OLG Saarbrücken Beschluss vom 06.11.2009, 9 WF 93/09

Zu den Voraussetzungen des Entzugs von Teilbereichen der elterlichen Sorge im einstweiligen Anordnungsverfahren

Gründe

I.

Aus der am 16. Mai 1995 geschlossenen und durch Urteil des Amtsgericht – Familiengericht – Merzig vom 1. Oktober 2008 – 20 F 110/07 S – rechtskräftig geschiedenen Ehe der Kindeseltern (Bl. 40, 41 d. BA 20 F 110/07 S ) sind die Kinder S., geboren am … September 1995, I., geboren am … März 1999 und Y., geboren am … Januar 2004, hervorgegangen.

In dem hiervon abgetrennten und als isolierte Folgesache weiter geführten Verfahren 20 F 197/08 SO (vgl. Bl. 54, 55 d. BA 20 F 197/08 SO) schlossen die Kindeseltern, denen das Sorgerecht gemeinsam zusteht, nachdem sie sich zunächst in dem Verfahren 20 F 50/07 UG des Amtsgerichts – Familiengericht – Merzig in einer umfassenden Vereinbarung vom 18. April 2007 (Bl. 7, 8 d. BA 20 F 50/07 UG) auf Umgangskontakte des Antragsgegners mit den Kindern geeinigt hatten, am 1. Oktober 2008 eine umfassende und vom Familiengericht zum Beschluss erhobene Vereinbarung, in der unter anderem geregelt worden war, dass der Aufenthalt der Kinder im Haushalt der Kindesmutter ist und der Kindesmutter das Sorgerecht für die Bereiche Beantragung ambulanter Hilfen nach dem KJHG und im Bereich Gesundheitssorge die Entscheidung über ambulante ärztliche Behandlung der Kinder übertragen wird (Bl. 55, 57 d. BA 20 F 197/08 SO).

Ferner war mit Verfügung vom 2. September 2008 des Amtsgerichts – Familiengericht – Merzig von Amts wegen ein isoliertes Umgangsverfahren betreffend die Kinder S., I. und Y. angelegt worden (20 F 172/08 UG) und mit Beschluss vom 3. September 2008 für die betroffenen Kinder Verfahrenspflegschaft angeordnet sowie Frau R. B.-B. zur Verfahrenspflegerin bestellt worden (Bl. 2, 3 d. BA 20 F 172/08 UG). Mit weiterem Beschluss vom 1. Oktober 2008 wurde in diesem Verfahren den Kindeseltern das Recht zur Regelung des Umgangs betreffend die Kinder S., I. und Y. entzogen und Umgangspflegschaft (Umgangspflegerin U. S.) angeordnet.

In einem von der Kindesmutter mit Faxschreiben vom 30. Dezember 2008 eingeleiteten Verfahren erstrebte diese die Herausgabe des Kindes S. (20 F 1/09 HK des Amtsgerichts- Familiengericht – Merzig) sowie mit durch Faxschreiben vom 9. Januar 2009 eingeleiteten Verfahren die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder I. und Y. auf sich allein (20 F 10/09 SO des Amtsgerichts- Familiengericht – Merzig). In diesen Verfahren schlossen die Kindeseltern – der Kindesvater beabsichtigte einen Umzug unter Mitnahme von S. – am 14. Januar 2009 zwecks Erledigung beider Verfahren eine umfassende Vereinbarung, in der unter anderem geregelt war, dass S. derzeit weder in den väterlichen noch den mütterlichen Haushalt wechselt, S. gemäß einem von der Kindesmutter zu stellenden Antrag auf Heimerziehung in eine Jugendwohngruppe wechseln soll und das Kind bis zur Entscheidung des Jugendamtes im Haushalt der Großmutter väterlicherseits verbleibt (Bl. 37 ff d. BA 20 F 1/09 HK, Bl. 5 ff d. BA 20 F 10/09 SO).

Das Jugendamt teilte mit Schreiben vom 1. April mit, dass die Hilfe zur Erziehung in Form einer Heimerziehung für S., die am 23. Januar 2009 durch Aufnahme in eine Wohngruppe begonnen hatte, am 28. März 2009 durch die Kindesmutter entgegen dem Rat der Wohngruppe und des Jugendamtes beendet worden sei (Bl.41, 42 d. BA 20 F 1/09 HK).

In einem im Hinblick auf die Mitteilung der Umgangspflegerin (Frau S.) vom 3. April 2009, wonach ihr der Kindesvater per E-Mail mitgeteilt habe, in Zukunft keinen Umgang mit den Kindern zu haben, vom Amtsgericht – Familiengericht – Merzig eingeleiteten Umgangsverfahren (20 F 67/09 BA UG) war der Kindesvater in dem auf den anberaumten Termin vom 29. April 2009, in dem die Kinder angehört worden waren, nicht erschienen. Das Sitzungsprotokoll, das den Hinweis enthält, dass der Kindesvater aus Gründen des Kindeswohls verpflichtet sei, Kontakt zu der Umgangspflegerin zur Fortführung der Umgangskontakte aufzunehmen, wurde dem Kindesvater zugestellt (Bl. 20 d. BA 20 F 67/09 UG).

