SG Bremen, Gerichtsbescheid vom 31.08.2016 – S 6 AS 927/14
IM NAMEN DES VOLKES
GERICHTSBESCHEID
In dem Rechtsstreit
…, Bremen
Kläger,
Prozessbevollmächtigte:
zu 1-5: Rechtsanwälte Beier & Beier,
Gröpelinger Heerstraße 387, 28239 Bremen, Az.: – F/2013/021 (4) –
gegen
Jobcenter Bremen, vertreten durch den Geschäftsführer,
Doventorsteinweg 48 – 52, 28195 Bremen, Az.:
Beklagter,
hat die 6. Kammer des Sozialgerichts Bremen am 31. August 2016 durch ihren Vorsitzenden, Richter L., für Recht erkannt:
I. Der Beklagten wird unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 24.01.2014, in der Fassung der Änderungsbescheide vom 28.03.2014 und vom 17.06.2014, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2014 verpflichtet, den Klägern für den Zeitraum 01.02.2014 bis zum 30.04.2014 monatliche Kosten der Unterkunft in Höhe von 1012,50 € sowie monatliche Kosten der Heizung in Höhe von 100,00 €, für den Monat Mai 2014 Kosten der Unterkunft in Höhe von 932,50 €, für den Monat Juni 2014 Kosten der Unterkunft in Höhe von 935,74 € sowie Kosten der Heizung in Höhe von 88,00 € und für den Monat Juli 2014 Kosten der Unterkunft in Höhe von 1005,50 € sowie Kosten der Heizung in Höhe von 88,00 € zu bewilligen und auszuzahlen.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.
TATBESTAND
Die Kläger begehren die Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 01.02.2014 bis zum 31.07.2014.
Die am …geborene Klägerin zu 1), ihr Ehemann, der am … geborene Kläger zu 2) sowie die gemeinsamen Kinder, die am … geborene Klägerin zu 3), der am … geborene Kläger zu 4) und die am … geborene Klägerin zu 5) stehen beim Beklagten im laufenden, ergänzenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
In der Vergangenheit wohnten die Kläger in einem Reihenhaus in der X-Straße in Bremen-Huchting. Nach einem Verkauf des Hauses durch die bisherigen Eigentümer und einem vom Erwerber angemeldeten Eigenbedarf mussten die Kläger sich eine neue Unterkunft suchen.
Am 17.01.2013 sprach der Kläger zu 2) beim Beklagten im Hinblick auf den von den Klägern beabsichtigten Umzug vor (BI. 160 der Verwaltungsakte Bd. VI). Er überreichte ein Mietangebot für ein Reihenhaus in der Y-Straße in Bremen-Woltmershausen. Dieses sah eine monatliche Kaltmiete i.H.v. 802,50 € zzgl. 130,00 € Nebenkosten exklusive Kosten für Wasser und Abwasser sowie exklusive Heizkosten vor. Der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten wies den Kläger zu 2) darauf hin, dass die Mietobergrenze für einen Fünfpersonenhaushalt nach der einschlägigen Verwaltungsanweisung des Beklagten monatlich 688,00 € betrage, so dass diese monatlich um 244,50 € überschritten werde.
Am 31.01.2013 übersandten die Kläger dem Beklagten den von ihnen abgeschlossenen Mietvertrag für die Wohnung in der Y-Straße (BI. 179 ff. der Verwaltungsakte Bd. VI). Als Mietbeginn war der 01.04.2013 vorgesehen. Die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) hatten den Mietvertrag am 24.01.2013 unterschrieben. Die Unterschrift der handelnden Personen der Vermieterin datierte vom 25.01.2013.
Am 09.01.2014 beantragten die Kläger beim Beklagten die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab dem 01.02.2014 (BI. 176 ff. der Verwaltungsakte Bd. VII). Sie gaben dabei einen Betrag i.H.v. monatlich 932,50 € als Grundmiete sowie Kosten für Wasser und Abwasser in Höhe von monatlich 80,00 € als sonstige Wohnkosten an. Die angegebenen Heizkosten beliefen sich auf monatlich 100,00 €.
