OLG Hamm, Beschluss vom 25.11.2015 – 2 WF 191/15

Leitsätze:

1.
Die Gründe, die zur Versagung eines Umgangsrechts geführt haben, genügen für sich allein nicht zur Rechtfertigung der Ablehnung eines Auskunftsanspruchs nach § 1686 S. BGB. Eine Ablehnung kommt jedoch in Betracht, sofern sich aus objektiven Umständen ergibt, dass der auskunftsberechtigte Elternteil mit den über das Kind erbetenen Auskünften missbräuchliche Ziele verfolgt.

2.
Dafür genügt noch nicht, dass der Vater des Kindes in einem Internet-Chat ankündigt, das Kind irgendwann zu sich nehmen zu wollen und er die Mutter des Kindes im Internet beleidigt und deren Bruder bedroht.

Tenor:

Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den am 08.07.2015 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Bottrop wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Kindesmutter zu tragen.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die getrennt lebenden Eltern des am ##.##.2010 geborenen beteiligten Kindes. Die elterliche Sorge steht aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung der Kindesmutter allein zu.

Der Antragsteller, der zwischenzeitlich inhaftiert war, hat seit längerer Zeit keinen Umgang mit dem Kind.

Der Antragsteller hat mit dem vorliegenden Verfahren das Ziel verfolgt, von der Kindesmutter im halbjährlichen Abstand zwei Bilder des Kindes und Auskunft über die Entwicklung zu erhalten. Er hat eingeräumt, dass er gegenüber der Kindesmutter Gewalt ausgeübt hat. An dem Kind jedoch liege ihm viel, woran sich in seiner Zeit in Haft nichts geändert habe. Selbst nach einer eventuellen Abschiebung habe er vor, den Kontakt zu seiner Tochter zu halten.

Die Kindesmutter ist dem Antrag entgegen getreten und hat geltend gemacht, dass die Inhaftierung unter anderem auch auf Gewalt gegenüber dem gemeinsamen Kind beruht habe. Es sei ihr daher nicht zuzumuten, immer wieder den Schikanen des Antragstellers ausgesetzt zu sein, der immer dann, wenn die Ausländerbehörde versuche, ihn abzuschieben, auf sie zukomme, um einen angeblichen Kontakt mit seinem Kind nachzuweisen und die Abschiebung zu verhindern. Vor diesem Hintergrund hat sie den gestellten Antrag für willkürlich und rechtsmissbräuchlich gehalten.

Das Jugendamt hat berichtet, dass die Kindesmutter jeden Kontakt mit dem Antragsteller ablehne. Sie habe die Sorge geäußert, dass dieser Bilder der Tochter für andere Zwecke missbrauche und sie insbesondere für eine von ihm organisierte Entführung des Kindes nutze. Das Jugendamt selbst hat jedoch keine Gefahr einer Entführung oder Anhaltspunkte für andere unlautere Absichten des Kindesvaters gesehen.

Nachdem sich beide Beteiligten aufgrund einer Stellungnahme des für das Kind bestellten Ergänzungspflegers mit einer einvernehmlichen Regelung einverstanden erklärt hatten, hat sich das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss vom 08.07.2015 diese Regelung zu eigen gemacht und die Kindesmutter entsprechend verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft über die Entwicklung des Kindes in regelmäßigen Abständen von sechs Monaten zu erstatten und jeweils zwei aktuelle Fotos des Kindes auszuhändigen, mit der Maßgabe, dass der Bericht lediglich schriftlich zu erstatten sei, eine Versendung der Fotos für die Aushändigung in diesem Sinne genüge, der Antragsteller sich dazu verpflichte, die in seinen Besitz gelangten Fotos des Kindes dritten Personen nicht zugänglich zu machen, sie insbesondere auch nicht bei so genannten sozialen Netzwerken einzustellen, und der Antragsteller die Kosten, die durch die Anfertigung und Versendung des Berichtes entstehen, selbst zu tragen habe.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Kindesmutter mit ihrer am 31.07.2015 bei Gericht eingegangenen Beschwerde vom 28.07.2015.

Mit der Beschwerde beruft sie sich auf zwischenzeitlich eingetretene Tatsachen, die ausschließlich den Schluss darauf zuließen, dass es dem Antragsteller darum gehe, Macht auf die Kindesmutter auszuüben, nicht jedoch darum, Interesse am Kind zu zeigen. In einem Chat mit dem Bruder der Kindesmutter habe der Antragsteller hasserfüllte Aussagen und Hassparolen ihr und dem Kind gegenüber sowie Drohungen gegenüber der Familie geäußert und angedroht, das Kind zu entführen. Der Chat zeige eindeutig, dass es dem Antragsteller nur um Rache für seine gekränkte Ehre gehe.

