, dass die Kinder durch einen Umgangskontakt mit ihm zurzeit in ihrer ablehnenden Haltung ihm gegenüber weiter bestärkt würden. Angesichts dieser Gesamtumstände und des mittlerweile erreichten Lebensalters der Kinder bzw. Jugendlichen erscheint im vorliegenden Fall die Anordnung eines Umgangskontaktes mit dem Kindesvater ausgeschlossen. Gleiches gilt für die Anordnung eines begleiteten Umgangs oder einer Umgangspflegschaft. Beides ist ohne die Mitwirkungsbereitschaft der Jugendlichen nicht umzusetzen. Die vom Amtsgericht ausdrücklich zugelassenen Briefkontakte zwischen dem Kindesvater und seinen beiden Söhnen sind dagegen eine geeignete Form der Wiederanbahnung des Kontaktes zwischen den Kindern und ihrem Vater. Sowohl A. als auch B. haben sich positiv hinsichtlich eines schriftlichen Kontaktes zu ihrem Vater geäußert und sich ausdrücklich auch eine derartige Kontaktaufnahme durch ihn gewünscht. Dass der Kindesvater die hierin liegende Chance nicht erkennen kann und daher das Schreiben an seine Kinder bei seiner Anhörung am 05.04.2013 insbesondere mit dem Hinweis auf in der Vergangenheit geschriebene, aber unbeantwortet gebliebene Briefe abgelehnt hat, ändert nichts an der grundsätzlichen Geeignetheit dieses „schriftlichen“ Umgangs zum Wiederaufbau eines Kontaktes zwischen dem Kindesvater und seinen Söhnen in der gegenwärtigen Situation.

2.
Im vorliegenden Fall bedurfte es – entgegen der Auffassung des Kindesvaters – nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Das Fachgericht muss einen Sachverhalt grundsätzlich gemäß § 26 FamFG umfassend aufklären. Denn Grundrechtsschutz ist auch durch die Gestaltung des Verfahrens sicherzustellen, wie das Bundesverfassungsgericht u.a. in seiner Entscheidung vom 26.9.2006 (FamRZ 2007,105) ausgesprochen hat. Es hat sich in der vorgenannten Entscheidung weiter dahingehend geäußert, dass die Gerichte diesen Anforderungen nur gerecht werden, wenn sie sich mit den Besonderheiten des Einzelfalles auseinandersetzen, die Interessen der Eltern sowie deren Einstellung und Persönlichkeit würdigen und auf die Belange des Kindes eingehen. Die Gerichte müssten ihr Verfahren deshalb so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können. Grundsätzlich sei es dabei den Fachgerichten überlassen, welchen verfahrensrechtlichen Weg sie wählen, um den Willen des Kindes zu ermitteln. Sie seien daher nicht stets gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Wenn sie aber von der Beiziehung eines Sachverständigen absehen, müssten sie anderweitig über eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage verfügen. Sie seien zumindest gehalten, den tatsächlichen Willen des Kindes zu ermitteln, was durch persönliche Anhörung des Kindes und auch durch Bestellung eines Verfahrensbeistandes geschehen kann (BVerfG, a.a.O.). Diese Rechtsauffassung hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 29.11.2012 (FamRZ 2013, 67) noch einmal bestätigt. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Fachgericht aufgrund seines persönlichen Eindrucks von dem Kind und unter Berücksichtigung der durch das Kind bekundeten Erfahrungen davon ausgehe, dass die als stabil und nachhaltig eingeschätzte Ablehnung jeglichen Umgangs nicht ohne Schäden überwunden werden könne und deswegen das Kindeswohl durch die Durchführung begleiteter Umgangskontakte konkret gefährdet sei. Die Begründung der Kindeswohlgefährdung könne selbständig auf die Feststellung gestützt werden, der Wille des Kindes könne derzeit nicht überwunden werden, ohne das Kind zu schädigen (BVerfG, FamRZ 2013, 67, 73).

An diesen verfassungs- und einfachrechtlichen Maßstäben gemessen hat das Amtsgericht im vorliegenden Fall zu Recht von der Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens abgesehen.

Die vom Kindesvater begehrte Einholung eines solchen Gutachtens hätte nur dann Konsequenzen für das hier vorliegende Umgangsverfahren, wenn der von den Kindern geäußerte Wille hinsichtlich der Ablehnung des persönlichen Kontaktes zum Vater nicht ihrem wirklichen Willen und ihrer wahren Bindung zum Vater entsprechen würde (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O.). Dann würde eine gerichtliche Anordnung von Umgangskontakten zwischen ihnen und ihrem Vater kein Brechen ihres wirklichen Willens darstellen und somit auch nicht dem Kindeswohl widersprechen. Im vorliegenden Fall bestehen allerdings keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der vom bald 16-jährigen A. und dem bald 14-jährigen B. geäußerte, einen Umgang mit dem Vater ablehnende Wille nicht ihrem wirklichen Willen und ihrer wahren Bindung zum Vater entspricht.