Am 5. Juni 2009 suchte das Kind S. zusammen mit dem Kindesvater ohne Wissen der Kindesmutter und der Umgangspflegerin das Jugendamt in M. auf, am 7. Juni 2009 wechselte S. in den Haushalt der Großmutter. Ferner wurde von der Umgangspflegerin festgelegt, dass S. die Sommerferien bei dem Kindesvater verbringen soll.

Mit einem am 2. Juli 2009 eingegangenen und mit einem Prozesskostenhilfegesuch verbundenen Antrag erstrebte die Kindesmutter die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Kinder S., I. und Y. auf sich allein.

Sie hat dies damit begründet, dass es zum Wohl des Kindes S. erforderlich sei, dass dieses erneut in eine Wohngruppe eingewiesen werde, die Großmutter sei mit der Betreuung und Erziehung des Kindes überfordert. Der Kindesvater habe sich vehement gegen eine solche Maßnahme ausgesprochen. Sie, die Kindesmutter, sehe ein, eine Fehlentscheidung getroffen zu haben, als sie S. auf deren Flehen hin aus der Einrichtung genommen habe. Auch bezüglich der Kinder I. und Y. sei mit Blick auf das – näher beschriebene – Verhalten des Kindesvaters das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf sie zu übertragen, die Kinder kämen oftmals verstört von Besuchen zurück. Für die Übertragung dieses Sorgerechtsbereiches spreche auch, dass der Kindesvater an einer ernstzunehmenden psychischen Erkrankung leide, deren Behandlung er abgebrochen habe. Er sei mehrfach – auch in Gegenwart der Kinder – sowohl ihr als auch ihrem jetzigen Ehemann gegenüber gewalttätig geworden. Hinzu komme, dass der Kindesvater innerhalb kurzer Zeit mehrfach umgezogen sei.

Der Kindesvater ist dem mit am 21. Juli 2009 eingegangenen Schriftsatz vom 16. Juli 2009 entgegen getreten und hat die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind S. auf sich allein beantragt.
Mit einem am 22. Juli 2009 eingegangenen Antrag vom 16. Juli 2009 hat er beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind S. auf ihn allein zu übertragen.

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass es bezüglich der Kinder I. und Y. keinen Regelungsbedarf gebe, da die Kinder im Haushalt der Kindesmutter lebten und er hiermit einverstanden sei. Was S. anbelange, habe diese erklärt, beim Vater leben zu wollen. Bei ihm sei eine Betreuung sichergestellt. Entgegen der Darstellung der Kindesmutter habe diese S. am 26. März 2009 in der Wohngruppe abgemeldet und, nachdem das Kind zunächst in ihrem Haushalt gelebt hat, am 7. Juni 2009 aus dem Haus geworfen. Auch leide er nicht an unbehandelten ernstzunehmenden psychischen Erkrankungen.

Nach Einholung einer Stellungnahme der Verfahrenspflegerin (Bl. 41 d.A.) und Anhörung der Kindeseltern, der Kinder, der Vertreterin des Jugendamtes und der Umgangspflegerin im Termin vom 5. August 2009 (Bl.42 ff d.A.) hat das Amtsgericht- Familiengericht – Merzig mit dem angefochtenen Beschluss vom 12. August 2009, auf den Bezug genommen wird (Bl. 52 ff d.A.), im Wege einstweiliger Anordnung den Antrag des Antragsgegners vom 16. Juli 2009 auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind S. im einstweiligen Anordnungsverfahren zurückgewiesen und in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Merzig vom 1. Oktober 2008 – 20 F 197/08 SO – den Kindeseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge, die schulischen Angelegenheiten und das Recht zur Beantragung und Durchführung von Hilfen zur Erziehung betreffend das gemeinsame Kind S. entzogen, Ergänzungspflegschaft angeordnet und das Jugendamt des Landkreises M.- W. zum Ergänzungspfleger bestellt. Ferner hat es die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Kindeseltern, des zukünftigen Aufenthalts von S., der Regelung des zukünftigen Umgangs des Kindesvaters mit den Kindern I. und Y. sowie der Regelung der elterlichen Sorge betreffend S., I. und Y. angeordnet.

Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Zurückweisung des Antrages des Kindesvaters, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind S. zu übertragen, sowie die Abänderung des Beschlusses vom 1. Oktober 2008 in dem Verfahren 20 F 197/08 SO nach Maßgabe des Tenors zur Abwendung einer Gefahr für das Kind S. im Wege der einstweiligen Anordnung geboten gewesen sei (§§ 1666, 1666a BGB). Es bestünden erhebliche Bedenken gegen die Erziehungsfähigkeit beider Eltern. So sei es innerhalb eines Jahres zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen S. und der Kindesmutter gekommen mit der Folge, dass die Kindesmutter einen weiteren Verbleib von S. in ihrem Haushalt abgelehnt habe. Ferner habe sich die Kindesmutter über das Dritten zugängliche Internet- Portal „Wer kennt wen“ mit S. ausgetauscht und Äußerungen von S. negativ kommentiert, womit sie den ohnehin bestehenden Konflikt verschärft habe. Auch habe sie entgegen dem Rat der fachkundigen Beteiligten S. aus der Wohngruppe herausgenommen. Was den Kindesvater anbelange, bestünden erhebliche Bedenken, dass dieser in der Lage sei, die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Erziehungsverhältnisse für S. sicherzustellen. So habe er seit 2007 mehrfach den Aufenthaltsort gewechselt, auch sei er ins Schuldnerregister eingetragen und wegen Verletzung der Unterhaltspflicht vorbestraft (Verfahren 25 Ds 3 Js 1764/07). Ferner sei die
Entwicklung mit Blick auf die Äußerung in der E-Mail vom 31. März 2009, keinen Umgang mit den Kindern haben zu wollen, abzuwarten. Der aktuell von S. geäußerte Wunsch zu ihrem Aufenthalt sei im Hinblick darauf, dass sie ihre Meinung, wie die verschiedenen Anhörungen gezeigt hätten, mehrfach geändert habe, nicht entscheidend. Durch den ständigen Aufenthaltswechsel, wie er in der Vergangenheit zwischen Kindesmutter- Großmutter- Wohngruppe – Großmutter – Kindesvater erfolgt sei, sei eine Kontinuität der Lebensverhältnisse von S. nicht gegeben und damit das Kindeswohl gefährdet, wobei der Verdacht bestehe, dass der jeweilige Meinungswechsel von S. auf die Beeinflussung eines, wenn nicht sogar beider Elternteile zurückzuführen sei, wie die wechselseitig erhobenen Vorwürfe der Kindeseltern anlässlich der Anhörungen nahe legten. S. sei offensichtlich zwischen beiden Elternteilen hin- und hergerissen. Die Eltern seien nicht in der Lage, insoweit zu einem Konsens zu gelangen.

Da ein dauerhafter Aufenthalt von S. bei der Kindesmutter an deren ablehnendem Verhalten scheitere und im Falle eines Wechsels zum Kindesvater stabile Verhältnisse nicht gewährleistet seien, wobei insoweit eine Trennung von Geschwistern, Freunden und ein Schulwechsel hinzukämen, der Kindesvater aber auch einen Aufenthalt von S. in einer Wohngruppe ablehne und die Gefahr einer Herausnahme aus der Wohngruppe bestehe, sei – auch um zu verhindern, dass der Kindesvater an seinem Wohnsitz vollendete Tatsachen schaffe – die Entziehung der genannten Sorgerechtsbereiche und deren Übertragung auf einen Ergänzungspfleger notwendig, wofür sich auch die Verfahrenspflegerin und die Umgangspflegerin ausgesprochen hätten.

Gegen den ihm am 24. August 2009 zugestellten Beschluss (Bl. 63 d.A.) hat der Kindesvater mit am 7. September 2009 eingegangenem Faxschreiben sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 67 ff d.A.), mit dem er eine Aufhebung des Beschlusses Ziffer I und II sowie im Wege der einstweiligen Anordnung die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind S. auf sich erstrebt. Er verweist darauf, dass S. sich zu einer Zeit, als er sich nach Insolvenz seines Arbeitgebers um eine neue Arbeitsstelle bemüht und eine solche in Bayern gefunden habe, den Wunsch geäußert habe, bei ihm zu leben, sie habe von täglichen Spannungen mit der Kindesmutter berichtet. Sie fühle sich als Spielball zwischen Jugendamt und Kindesmutter und von diesen beeinflusst. Sie habe nur aus Angst, bei der Kindesmutter Schlimmeres erdulden oder wieder in eine Wohngruppe – wie geschehen – zu müssen, gegen ihn ausgesagt. Da er gegenüber S. immer geäußert habe, nicht in der Lage zu sein sie zu sich zu nehmen, habe sich das Kind in Anhörungen und dergleichen so geäußert, wie es bei dem Gericht „angekommen“ sei. Tatsächlich habe S. seit 2007 den Wunsch, zu ihm zu wechseln. Von daher sei der Vorwurf wechselhaften Wohnverhaltens einerseits und fehlender Verantwortlichkeit andererseits widersprüchlich. Auch beruhten die ständigen Aufenthaltswechsel zum Teil, nämlich soweit es den Wechsel in eine Wohngruppe anbelange, auf gerichtlichen Entscheidungen. In Wahrheit liege kein Meinungswechsel von S. vor, diese habe sich lediglich nach ihrer jeweiligen und in einer für sie nicht anders zu beurteilenden Lebenssituation erklärt. Nunmehr erkläre sich S. deutlich, nachdem die objektiven Voraussetzungen geschaffen seien. Er habe seit dem 1. Mai 2009 einen Arbeitsvertrag mit der Fa. F. V. GmbH und sei ab dem 1. August 2009 als Verantwortlicher für die Logistik im Vertriebsbüro in < Ort: S.> eingesetzt (Arbeitsvertrag Bl. 97 ff d.A.). Er beziehe ein monatliches Bruttogehalt von 2.800 EUR. Ferner habe er ab dem 1. September 2009 eine eigene 3- Zimmer – Wohnung beziehen können (Mietvertrag Bl. 91 ff d.A.).

Der Antragsgegner beantragt,

1. den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Merzig vom 12. August 2009 – 20 F 112/09 SOEA in Ziffer I und II aufzuheben,

2. unter Abänderung von Ziffer 1. des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Merzig vom 12. August 2009 – 20 F 112/09 SOEA – ihm im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind S., geboren am 24. September 1995, auf ihn allein zu übertragen.