Mit Datum vom 24.01.2014 erließ der Beklagte einen vorläufigen Bewilligungsbescheid für den Zeitraum 01.02.2014 bis zum 31.07.2014 (BI. 182 ff. der Verwaltungsakte Bd. VII). Dabei bewilligte er den Klägern monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung i.H.v. 751,00 €. Diese bestanden allein aus einer in dieser Höhe anerkannten Grundmiete. Nebenkosten sowie Kosten der Heizung bewilligte der Beklagte nicht.
Am 06.02.2014 reichten die Kläger beim Beklagten eine vom 13.05.2013 datierende Vertragsbestätigung der SWB über die Versorgung mit Wasser und Erdgas sowie die Entsorgung von Abwasser ein (BI. 198 ff. der Verwaltungsakte Bd. VII). Danach betrug der monatliche Beitrag für die Wasserversorgung 34,00 €, der monatliche Entwässerungsbeitrag 46,00 € sowie der monatlichen Abschlag für die Versorgung mit Erdgas 100,00 €. Die Vertragsbestätigung sah monatliche Abschläge bis einschließlich April 2014 vor.
Mit Schreiben vom 17.02.2014, beim Beklagten am selben Tag eingegangen, legten die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten Widerspruch gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 24.01.2014 ein (BI. 211 ff. der Verwaltungsakte Bd. VII). Ihnen seien zu geringe Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt worden. Zunächst sei es falsch, dass keine Heizkosten bewilligt worden seien. Darüber hinaus seien die monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in der tatsächlich entstehenden Höhe zu übernehmen, da für die Stadtgemeinde Bremen kein gerichtsfester Mietspiegel existiere und überdies das vom Beklagten verwendete Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht schlüssig sei.
Am 28.03.2014 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid für den Zeitraum 01.02.2014 bis 31.07.2014. Für den Zeitraum 01.02.2014 bis 30.04.2014 bewilligte er nunmehr monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung i.H.v. 856,80 €. Für den Zeitraum 01.05.2014 bis 31.07.2014 bewilligte er hingegen lediglich monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung i.H.v. 756,80 €.
Zur Begründung führte er aus, die Bruttokaltmiete (Grundmiete + Betriebskosten) werde i.H.v. 756,80 € anerkannt. Die Heizkosten würden bis April 2014 in Höhe von 100,00 € monatlich berücksichtigt. Nach Vorlage eines weiteren Abschlagsplanes könnten die neuen Heizkostenvorauszahlungen ab Mai 2014 berücksichtigt werden.
Am 01.04.2014 erließ der Beklagte einen Widerspruchsbescheid und wies den Widerspruch der Kläger als nach Erlass des Änderungsbescheides vom 28.03.2014 im Übrigen unbegründet zurück.
Die Kläger haben durch ihren Prozessbevollmächtigten am 30.04.2014 Klage beim Sozialgericht Bremen erhoben.
Zur Begründung wiederholen sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
den Beklagten unter Aufhebung/Änderung des Bewilligungsbescheides vom 24.01.2014, in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28.03.2014, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2014 zu verurteilen, ihnen im Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.07.2014 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren. Ergänzend führt der Beklagte aus, eine Kostensenkungsaufforderung sei für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.07.2014 nicht verschickt worden. Eine solche sei jedoch auch nicht erforderlich gewesen. Im Rahmen des persönlichen Gespräches am 17.01.2013 habe man dem Kläger zu 2) mitgeteilt, dass die Erforderlichkeit eines Umzuges gegeben sei, dem Umzug in das nun bewohnte Haus in der Y-Straße jedoch nicht zugestimmt werden könne, da die Kosten über den geltenden Richtwerten lägen. Die Kläger seien somit über die geltenden Richtwerte in Kenntnis gesetzt worden. Eine Anmietung sei dann trotz der nicht erteilten Zustimmung erfolgt. Die Kosten der Unterkunft für den strittigen Zeitraum seien i.H.v. 756,80 € und damit bereits über dem für diesen Zeitraum geltenden Richtwert von 751,00 € anerkannt worden.