Der Senat hat sich aufgrund der persönlichen Anhörung der Kinder am 03.04.2013 davon überzeugen können, dass die von A. vorgetragene Ablehnung des persönlichen Umgangs mit seinem Vater seiner eigenen festen Überzeugung entspricht. Er hat im Einzelnen begründet, weshalb er ein persönliches Zusammentreffen mit dem Vater ablehnt und dessen in der Vergangenheit gezeigtes verletzendes Verhalten ihm gegenüber nicht vergessen kann. Er machte seinen Standpunkt differenziert gegenüber den Mitgliedern des Senats deutlich und wies auch darauf hin, dass er diese Ablehnung eines persönlichen Umgangs mit seinem Vater bereits seit vielen Jahren vertreten habe und sich auch heute noch nicht zu einem Treffen mit ihm bereit fühle. Vor dem Hintergrund dieser Äußerungen von A. gegenüber dem Senat und zuvor gegenüber anderen Richtern, Jugendamtsmitarbeitern und Verfahrensbeiständen ist der Senat davon überzeugt, dass die Ablehnung eines persönlichen Umgangs mit seinem Vater A.s tatsächlicher Wille ist. Auch die Bindung zwischen ihm und seinem Vater ist nach seiner Darstellung vor der Trennung der Eltern nicht besonders eng und innig gewesen. Dem ist der Kindesvater bei seiner Anhörung nicht entgegen getreten. Auch aus den beigezogenen Akten ergibt sich, dass nicht der Kindesvater, sondern hauptsächlich die Kindesmutter sich vor der Trennung der Eltern um beide Kinder gekümmert hat. Mit ihr leben die Kinder seit der Trennung der Eltern zusammen. Auch bei B. ist der Senat insbesondere aufgrund der am 03.04.2013 erfolgten persönlichen Anhörung des Jungen davon überzeugt, dass die von ihm geäußerte Ablehnung seinem eigenen Willen entspringt.

Zwar ist er zwei Jahre jünger als sein Bruder A.. Er konnte aber ebenso wie dieser deutlich machen, dass er ein persönliches Zusammentreffen mit seinem Vater zurzeit ablehnt. Auch er kann ihm sein verletzendes Verhalten in der Vergangenheit nicht verzeihen. Zu einem künftigen persönlichen Treffen mit ihm wäre er nur bereit, wenn sein Vater zunächst den seit mehreren Jahren unterbrochenen Kontakt zu ihm brieflich wieder aufbauen würde. Auch hieran lässt sich die Eigenständigkeit der Willensäußerung von B. festmachen. Dass zwischen ihm und seinem Vater in der
Vergangenheit eine tiefe Bindung bestanden hat, die er angesichts der zur Mutter empfundenen Loyalität nicht eingestehen mag, ist weder seinen Äußerungen gegenüber dem Senat noch früheren Äußerungen, wie sie sich aus den beigezogenen Akten ergeben, zu entnehmen. Allerdings ist offensichtlich, dass beide Kinder eine tiefe Sehnsucht zu ihrem Vater verspüren, der sie angesichts ihrer Erinnerungen an sein wenig empathisches Verhalten ihnen gegenüber in der Vergangenheit und ihrer Angst vor weiteren emotionalen Verletzungen durch ihn zurzeit nicht nachgeben können.

Zusammenfassend lässt sich daher auch ohne die Einholung eines Sachverständigengutachtens feststellen, dass die aus Sicht der Kinder sachlich begründete Ablehnung eines persönlichen Umgangs mit dem Vater nicht übergangen werden darf und zwar unabhängig davon, ob sie zunächst von der Kindesmutter hervorgerufen wurde, wofür es allerdings keinerlei Anhaltspunkte gibt. Für die Maßgeblichkeit des Kindeswillens im vorliegenden Fall haben sich im Übrigen auch der Verfahrensbeistand sowie das Jugendamt ausgesprochen. Gegen die vom Kindesvater in der Beschwerdebegründung geforderte Begutachtung seiner Kinder spricht im Übrigen auch, dass beide durch die während der vergangenen 8 Jahre überwiegend vom Kindesvater angestrengten Gerichtsverfahren und die hiermit für sie verbundenen mehrfachen Anhörungen erheblich belastet sind. Zudem mussten sie im Verfahren 244 F 2033/06 vor dem Amtsgericht G. eine Exploration bzw. zwei Interaktionsbeobachtungen über sich ergehen lassen, ehe im August 2010 der Kindesvater der Gutachterin die Fortsetzung ihrer Arbeit untersagte und daher die Gutachteneinholung durch das Amtsgericht G. abgebrochen wurde. Den Kindern war eine weitere Exploration, die angesichts ihres klar und konstant geäußerten Willens, zurzeit keinen persönlichen Umgang mit dem Kindesvater aufnehmen zu wollen, ohnehin überflüssig ist, auch nicht zuzumuten. Im Übrigen geht der Senat zudem davon aus, dass die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens die Chancen für eine künftige Wiederherstellung des persönlichen Kontakts zwischen den Kindern und ihrem Vater weiter verringern würde, da die Kinder wahrscheinlich eine gerichtlich angeordnete Begutachtung als – letztlich ihrem Vater zuzuschreibende – Verletzung ihres Selbstbestimmungsrechts ansehen würden.

3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG, die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 40, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

gez. Wever gez. Dr. Röfer gez. Küchelmann

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