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Hinreichende Anhaltspunkte für eine gefestigte Situation und insoweit für eine Kontinuität in den Lebensumständen des Kindesvaters, die für S. unabdingbar seien, seien nicht gegeben. Derzeit sei eine erneute Änderung in den Lebensumständen von S. dem Kindeswohl nicht förderlich.

Die Verfahrenspflegerin hat in einem Bericht vom 12. Oktober 2009 Stellung genommen (Bl. 115 ff d.A.). Sie hat sich im Hinblick darauf, dass S. sich offensichtlich mit ihrer Situation, dem Wohnen in einer Wohngruppe, arrangiert habe und davon spreche, in einer Wohngruppe zu bleiben oder in ein betreutes Wohnen zu wechseln, gegen eine Änderung gemäß dem Beschwerdebegehren ausgesprochen. Es entspreche dem Kindeswohl am ehesten, wenn S. in Ruhe und Distanz zu ihrem Familiensystem an einem festen Ort sich selbst, ihre Bedürfnisse und Entwicklung stärker in den Blick nehmen könne.

Das Jugendamt hat sich in einer Stellungnahme vom 12. Oktober 2009 (Bl. 117 a d.A.) ebenfalls für eine Beibehaltung der von dem Familiengericht angeordneten Maßnahmen ausgesprochen, da die Eltern die auf Paarebene bestehenden Konflikte auf der Kindesebene zu lösen suchten und die Kinder zur Durchsetzung der eigenen Interessen instrumentalisiert würden. S. müsse sich immer wieder zwischen den Eltern entscheiden. Von daher bestehe eine drohende Kindeswohlgefährdung, da S. durch die Konflikte der Erwachsenen in ihrer Entwicklung nachhaltig beeinträchtigt werde.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogenen Verfahrensakten 20 F 110/07 S, 20 F 50/07 UG, 20 F 172/08 UG, 20 F 1/09 HK, 20 F 10/09 SO und 20 F 67/09 UG Bezug genommen.

II.

Gemäß Art. 111 FGG-RG findet das bis zum 31. August 2009 geltende Recht Anwendung.

Die gemäß §§ 621 g, 620 c S. 1, 620 d, 621 Abs.1 Nr. 1, 567 ff ZPO zulässige Beschwerde des Antragsgegners bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Die auf Grund eines beanstandungsfreien Verfahrens im Wege einer einstweiligen Anordnung getroffene Entscheidung des Familiengerichts, mit dem es den Antrag des Antragsgegners vom 16. Juli 2009 auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind S. im einstweiligen Anordnungsverfahren zurückgewiesen und in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Merzig vom 1. Oktober 2008 – 20 F 197/08 SO – den Kindeseltern (bzw. der Kindesmutter) das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge, die schulischen Angelegenheiten und das Recht zur Beantragung und Durchführung von Hilfen zur Erziehung betreffend das gemeinsame Kind S. entzogen, Ergänzungspflegschaft angeordnet und das Jugendamt des Landkreises M.- W. zum Ergänzungspfleger bestellt hat, begegnet bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken und hält den Beschwerdeangriffen stand.

1.

Eingriffe in das Recht der Personensorge wegen Fehlverhaltens des Sorgeberechtigten gemäß §§ 1666, 1666 a BGB kommen nur in Betracht, wenn das Wohl des Kindes gefährdet wird, sofern die Sorgeberechtigten nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr selbst abzuwenden. Die Trennung des Kindes von den sorgeberechtigten Eltern darf darüber hinaus gemäß § 1666 a Abs. 1 BGB nur erfolgen, wenn das Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht hat, dass das Kind in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist und dieser Gefahr nicht auf andere Weise -auch nicht durch öffentliche Hilfe – begegnet werden kann (BVerfG, FamRZ 2002, 1021; statt aller: Beschluss des Senats vom 24. Juni 2009, 9 UF 113/08, m.w.N., Beschl. v. 20. Juni 2008, 9 UF 32/08, JAmt 2008, 441, m.z.w.N.; Saarländisches Oberlandesgericht, 2. Zivilsenat, Beschluss vom 9. Februar 2006 – 2 UF 30/05 -; BayObLG, FamRZ 1998, 1044, m.w.N.).