Innerhalb des Chat-Verlaufs, der durch eine Freundschaftsanfrage des Bruders der Kindesmutter über Facebook ausgelöst wurde, beleidigt zunächst der Bruder der Kindesmutter den Antragsteller als „Opfer“ und „Filmeschieber“. Nach einigen Ausführungen darüber, wer eine große Klappe habe und warum, schreibt sodann der Antragsteller „Aber eins kannst du N ausrichten das ich gerne wegen ihr in dem Knast war wegen ihre lügen die acht Monaten was ich bekommen habe war keine Problem wirklich aber was sie jetzt durch zieht das ich mein Kind Sehen darf ih das größte Sünde sie soll glücklich sein mit mein Kind aber irgendwann sehen ich nehme in Kind egal wann die zeit wird kommen auch nach 50 Jahre egal die zeit Wird kommen ich habe das nicht vergessen was ihr beziehungsweise dein Vater und deine Mama gemacht habt kannst ihr ruhig sagen.“ Auf die Nachfrage des Bruders der Kindesmutter, ob er beabsichtige, das Kind zu entführen, erklärt er, dass seine Tochter einen Vater habe und er der Erzeuger sei. Nach weiteren gegenseitigen Beleidigungen schreibt der Antragsteller unter anderem „ich ficke euch mit Geld verstanden ich bib ein Betrüger und ein Betrüger kannst du nicht verarschen verstanden du hurensohn ich werde dein Familie ficken hast du verstanden gehe mir nicht auf den sack du hurensohn das was ich mit mein Tochter g habe ist dir scheiße egal“. Später schreibt er „das tut mir gar nicht weh das mein Tochter bei euch ist ich weiß das es ihr gut geht den ich bekomme meine Informationen.“ Im weiteren Verlauf heißt es dann „dein eklige Schwester will ja nicht das ich mein Tochter sehen will du kleine Hund ihr sieht alle wie Hunde aus.“ „Ja ich habe bitsches genau wie deine Schwester ein bitsch war und das mir von schiss egal das B jemand papa nennt das geht mir alles in arsch vorbei und noch was wenn ihr denkt das wegen Papiere hier bleiben wollte hätten die mich längst abgeschoben sogar aus den Knast du Hund du ich habe mein Pass und das weißt Jugendamt“ Der Chat-Verlauf endet damit, dass der Antragsteller schreibt: „Und grüß mal deine Schwester die ist so hässlich geworden das glaubst du selbst nicht einfach ekelhaft seit ihr und sag dein Schwester sie soll glücklich sein mit mein Kind.“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den in Ablichtung zur Akte gereichten 14-seitigen Chat-Verlauf Bezug genommen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 22.10.2015 auf die beabsichtigte Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Erörterung hingewiesen. Die Beteiligten haben hierauf nicht mehr reagiert.

II.

Die Beschwerde der Kindesmutter ist zulässig, aber nicht begründet.

1.
Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist sie nach § 58 FamFG statthaft und entsprechend den §§ 63ff. FamFG form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

2.
Die Beschwerde ist indes unbegründet. Die Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch des Antragstellers gegen die Kindesmutter liegen gem. § 1686 BGB vor.

a)
Die Beteiligten sind die Eltern des betroffenen Kindes.

b)
Es besteht ferner ein gegenwärtiges berechtigtes Interesse des Antragstellers an der verlangten Auskunft.

Ein solches liegt vor, wenn der den Anspruch geltend machende Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit hat, die maßgeblichen Informationen zu erhalten und der andere Elternteil über die begehrten Informationen verfügt (vergleiche Götz, in Palandt, Kommentar zum BGB, 74. Auflage 2015, zu § 1686 BGB Rn. 4 mit weiteren Nachweisen; OLG Koblenz, Beschluss vom 14.02.2014 – 13 WF 146/14 – FamRZ 2014, 1437).

Vorliegend hat der Antragsteller keine andere Möglichkeit, sich die erforderlichen Informationen zu beschaffen. Insbesondere gibt es keine Umgangskontakte mit dem Kind, welches aufgrund seines Alters ohnehin nur eingeschränkt in der Lage wäre, den Antragsteller adäquat zu informieren. Dass er sich im Chat damit brüstet, er bekomme seine Informationen, lässt nicht den Schluss auf eine geregelte verlässliche Informationsquelle zu, zumal diese Behauptung im Rahmen einer angeberischen Darstellung der eigenen Überlegenheit erfolgt ist und der Wahrheitsgehalt durchaus fraglich ist.

Die Kindesmutter als betreuender Elternteil verfügt dagegen unproblematisch über die begehrten Informationen.

c)
Die Auskunftsverpflichtung ist auch nicht ausgeschlossen, weil die Erteilung einer entsprechenden Auskunft dem Wohl des Kindes widerspräche.

