Oberlandesgerichts Dresden, Beschluss vom 19.06.2013 – 20 WF 565/13 –
Oberlandesgericht Dresden
Erlassen am 19.06.2013
Beschluss
In der Familiensache
…
Antragsteller und Beschwerdegegner
Verfahrensbevollmächtigter
Rechtsanwalt …
Gegen
Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin
Wegen Regelung des Umgangs
hier: Beschwerde wegen Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen
hat der 20. Familiensenat des Oberlandesgerichts Dresden durch Richterin am Oberlandesgericht Jena als Einzelrichterin ohne mündliche Verhandlung beschlossen:
1. Unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgericht – Familiengericht – Zittau, Az.: H 2 F 358/12 vom 8. Mai 2013 wird die Ablehnung des Sachverständigen Dr. Dr. F. O. für begründet erklärt.
2. Der Beschwerdewert beträgt 1.000,00 €
I.
Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Aus ihrer Ehe ist das Kind X geboren am … hervorgegangen. Seit der Trennung der Eltern am … lebt das Kind bei der Mutter. Seitdem gibt es keinen Kontakt zwischen dem Vater und dem Kind. Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 02. Mai 2011 wurde ein Umgangsverbot befristet bis 15. September 2011 ausgesprochen. Mit Beschluss vom 24. Juli 2012 hat das Familiengericht den Antrag des Vaters auf Regelung des Umgangs im Wege der einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.
Im vorliegenden Hauptsacheverfahren hat der Kindesvater beantragt, ihm Umgang mit seiner Tochter einmal monatlich an zwei aufeinanderfolgenden Werktagen jeweils für vier Stunden einzuräumen. Mit einem Umgang in begleiteter Form ist der Vater in den ersten Monaten einverstanden. Im Termin vom 12. Oktober 2012 bestand Einigkeit unter den Beteiligten, dass eine völlige Entfremdung zwischen dem Kind und dem Kindesvater eingetreten ist. Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 28. Dezember 2012 ein Sachverständigengutachten zu der Frage in Auftrag gegeben, welche Umgangsgestaltung mit dem Vater aus fachpsychologischer Sicht dem Wohl des Kindes unter Berücksichtigung seines Entwicklungsstandes und der eingetretenen Entfremdung am besten entspricht und den Sachverständigen Dr. Dr. F. O. mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt. Mit Schreiben vom 10. Januar 2013 hat sich der Sachverständige an die Eltern gewandt und gebeten, ihn zeitnah wegen einer Terminvereinbarung zu kontaktieren. Nachdem eine Terminvereinbarung mit der Mutter scheiterte, wandte sich der Sachverständige mit Schreiben vom 28.01.2013 erstmals an das Familiengericht und erklärte, dass das Verhalten der Kindesmutter einen beunruhigenden Eindruck mache und das Jugendamt versuchen solle zu überprüfen, ob die Kindesmutter gesund sei und es dem Kind gut gehe. Mit Schreiben vom 12. Februar 2013 teilte der Sachverständige dem Familiengericht mit, dass die Kindesmutter einen Termin unentschuldigt ferngeblieben sei und er deshalb anrege zu überprüfen, ob die Kindesmutter unter einer Störung der Realitätskontrolle leide, die Auswirkung auf ihre Erziehungstüchtigkeit haben könnte. Mit Schrieben vom 12. Februar 2013 teilte das Jugendamt mit, dass es sich davon überzeugt habe, dass das Kind in der Obhut der Mutter gut versorgt und eine Kindeswohlgefährdung nicht gegeben sei. Dieses Schreiben nahm der Sachverständige zum Anlass, sich am 18. Februar 2013 erneut an das Familiengericht zu wenden. In diesem beklagte er: „In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Ausführungen des JA als wenig hilfreich begriffen werden. Es wird in diesem Schreiben nicht deutlich, welche Schritte das JA unternommen haben will, um herauszufinden, ob etwaige psychische Störungen der MK eine Auswirkung auf die Erziehungstüchtigkeit derselben haben. Es wird auch nicht deutlich, was das JA unter „gut versorgt“ versteht. Ein Zweifel am Ernährungsstatus des Kindes hatte diesseits nicht bestanden. Es wird explizit nachgefragt, warum das Jugendamt seinen Bericht an den PV der KM und nicht an das Gericht geschickt hat. Wer hat das Jugendamt beauftragt tätig zu werden?“ Am 19. Februar 2013 lehnte die Kindesmutter den Sachverständigen wegen Befangenheit ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Gutachter mit Schreiben vom 12. Februar 2013 dem Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters Mitteilung über die E-Mail-Anschrift der Kindesmutter gegeben habe, obwohl dem Gutachter hinreichend bekannt gewesen sei, dass die Anschrift geheim zu halten sei. Die im Schreiben des Gutachters vom 18. Februar 2013 aufgeworfenen Fragen würden deutlich machen, dass der Gutachter über seinen Gutachtenauftrag hinaus handele. Am 01. März 2013 gab der Sachverständige seine Stellungnahme zum Befangenheitsgesuch ab (Bl. 57 ff. d.A.). Er widersprach der Behauptung, dem Geheimhaltungsinteresse der Kindesmutter nicht Genüge zu tun. Er handele auch nicht über sein Gutachtenauftrag hinaus. Er habe das Gericht lediglich auf die Widerstände seitens der Kindesmutter hingewiesen, die den Anfangsverdacht erweckten, dass die Kindesmutter gegebenenfalls psychisch instabil sein könnte und dies Auswirkungen auf das Kindeswohl haben könnte. Der Verfahrensbeistand des Kindes und der Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters haben zum Befangenheitsantrag Stellung genommen. Mit Beschluss vom 08. Mai 2013 hat das Familiengericht den Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Kindesmutter mit der sofortigen Beschwerde. In dieser Beschwerde führt sie aus, die die Befangenheit des Sachverständigen ergäbe sich daraus, dass der Gutachter ohne die Kindesmutter überhaupt persönlich zu kennen, Zweifel an der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter vorgebracht habe. Und dies obwohl das Jugendamt mitgeteilt hätte, dass das Kind gut versorgt und aktuell keine Gefahr des Kindeswohls gegeben sei.