Zwar muss bei einer solchen Maßnahme der besondere Schutz beachtet werden, unter dem die Familie sowohl nach dem Grundgesetz (Art. 6 GG) als auch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 8 EMRK) steht. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die Kindeseltern, gemessen an den Fähigkeiten des Kindes, in der Lage sind, es bestmöglich zu versorgen, da die Eltern und deren sozio-ökonomisches Verhältnis grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes zählen (Palandt/Diederichsen, BGB, 68. Aufl., § 1666, Rz. 9). Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschließen oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen. Es gehört nicht zur Ausübung des Wächteramtes des Staates, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Erziehung und Förderung des Kindes zu sorgen. Die Art der Erziehung obliegt zunächst den Eltern. Dabei ist in Kauf zu nehmen, dass Kinder durch das Verhalten ihrer Eltern Nachteile erleiden (BVerfG E 60, 79; FamRZ 2006, 1593; FamRZ 2008, 492 sowie FamRZ 2008, 2185). Andererseits sind die Eltern ihrem Kind gegenüber zur Pflege und Erziehung verpflichtet. Maßstab für zu treffende Entscheidungen ist das Wohl des Kindes, also der umfassende Schutz des in der Entwicklung befindlichen jungen Menschen. Erreicht elterliches Fehlverhalten ein solches Ausmaß, dass das Kind bei einem Verbleib unter der Obhut des sorgeberechtigten Elternteils in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist und andere Maßnahmen zur Beseitigung der Kindeswohlgefährdung nicht in Frage kommen, ist die Entziehung des Sorgerechts unumgänglich (siehe auch Senat, Beschl.v. 16. Oktober 2009, 9 WF 98/09, m.w.N., Beschl.v. 2. April 2009, 9 UF 15/09, m.w.N., Beschl.v. 23. März 2005, 9 UF 128/03, OLGR 2005, 531, m.w.N.).

Da die Trennung des Kindes von seinem sorgeberechtigten Elternteil gegen dessen Willen den stärksten vorstellbaren Eingriff in das Elternrecht darstellt, der in gleichem Maße das Kind betrifft, ist eine Gefährdung des Kindeswohls, die zu einer teilweisen oder vollständigen Entziehung des Sorgerechts führen kann, dann anzunehmen, wenn die begründete gegenwärtige Besorgnis besteht, dass bei Nichteingreifen das Kindeswohl erheblich beeinträchtigt würde. Erforderlich ist der Eintritt eines sich mit einiger Sicherheit abzeichnenden Schadens, eine nur zukünftig drohende Gefahr genügt nicht (Senat, aaO, m.w.N.; BGH, FamRZ 1996, 1031; OLG Hamm, FamRZ 2006, 359; OLG Köln, FamRZ 2006, 877; OLG Brandenburg, FamRZ 2009, 63, m.w.N. sowie OLGR Brandenburg 2004, 114, m.w.N.).

2.

Die gebotene summarische Prüfung dieser Voraussetzungen im einstweiligen Anordnungsverfahren führt hier dazu, eine entsprechende Gefährdung des Kindeswohls zu bejahen. Insoweit besteht auch zur Überzeugung des Beschwerdegerichts die Befürchtung, dass ohne Erlass der in Rede stehenden Entscheidung vor der abschließenden Klärung eine nachhaltige Beeinträchtigung des Kindeswohls eintreten könnte.

a)

Ein Regelungsbedürfnis ergibt sich aus dem Umstand, dass für S., worauf die Verfahrenspflegerin und die Vertreterin des Kreisjugendamtes bereits im ersten Rechtszug hingewiesen haben und dem sich das Familiengericht auf der Grundlage der Anhörung der Beteiligten und des betroffenen Kindes angeschlossen hat, ein stabiles Umfeld geschaffen werden muss, in dem sie sich altersgerecht entwickeln kann. Eine altersgerechte Entwicklung von S. ist derzeit bei keinem Elternteil gewährleistet. Von daher ist die Übertragung der elterlichen Sorgerechtsbereiche für das betroffene Kind S. auf einen Vormund ist im Interesse des Wohles des Kindes geboten.

Die gemeinsame elterliche Sorge beider Elternteile für die in Rede stehenden Sorgerechtsbereiche schied als Regelungsmöglichkeit ersichtlich aus, weil die insoweit erforderliche Bereitschaft und Fähigkeit der Elternteile, sich über die Belange des Kindes in angemessener Form zu verständigen, nicht einmal ansatzweise vorhanden ist, wie die zahlreichen eingeleiteten Verfahren und wechselseitig erhobenen Vorwürfe – sei es schriftsätzlich, sei es im Rahmen der jeweiligen Anhörungen – zeigen. Das Fehlen jedweder Verständigungsmöglichkeit wird ferner eindrucksvoll dadurch belegt, dass, wie das Familiengericht unangefochten festgestellt hat, selbst die Umgangspflegerin nur mit Mühe Umgangskontakte zustande zu bringen vermag.

Auch die Übertragung der elterlichen Sorge für die streitgegenständlichen Bereiche auf einen Elternteil allein kam nicht in Betracht. Denn beide Elternteile sind – was ihnen beiden offenbar nicht bewusst ist – so sehr in ihren eigenen Problemen sowie in ihrer Abneigung, ihren Vorwürfen und ihrem Misstrauen gegen den jeweils anderen Elternteil sowie den mit erheblicher Intensität – wie die Vielzahl der anhängig gemachten Verfahren eindrucksvoll belegt – ausgetragenen Paarkonflikt gefangen, dass sie beide nicht in der Lage sind, sich in angemessener Weise um die Belange des betroffenen Kindes zu kümmern.