Bei der Feststellung der Kindeswohlwidrigkeit ist ein strenger Maßstab anzulegen. Gründe, die zur Versagung eines Umgangsrechts führen, genügen für sich allein nicht zur Versagung des Auskunftsanspruchs. Dagegen kann ein Auskunftsanspruch abgelehnt werden, wenn der Elternteil mit der Auskunft lediglich rechtsmissbräuchliche Ziele verfolgt. Insoweit genügt jedoch nicht die subjektive Vermutung des anderen Elternteils, vielmehr muss sich aus den objektiven Umständen eine erhebliche Wahrscheinlichkeit des Missbrauchs der Informationen ergeben (vergleiche OLG Köln, Beschluss vom 28.06.1996 – 16 Wx 118/96 – FamRZ 1997, 111).

Vor diesem Hintergrund kann nicht von einer Missbrauchsabsicht des Antragstellers ausgegangen werden.

Zunächst sind keine objektiven Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Entführung des Kindes ersichtlich. Solche ergeben sich insbesondere auch nicht aus dem Chat mit dem Bruder der Kindesmutter. Soweit die Kindesmutter auf die Äußerung verweist, wonach der Antragsteller irgendwann das Kind zu sich nehmen will, so lässt sich aus der zitierten Passage kein Hinweis auf eine beabsichtigte Entführung entnehmen. Aus dem Verweis auf einen Zeitraum von 50 Jahren lässt sich im Gegenteil eher schließen, dass er die Hoffnung zum Ausdruck bringen will, dass er und das Kind jedenfalls in Zukunft einer Beziehung aufbauen können. Die Frage nach einer Entführung des Kindes wurde allein vom Bruder der Kindesmutter aufgeworfen, der Antragsteller hat hierauf indes nicht reagiert.

Auch die Behauptung, dass der Antragsteller mit dem Antrag lediglich einer Abschiebung entgegenwirken wolle, kann nicht auf Tatsachen gestützt werden. Auch insofern ist ein hinreichend sicherer Rückschluss auf die festzustellende Absicht des Antragstellers nicht möglich. Im Rahmen des Chatverlaufs wehrt sich der Antragsteller gegen die Vermutung, dass er abgeschoben werden solle.

Schließlich ergibt sich aus dem Chat-Verlauf auch nicht, dass der Antragsteller sich mit dem gestellten Antrag nur an der Kindesmutter rächen will. Entgegen der Auffassung der Kindesmutter enthalten die vorgelegten Passagen zunächst keinerlei Anfeindungen gegenüber dem Kind selbst. Soweit Drohungen gegenüber dem Bruder der Kindesmutter und Beleidigungen gegenüber ihr selbst ausgesprochen werden, handelt es sich hierbei um wenig erwachsenes Imponiergehabe, das allerdings auch durch Provokationen des Bruders der Kindesmutter ausgelöst wurde. Insbesondere stellt schon die den gesamten Vorgang auslösende Freundschaftsanfrage eine Provokation dar, auf die der Antragsteller zunächst noch sachlich mit der Aufforderung, ihn zu löschen, reagiert hat. Ausfallend wurde er erst nach weiteren Beleidigungen, dann allerdings ohne jedes Maß. Hinsichtlich der Einstellung des Antragstellers zu seinem Kind sind die dem Chatverlauf zu entnehmenden Äußerungen zwar ambivalent. Einerseits lässt der Antragsteller erkennen, dass er die Trennung von seiner Tochter für eine Sünde hält und auch in der Zukunft Kontakt zu ihr haben will und es ihm wichtig ist, dass es ihr gut geht. Andererseits äußert er, dass ihm die Verhältnisse des Kindes egal seien. Im Hinblick auf die zuletzt genannten Äußerungen ist jedoch zu beachten, dass der Antragsteller in der konkreten Kommunikationssituation seinem jüngeren Chatpartner gegenüber möglicherweise keine Schwäche zugeben konnte, sodass sie inhaltlich zu relativieren sein dürften.

Die Äußerungen des Antragstellers über die Kindesmutter lassen allerdings ihren Wunsch verständlich erscheinen, mit ihm keinen weiteren persönlichen Kontakt haben zu müssen. Da jedoch die Auskunftsverpflichtung nicht durch persönlichen Kontakt erfüllt werden muss, ist dies für den geltend gemachten Anspruch unerheblich (vergleiche OLG Köln, a.a.O.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Der Senat hat geprüft, ob ein besonders gelagerter Fall vorliegt, der eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnte. Hierfür sind indes Anhaltspunkte nicht ersichtlich.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 40, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.

Vorinstanz:
Amtsgericht Bottrop, 13 F 316/13

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