II.
Die gemäß §§ 30 FarmFG, 406 Abs. 5 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet. De Kindesmutter hat Gründe glaubhaft gemacht, aus denen sich aus Sicht eines vernünftigen, objektiven Betrachters Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der beauftragte Sachverständige Dr. Dr. F. O. die Begutachtung nicht mit der notwendigen Unvoreingenommenheit vornehmen werde.
Gemäß § 406 Abs. 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus den gleichen Gründen als befangen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit ist möglich, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. § 42 Abs. 2 ZPO. Befangenheit meint eine ursächliche innere Einstellung zu den Beteiligten oder zum Gegenstand des konkreten Verfahrens. Eine Besorgnis der Befangenheit ist daher anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Sachverständigen aufkommen lassen. Geeignetes Misstrauen gegen eine unparteiische Ausübung zu rechtfertigenden, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus. Es kommt für die Begründetheit eines Befangenheitsgesuches nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist, allein der Anschein der Befangenheit ist ausreichend (Zöller, ZPO 29. Aufl. Rdn 9 zu § 42 ZPO).
Gemessen an diesem Maßstab ist das Befangenheitsgesuch der Kindesmutter begründet.
Die Kindesmutter hat Gründe geltend gemacht, die auch aus Sicht eines objektiven und besonnenen Betrachters die Annahme rechtfertigen, der Sachverständige werde nicht die notwendige Unvoreingenommenheit walten lassen. Ob der Sachverständige ein Treffen mit beiden Eltern zur Herbeiführung eines schnellen Umgangs anstrebte, kann dahinstehen. Ebenso kann dahinstehen, ob die E-Mail-Adresse der Kindesmutter weitergegeben wurde und diese geeignet ist, mit ihr Kontakt aufzunehmen.
Denn aus anderen in der Akte dokumentierten Äußerungen des Sachverständigen gegenüber dem Familiengericht ergibt sich der Anschein einer Befangenheit.
Aus dem Umstand, dass der Gutachter nach dem Schreiben des Jugendamts vom 12. Januar 2013 weiter insistiert, dass etwaige psychische Störungen der Kindesmutter Auswirkungen auf ihre Erziehungstüchtigkeit haben könnten (obwohl das Jugendamt gerade bestätigt, dass das Kind gut versorgt sei) kann für die Kindesmutter nachvollziehbar den Schluss ergeben, der Sachverständige habe sich bereits ein negatives Bild von ihr gemacht. Denn die Kritik des Gutachters am Vorgehen des Jugendamtes und das Beharren auf die mögliche Erziehungsuntüchtigkeit kann auch von einem objektiven Betrachter so verstanden werden, dass der Sachverständige eine Einschränkung der Erziehungsfähigkeit annimmt. Vor dem Hintergrund, dass der Gutachter der Kindesmutter noch nicht persönlich begegnet ist, wirkt diese Einschätzung besonders schwer.
Geht ein Sachverständiger mit seinen Feststellungen über den ihm erteilten Gutachtenauftrag hinaus, rechtfertigt dies einen Ablehnungsantrag (Thüringer Oberlandesgericht, 1. Senat für Familiensachen, Beschluss vom 02.08.2007, A.: 1 WF 203/07). Mit seinen Feststellungen zu möglichen psychischen Störungen der Kindesmutter ist der Gutachter über den Gutachtenauftrag hinausgegangen, ohne hierzu noch hinreichenden Anlass zu haben. Ein persönlicher Kontakt zwischen der Kindesmutter und dem Gutachter hat nicht stattgefunden. Das Jugendamt hat nach den ersten Hinweis des Gutachters keine Besonderheiten bei der Kindesmutter festgestellt. In dem anhängigen Verfahren sind ausschließlich die Fragen von Umgangskontakten des Kleinkindes mit dem ihm entfremdeten Vater zu klären. Ein Anlass dafür, das Kind aus der gewohnten Umgebung und Familie allein deswegen herauszunehmen, weil die Mutter sich gegen die Umgangskontakte zu dem Vater wendet, der in den letzten zwei Jahren keine soziale Rolle im Leben des Kindes spielte, ist derzeit nicht erkennbar. Vor diesem Hintergrund kann es die Kindesmutter vernünftigerweise als ein Zeichen von Voreingenommenheit werten, wenn der Sachverständige im Rahmen des auf Umgangskontakte eingeschränkten Gutachtenauftrags auf Zweifel an ihrer Erziehungsfähigkeit beharrt.
Dem Familiengericht ist aber zuzustimmen, dass die Mutter sich nicht auf Gewalterfahrungen durch den Kindesvater berufen kann, sofern sie sich weigert , mit dem Sachverständigen zusammenzuarbeiten., ihm weder schreibt noch ihre Adresse nennt noch ihre Telefonnummer mitteilt oder anruft. Der Senat weist darauf hin, dass dem allein sorgeberechtigen Elternteil gemäß § 1666 Abs. 1 BGB sogar die elterliche Sorge teilweise entzogen werden kann, wenn sich dieser einer gerichtlich angeordneten psychologischen Begutachtung des Kindes nicht nur widersetzt bzw. ihr widerspricht, sondern zudem nicht bereit ist, das Kind der Begutachtung zuzuführen (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 30. Juni 2011, 10 UF 126/11, NJW-RR 2011, 1445).
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