In der gegebenen Situation waren der Entzug der in Rede stehenden Bereiche der elterlichen Sorge und deren Übertragung auf einen Vormund unvermeidlich (vgl. hierzu auch OLG Köln, FamRZ 2009, 129). Denn das betroffene Kinder ist derzeit auf Grund seiner eigenen Probleme dringend darauf angewiesen, dass einer Person bzw. Institution jedenfalls im Wege einer vorläufigen Regelung die rechtliche Kompetenz zur Regelung seiner Belange anvertraut wird, die mit der gebotenen Kompetenz und Konsequenz sowie ausschließlich auf das Wohl des betroffenen Kindes bedacht die Maßnahmen trifft, die für es erforderlich sind. Beide Elternteile sind hierzu derzeit ersichtlich nicht in der Lage.

S. ist, wie dies in den von dem Familiengericht anlässlich der verschiedenen Anhörungen protokollierten Aussagen (s.o.) zum Ausdruck gekommen ist, offensichtlich zwischen den Eltern hin- und hergerissen. Ein klar definierter Wille, bei welchem Elternteil sie dauerhaft leben will, ist auf der Grundlage des sich im Beschwerderechtszug darstellenden Sach- und Streitstandes nicht feststellbar. S. hat sich im Rahmen der verschiedenen Anhörungen, wie sie von dem Familiengericht vorgenommen und protokolliert worden sind (Anhörung vom 1. Oktober 2008, Verfahren 20 F 172/08 UG, Anhörung vom 14. Januar 2009, Verfahren 20 F 1/09 HK, Anhörung vom 29. April 2009, Verfahren 20 F 67/09 UG, Anhörung vom 5. August 2009 in diesem Verfahren), völlig unterschiedlich geäußert. Von daher drängt sich der Verdacht auf, dass S. von beiden Elternteilen instrumentalisiert und das Kind aufgrund der ständigen Spannungen und Beeinflussungen nicht in der Lage ist, einen eigenen Willen zu bilden. Diese Einschätzung steht auch in Einklang mit den von dem Jugendamt in seinem Bericht vom 12. Oktober 2009 getroffenen Feststellungen, wonach ein erheblicher Paarkonflikt besteht und die Kinder zur Durchsetzung der eigenen Interessen der Eltern instrumentalisiert werden (Bl. 117 a d.A.), sowie mit der von der Verfahrenspflegerin in ihrem Bericht vom 12. Oktober 2009 gewonnenen Einschätzung, dass S. durch die Verbringung in eine Wohngruppe von ihrer früheren Not, sich ständig neu zwischen den sich streitenden Elternteilen und zum Teil auch der erweiterten Familie entscheiden und positionieren zu müssen, entlastet worden ist (Bl. 115, 116 d.A.). Auf Grund dieser Situation besteht eine drohende Kindeswohlgefährdung, die es angezeigt erscheinen lässt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die weiteren Sorgerechtsbereiche Gesundheitssorge, schulische Angelegenheiten und das Recht zur Beantragung und Durchführung von Hilfen zur Erziehung betreffend das gemeinsame Kind S. auf das Jugendamt zu übertragen und das Kind von dem extremen Loyalitätskonflikt zu befreien.

Eine Belassung der in Rede stehenden Sorgerechtsbereiche bei der Kindesmutter kommt nicht in Betracht. Der Senat tritt der – von der Kindesmutter im Ergebnis nicht angegriffenen – Wertung des Familiengerichts, dass erhebliche Bedenken gegen die Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter bestehen und diese nicht in der Lage ist, das für eine gedeihliche Entwicklung von S. erforderliche Umfeld zu schaffen, bei. Die Kindesmutter hat S. gegen den Rat der fachkundig Beteiligten bereits einmal aus einer Wohngruppe herausgenommen. Es kam, als S. im Haushalt der Kindesmutter lebte, mehrfach zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen der Kindesmutter und S. mit der Folge, dass die Kindesmutter einen weiteren Verbleib von S. in ihrem Haushalt abgelehnt hat. Ferner hat sich die Kindesmutter über das Dritten zugängliche Internetforum „Wer-kennt-wen“ mit S. ausgetauscht und Äußerungen bzw. Verhaltensweisen von S. negativ und in einer für ein Kind in Saskias Alter unangemessenen Weise kommentiert. Diese Verhaltensweisen der Kindesmutter tragen nicht nur zu einer Verschärfung des – wie durch die Interneteinträge eindrucksvoll belegt – Mutter-Tochter-Konflikts bei, sondern sind der altersgerechten Entwicklung von S. abträglich und gefährden ebenfalls das Kindeswohl.

Nach den von dem Familiengericht beanstandungsfrei getroffenen Feststellungen, die durch das Beschwerdevorbringen nicht in rechtserheblicher Weise in Frage gestellt werden, kommt eine Belassung der in Rede stehenden Sorgerechtsbereiche bei dem Kindesvater ebenfalls kommt nicht in Betracht. Denn es kann derzeit (noch) nicht davon ausgegangen werden, dass bei einem Wechsel von S. in den väterlichen Haushalt eine stabile Situation, die eine Kontinuität und Verlässlichkeit in den Erziehungsverhältnissen, die S. für ihre gedeihliche Entwicklung benötigt, gewährleistet ist. Der Kindesvater hat seit 2007 mehrfach den Aufenthaltsort gewechselt. Dies mag, worauf er hinweist, beruflich bedingt sein. Dies ändert aber nichts daran, dass sich die Lebensumstände beim Kindesvater diskontinuierlich gestalten. Dass sich die Situation nunmehr vor dem Hintergrund einer in < Ort: S.> gefundenen Anstellung nachhaltig geändert hat, kann derzeit noch nicht verlässlich festgestellt werden. Eine wie bisher nicht von Kontinuität geprägte Lebenssituation bedeutet jedoch eine Gefährdung für das Wohl des Kindes S..

