OLG Köln, Beschluss vom 10.07.2012 – 10 WF 75/12 –

Zu den Erwerbsanstrengungen eines Unterhaltsschuldners und zur Hinzurechnung eines fiktiven Einkommens

Verkündet am 10.07.2012

Oberlandesgericht Köln

Beschluss

In der Familiensache

… ./. …

wird die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Aachen vom 27. April 2012 (226 F 308/11) zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Das Amtsgericht hat das Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragsgegners mit Recht zurückgewiesen, weil seine Rechtsverteidigung nicht die nach § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Der Antragsgegner wird nach seinem derzeitigen Sachvortrag nicht den Nachweis führen können, dass er bisher trotz der ihm obliegenden äußersten Erwerbsanstrengungen nicht in der Lage gewesen ist, eine Beschäftigung zu finden, die es ihm ermöglichen würde, den Mindestunterhalt seines Sohnes von monatlich 272,00 € aufzubringen. Der Antragsgegner musste sich bereits frühzeitig seiner verschärften Unterhaltspflicht (§ 1603 Abs. 2 BGB) gegenüber dem minderjährigen Kind bewusst sein und hätte alle erdenklichen Bemühungen auf sich nehmen müssen, um dessen Lebensunterhalt sicherstellen zu können. Er kann sich nicht mit Aussicht auf Erfolg darauf berufen, dass er allenfalls die Chance gehabt habe, eine Stelle als ungelernter Hilfsarbeiter zu finden. Auf Grund seiner Umschulung als Reiseverkehrskaufmann hätte er sich schon seit längerer Zeit auf eine Beschäftigung in diesem Erwerbszweig einstellen, durch Meldungen beim Arbeitsamt, Suchen im Internet und regelmäßige Lektüre der einschlägigen örtlichen Tageszeitungen entsprechende Stellenangebote ausfindig machen und sich nachhaltig schriftlich auf alle danach in Betracht kommenden Tätigkeiten als Reiseverkehrskaufmann bewerben müssen. Mit der von ihm vorgelegten Liste mit Anschriften von Reisebüros und Reiseveranstaltern vermag er nicht zu dokumentieren, dass er den an ihn zu stellenden Anforderungen genügt hat. Insbesondere fehlt es an der Darlegung von Stellenangeboten, darauf bezogenen auch inhaltlich nachprüfbaren Bewerbungen und der daraufhin erfolgten Reaktionen des potentiellen Arbeitgebers. Da der Antragsgegner auf Grund seiner früheren Beschäftigungen mit zahlreichen attraktiven Reisezielen auch im außereuropäischen Ausland bereits vertraut ist, er die englische Sprache beherrscht und redegewandt ist, worauf seine Auftritte als Animateur und Radiomoderator schließen lassen, wäre er bei gutem Willen nach den Gegebenheiten des Arbeitsmarktes sicher in der Lage gewesen, mit attraktiven Stellenbewerbungen eine Beschäftigung als Reiseverkehrskaufmann zu finden. Selbst wenn er keine ihn höher qualifizierenden Berufserfahrungen hätte vorweisen können, so hätte er die Chance gehabt, als vollschichtig beschäftigter Berufseinsteiger zumindest das ihm vom Amtsgericht angesonnene monatliche Einkommen von 1.750,00 € brutto entsprechend 1.222,00 € netto zu erzielen. Das durchschnittliche tarifliche Einkommen von Reiseverkehrskaufleuten beläuft sich anfänglich sogar auf knapp 2.000,00 € brutto. Wenn dem Antragsgegner gleichwohl wegen gewisser berufsbedingter Aufwendungen ein Fehlbetrag bis zu seinem notwendigen Selbstbehalt entstanden sein würde, so hätte er diesen durch eine geringfügige Nebentätigkeit auffangen können, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat. Er muss sich daher fiktiv so behandeln lassen, als erziele er seit Beginn des Anspruchszeitraums zur Zahlung des Monatsunterhalts von 272,00 € ausreichende Erwerbseinkünfte. Mit der seit Ende Mai 2012 ausgeübten Tätigkeit als Auslieferungsfahrer schöpft der Antragsgegner seine Möglichkeiten bei weitem nicht aus.

Die Antragstellerin kann den Unterhalt gemäß § 1613 BGB schon seit Oktober 2011 beanspruchen, da der Antragsgegner spätestens auf Grund der Übersendung des verfahrenseinleitenden Antrags mit Anwaltsschreiben vom 12. Oktober 2011 mit der Zahlung in Verzug geraten ist, sollte er die Zahlung nicht schon vorher, ernsthaft und endgültig abgelehnt haben.

Die von dem Antragsgegner herangezogene Rechtsprechung des Bundesverfasungsgerichts steht dieser Entscheidung nicht entgegen.

Köln, den 10. Juli 2012
Oberlandesgericht, 10. Zivilsenat (Familiensenat) Der Einzelrichter

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