Im Folgenden überreichten die Kläger eine vom 14.05.2014 datierende Rechnung der SWB für den Zeitraum 01.04.2013 bis 06.05.2014 (BI. 19 ff. der Verwaltungsakte Bd. VIII).
Diese sah zukünftige Abschläge für die Versorgung mit Erdgas in Höhe von monatlich 88,00 € vor. Die vorgesehenen monatlichen Abschläge für die Versorgung mit Wasser beliefen sich auf 33,00 €. Die monatliche Entwässerungsgebühr sollte 40,00 € betragen. Die monatlichen Abschläge in Höhe von insgesamt 161,00 € sollten ab Juni 2014 gezahlt werden.
Am 17.06.2014 erließ der Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid für den Zeitraum 01.02.2014 bis zum 31.07.2014 (BI. 64 ff. der Verwaltungsakte Bd. VIII). Neben weiteren Änderungen berücksichtigte er nunmehr die Abrechnung der SWB vom 14.05.2014.
Für den Monat Juni 2014 bewilligte er jetzt Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 775,05 €. Dabei verrechnete er das den Klägern ausweislich der vorgenannten Rechnung zustehende Guthaben i.H.v. 69,76 €.
Für den Monat Juli bewilligte er Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 844,80 €.
Die Beteiligten sind wegen der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid mit gerichtlichem Schreiben vom 06.05.2016 angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte das Gericht im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vor Erlass ordnungsgemäß angehört wurden.
Die am 30.04.2014 erhobene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Die Klage ist auch begründet, da die Kläger einen Anspruch auf Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, in Form von höheren Bedarfen für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 SGB II, für den streitgegenständlichen Zeitraum 01.02.2014 bis zum 31.07.2014 haben. Dieser Bedarf besteht im tenorierten Umfang in Höhe der den Klägern tatsächlich entstandenen Kosten der Unterkunft und Heizung.
Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt (§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II). Nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II sind, soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Eine Absenkung der nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
Die Angemessenheit der hier allein streitigen Wohnungskosten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in mehreren Schritten zu prüfen. Zunächst bedarf es der Feststellung, welche Wohnungskosten abstrakt angemessen sind. Hierfür sind die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Als weiterer Faktor ist der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Die Wohnung muss daher hinsichtlich der aufgeführten Kriterien, die als Mietpreis bildende Faktoren regelmäßig im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen im Vergleichsraum liegen. Hierbei genügt es, dass das Produkt aus Wohnfläche (Quadratmeterzahl) und Standard (Mietpreis je Quadratmeter) eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete (sog. Referenzmiete) ergibt. Soweit die Wohnungsmiete danach die abstrakt angemessenen Kosten übersteigt, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob es dem Hilfebedürftigen nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II objektiv möglich und subjektiv zumutbar ist, eine abstrakt als angemessen einzustufende Wohnung anzumieten (vgl. zum vorstehenden BSG, Urt. v. 16.04.2013, B 14 AS 28/12 R, juris, Rn. 24f.; BSG, Urt. v. 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R; BSG, Urt. v. 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R; BSG, Urt. v. 11.12.2012, B 4 AS 44/12 R; Luik in Eicher, 3. Aufl. 2013, § 22 SGB II, Rn. 74ff. jeweils m. w. N.).
Vorliegend scheidet eine Heranziehung der Regelung nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II und die entsprechende Deckelung der Kosten der Unterkunft auf den bisherigen Bedarf aus, da der Beklagte bis zum 01.01.2014 kein schlüssiges Konzept hatte und daher zum Zeitpunkt des Umzuges der Kläger zum 01.04.2013 eine Begrenzung nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II entsprechend der für zutreffend erachteten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. BSG, Urt. v. 29.04.2015, B 14 AS 6/14 R, juris, Rn. 21ff.; Urt. v. 17.02.2016, B 4 AS 12/15 R, Rn. 18ff., jeweils m. w. N.) nicht vornehmen konnte. Die Anwendung des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II setzt das Vorliegen eines schlüssigen Konzeptes voraus. Der Umstand, dass sich der Beklagte bis zum 31.12.2013 nicht auf ein schlüssiges Konzept berufen kann ist mittlerweile unstreitig und vom Beklagten in einer Vielzahl von Fällen, teils ausdrücklich und teils faktisch, eingeräumt worden.