Da, wie das Familiengericht unangefochten festgestellt hat, ein Einvernehmen der Kindeseltern über einen wie von der Verfahrenspflegerin und der Vertreterin des Jugendamtes empfohlenen Aufenthalt von S. in einer Wohngruppe nicht besteht – so habe sich der Kindesvater gegen einen solchen Aufenthalt ausgesprochen – und vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen – die Kindesmutter hatte S. bereits einmal aus einer Wohngruppe herausgenommen – die Gefahr besteht, dass S. entgegen dem Rat der fachkundigen Beteiligten aus der Wohngruppe herausgenommen wird, sind den Kindeseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie die weiteren Sorgerechtsbereiche zu entziehen.

b)

Vor diesem Hintergrund kommt derzeit eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Antragsgegner für das Kind S., geboren am 24. September 1995, im Wege der einstweiligen Anordnung bzw. eine Abänderung der von dem Familiengericht in Ziffer II des angefochtenen Beschlusses im Wege der einstweiligen Anordnung getroffenen Entziehung von Teilbereichen des Sorgerechts (hier: Aufenthaltsbestimmungsrecht) nicht in Betracht.

Im selbstständigen Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge gemäß § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO besteht zwar die Möglichkeit, auf Antrag Regelungen im Wege einstweiliger Anordnung zu treffen, § 621 g ZPO. Eine solche einstweilige Anordnung, die auch nur Teilbereiche der elterlichen Sorge erfassen kann, ist nur zulässig, wenn ein Regelungsbedürfnis, also ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten besteht, das ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet, weil diese zu spät kommen und die Kindesinteressen nicht genügend wahren würde (OLG Karlsruhe, FamRZ 1990, 304; Zöller/Philippi, ZPO, 28. Aufl., § 621 g, Rz. 2). Dazu reicht es nicht aus, dass die gerichtliche Entscheidung dem Wohle des Kindes am besten entsprechen würde, § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Erforderlich ist vielmehr, dass ohne eine Eilentscheidung des Gerichts eine nachteilige Beeinträchtigung des Kindeswohls ernsthaft zu befürchten ist (OLG Brandenburg, FamRZ 2009, 445, m.w.N.; Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19, Rz. 30 m. w. N.). Eine derartige ernsthafte Beeinträchtigung des Kindeswohls, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen kann, mag etwa dann vorliegen, wenn im Falle der Trennung der Eltern das Kind bei einem Elternteil lebt, dessen Eignung zur Erziehung fehlt oder der mit dem Kind in einem für dieses ungünstigen Umfeld wohnt. Wird das Kind von dem Elternteil, der aus der gemeinsamen Wohnung auszieht, mitgenommen, so kann – je nach den konkreten Gegebenheiten auch bei im Grunde gleicher Erziehungseignung der Eltern – eine einstweilige Anordnung erforderlich sein, wenn das Kind diese Änderung seiner Lebensverhältnisse nicht verkraftet. In Sorgerechtsstreitigkeiten ist aber zu berücksichtigen, dass die vorzunehmende Abwägung nicht an einer Sanktion des Fehlverhaltens eines Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren ist (BVerfG, FamRZ 2007, 1626). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antragsteller mit seinem Antrag im Hauptsacheverfahren aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entständen, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antragsteller im Hauptsacheverfahren aber der Erfolg zu versagen wäre (BVerfG, aaO.). Daher entspricht es regelmäßig dem Wohl des Kindes nicht, eine bereits vollzogene einstweilige Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht ohne schwerwiegende Gründe abzuändern und somit vor der Entscheidung des Familiengerichts in der Hauptsache über einen erneuten Ortswechsel zu befinden (OLG Brandenburg, aaO, sowie FamRZ 2004, 210; OLG Dresden FamRZ 2003, 1306; OLG Köln FamRZ 1999, 181). Ein mehrfacher Ortswechsel würde das Kindeswohl in nicht unerheblichem Maße beeinträchtigen (vgl. BVerfG, aaO.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein Regelungsbedürfnis für die vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Antragsgegner bzw. für eine Abänderung der unter Ziffer II. des angefochtenen Beschlusses im Wege der einstweiligen Anordnung getroffenen Entziehung von Teilbereichen des Sorgerechts (hier: Aufenthaltsbestimmungsrecht) nicht gegeben. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist offen, wovon auch das Familiengericht mit Blick auf die angeordnete Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens ausgeht. Eine Abänderung der von dem Familiengericht getroffenen Regelungen betreffend den Aufenthalt von S. im Beschwerdeverfahren entspricht auch nicht dem Wohl des betroffenen Kindes. Diesem ist ein erneuter Wechsel zwischen den Elternteilen/ Wohngruppe bzw. ein Umzug nach < Ort: S.>, der mit einem Schulwechsel sowie einer kompletten Herausnahme von S. aus dem familiären (Geschwister, Großmutter) und sozialen (Freunde) Umfeld und damit einem
grundlegenden Wechsel der bisherigen Lebensumstände verbunden ist, nicht zuzumuten, zumal S., wie die Verfahrenspflegerin festgestellt hat, sich offensichtlich mit ihrer Situation, das Wohnen in einer Wohngruppe, arrangiert hat und für die Zukunft eine Perspektive darin sieht, in einer Wohngruppe zu bleiben oder in ein betreutes Wohnen zu wechseln. Für die weitere Entwicklung von S. ist es wichtig, dass sie in Ruhe und Distanz zu ihrem Familiensystem an einem festen Ort sich selbst, ihre Bedürfnisse und Entwicklung stärker in den Blick nehmen kann.

c)

Das Familiengericht hat bei seinen Entscheidungen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in ausreichendem Maße beachtet, indem es nur die erforderlichen Teilbereiche des Sorgerechts bezüglich des betroffenen Kindes den Kindeseltern entzogen hat. Es kann nach Auffassung des Senats kein Zweifel daran bestehen, dass vor dem Hintergrund der vorliegenden Gegebenheiten bezüglich des betroffenen Kindes die von dem Familiengericht im Wege der einstweiligen Anordnung angeordneten sorgerechtliche Maßnahmen nach §§ 1666, 1666 a BGB erforderlich sind.

d)

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung und ohne erneute Anhörung der Beteiligten und des betroffenen Kindes im schriftlichen Verfahren entscheiden, nachdem der Sachverhalt in erster Instanz durch Anhörung der Beteiligten und des betroffenen Kindes ausreichend aufgeklärt worden ist. Das Verfahren in Familiensachen u. a. nach § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO – Regelung der elterlichen Sorge bzw. eines Teilbereiches der elterlichen Sorge für ein Kind – bestimmt sich gemäß § 621 a Abs. 1 ZPO grundsätzlich – wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt – nach den Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG). Danach ist eine mündliche Verhandlung in Sorgerechtsverfahren nicht unbedingt erforderlich. Dies ergibt sich u. a. auch aus den Vorschriften der §§ 53 a und 53 b FGG. Dort ist die mündliche Verhandlung für das Zugewinnausgleichs- und das Versorgungsausgleichsverfahren geregelt. Dagegen bestimmt § 50 a FGG lediglich, dass in Verfahren über die Personen- oder Vermögenssorge für ein Kind die Eltern anzuhören sind. Die Anhörung dient vor allem der Sachaufklärung, aber auch der Sicherstellung des rechtlichen Gehörs. Dabei hat die grundsätzlich freigestellte mündliche Verhandlung der Freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht die Funktion und Bedeutung des § 128 Abs. 1 ZPO, wie das Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ohnehin nicht den strengen Regeln des zivilprozessualen Verfahrens folgt (vgl. BGH, NJW-RR 2000, 877 m. w. N.). So sind konkrete Sachanträge weit gehend frei gestellt und das Gericht ist in aller Regel an die gestellten Anträge nicht gebunden.

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich die in dem angegriffenen Beschluss vom Familiengericht festgestellten Umstände, die gegen eine Maßgeblichkeit des geäußerten Kindeswillens sprechen, entscheidend geändert hätten, liegen nicht vor. Soweit der Kindesvater hierzu ausführt, S.habe nur aus Angst, bei der Kindesmutter „Schlimmeres“ erdulden oder wieder in eine Wohngruppe – wie geschehen – zu müssen, gegen ihn ausgesagt, auch habe S., der gegenüber er immer geäußert habe, nicht in der Lage zu sein sie zu sich zu nehmen, sich in Anhörungen und dergleichen so geäußert, wie es bei dem Gericht „angekommen“ sei, tatsächlich jedoch habe S. seit 2007 den Wunsch, zu ihm zu wechseln, ist dieses Vorbringen auf der Grundlage des sich im Beschwerderechtszug darstellenden Sach- und Streitstandes nicht geeignet, einen eindeutigen Kindeswillen zu belegen. In Übereinstimmung mit dem Familiengericht geht auch der Senat davon aus, dass dem vermeintlich artikulierten Kindeswillen keine entscheidende Bedeutung zukommt, weil S. im Rahmen der verschiedenen Anhörungen, wie sie von dem Familiengericht vorgenommen und protokolliert worden sind (Anhörung vom 1. Oktober 2008, Verfahren 20 F 172/08 UG, Anhörung vom 14. Januar 2009, Verfahren 20 F 1/09 HK, Anhörung vom 29. April 2009, Verfahren 20 F 67/09 UG, Anhörung vom 5. August 2009 in diesem Verfahren), sich völlig unterschiedlich geäußert hat und sich, worauf das Familiengericht zu Recht hinweist, der Verdacht aufdrängt, dass S. nicht unbeeinflusst ausgesagt hat. Mit Blick auf die mehrfach zum Ausdruck gebrachten Meinungswechsel kann insgesamt nicht von einem autonom gefassten und verinnerlichten Kindeswillen ausgegangen werden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war mangels Erfolgsaussicht zurückzuweisen(§§ 14 FGG, 114, 119 ZPO).

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 24 Satz 1 RVG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 574 Abs. 3 i. V. mit Abs. 2 ZPO).

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