Soweit der Beklagte zur Begründung seines Antrages sich auf eine fehlende Zusicherung zum Umzug beruft, steht dies einer Leistungsgewährung in dem begehrten Umfang nicht entgegen (vgl. BSG, Urt. v. 29.04.2015, B 14 AS 6/14 R, juris, Rn. 19; BSG, Urt. v. 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R, juris, Rn. 27; Luik, in: Eicher (Hrsg.), SGB II, 3. Aufl. 2013, § 22 Rn. 120ff. m. w. N.), da es sich bei der Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II um eine Obliegenheit und nicht um eine tatbestandliche Voraussetzung handelt.
Im vorliegend zu entscheidenden Fall kann dahinstehen, ob das Konzept des Beklagten zur abstrakten Ermittlung der Kosten der Unterkunft, im Rahmen der Verwaltungsanweisung ab dem 01.01.2014 den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept gerecht wird und ob die von den Klägern zum 01.04.2014 angemietete Wohnung dementsprechend als unangemessen anzusehen ist, da selbst im Falle der Schlüssigkeit dieses Konzeptes der Beklagte verpflichtet ist, die begehrten Kosten der Unterkunft zu gewähren hat, da vorliegend eine entsprechende Kostensenkungsaufforderung nicht existiert , so dass der Beklagte verpflichtet wäre, den Klägern die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu zahlen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 05.09.2012, L 15 AS 153/12).
Dies begründet sich darin, dass nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung weiterhin in tatsächlicher Höhe zu übernehmen sind, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 05.09.2012, L 15 AS 153/12, m. w. N.).
In diesem Rahmen gilt eine entsprechende und regelmäßige Übergangszeit von längstens sechs Monate (vgl. BSG, Urt. v. 17.10.2013, B 14 AS 58/12 R, juris, Rn. 17; BSG, Urt. v. 16.04.2013, B 14 AS 71/12 R, juris, Rn. 23, jeweils m. w. N.). Diese Übergangsfrist beginnt mit einer entsprechenden Kostensenkungsaufforderung zu laufen.
Eine Kostensenkungsaufforderung ist insoweit eine notwendige Voraussetzung für eine begrenzte Übernahme durch den Beklagten (vgl. BSG, Urt. v. 18.09.2014, B 14 AS 48/13 R, juris, Rn. 25; BSG, Urt. v. 09.04.2014, B 14 AS 23/13 R, juris, Rn. 33; BSG, Urt. v. 20.08.2009, B 14 AS 41/08 R, juris, Rn. 32ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 07.02.2013, L 15 AS 88/11, jeweils m. w. N.).
Nach dem in § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II normierten Regelfall kommt nach Ablauf der Frist nur noch die Übernahme der angemessenen Aufwendungen in Betracht, soweit ausnahmsweise wegen einer subjektiven Unzumutbarkeit der Kostensenkung die die Angemessenheitsgrenze überschreitenden Unterkunftskosten des Leistungsbeziehers weiterhin mit staatlichen Transferleistungen zu finanzieren sind. Gleiches gilt für eine objektive Unmöglichkeit der Kostensenkung. Eine solche kommt jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht, da es in Deutschland keine allgemeine Wohnungsnot gibt und allenfalls in einzelnen Regionen Mangel an ausreichendem Wohnraum herrscht (vgl. BSG, Urt. v. 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R, juris, Rn. 36; BSG, Urt. v. 23.08.2011, B 14 AS 91/10 R, juris, Rn. 28).
Bei unangemessen hohen Unterkunftskosten ist auch zu prüfen, ob den Leistungsberechtigen eine Kostensenkungsobliegenheit trifft. Bei der Kenntnis des Hilfebedürftigen von notwendigen Kostensenkungsmaßnahmen, ist zwar von einer subjektiven Möglichkeit der Absenkung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung regelmäßig auszugehen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Grundsicherungsträger in einem entsprechenden Schreiben den von ihm als angemessen angesehenen Mietpreis angeben hat (vgl. BSG, Urt. v. 22.11.2011, B 4 AS 219/10 R, juris, Rn. 21; BSG, Urt. v. 01.06.2010, B 4 AS 78/09 R, juris, Rn. 15; BSG, Urt. v. 17.12.2009, B 4 AS 19/09 R, juris, Rn. 15f.; BSG; Urt. v. 01.06.2010, B 4 AS 78/09 R, juris, Rn. 15, jeweils m. w. N.).
Die Funktion der Kostensenkungsaufforderung ist es folglich, den jeweiligen Leistungsempfänger über die Angemessenheitsgrenzen des Leistungsträgers zu informieren und infolgedessen in die Lage zu versetzen, sich eine entsprechende Unterkunft zu suchen, die sich im Rahmen der Angemessenheitsgrenze bewegt (vgl. BSG, Urt. v. 10.09.2013, B 4 AS 3/13 R, juris, Rn. 17; Luik in Eicher, 3. Aufl. 2013, § 22 SGB II, Rn. 120 ff., jeweils m.w.N.). Ohne eine entsprechende Kostensenkungsaufforderung beginnt die Übergangsfrist nicht zu Laufen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 10.04.2015, L 15 AS 55/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 05.09.2012, L 15 AS 153/12 jeweils m. w. N.), sodass weiterhin die tatsächlichen Kosten zu übernehmen sind.
Im vorliegend zu entscheidenden Fall ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte den Klägern eine Kostensenkungsaufforderung hat zukommen lassen, welche den Anforderungen der Rechtsprechung an eine solche genügt, so dass er im streitgegenständlichen Zeitraum zur Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung verpflichtet war. Ein ausdrückliches Schreiben des Beklagten an die Kläger, in welchem dieser ihnen die Grenzen der Angemessenheit für den von ihnen zu beziehenden bzw. bewohnten Wohnraum aufzeigt, ist weder in den Verwaltungsakten des Beklagten vorhanden, noch wurde es von diesem im Rahmen des Gerichtsverfahrens vorgelegt. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass ein solches Schreiben existiert, da der Beklagte selbst im Rahmen des Gerichtsverfahrens vorgetragen hat, er gehe nicht davon aus, dass ein solches Schreiben erforderlich gewesen sei.
Zwar hat der Beklagte die Kläger ausweislich des dazu in den Verwaltungsakten vorhandenen Vermerks im Rahmen eines persönlichen Gespräches mit dem Kläger zu 2) am 17.01.2013 auf die damaligen Angemessenheitsgrenzen auf Grundlage der bis zum 31.12.2013 geltenden Verwaltungsanweisung hingewiesen. Auch hat er darauf hingewiesen, dass die von den Klägern ausgewählte Wohnung zu teuer sei. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die damalige Verwaltungsanweisung nicht auf einem schlüssigen Konzept beruhte und unter Berücksichtigung des Umstandes dass für den hier streitgegenständlichen Zeitraum eine neue Verwaltungsanweisung Anwendung fand, hätte der Beklagte aber eine erneute Kostensenkungsaufforderung oder einen anders gearteten Hinweis auf die nach dem 01.01.2014 gültigen Angemessenheitsgrenzen an die Kläger versenden müssen. Die Kläger hätten so in die Lage versetzt werden müssen, eine nach der neuen Verwaltungsanweisung angemessene Wohnung zu suchen.
Unter Berücksichtigung der voranstehenden Gründe war der Beklagte daher nicht berechtigt, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung nur teilweise zu übernehmen. Er war zunächst verpflichtet, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung vollständig zu übernehmen. In dem Moment wo die Kläger durch Mitteilung der Angemessenheitsgrenze in die Lage versetzt worden wären, ihre Kosten der Unterkunft entsprechend anzupassen, hätte die Sechsmonatsfrist aus § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II zu laufen begonnen. Es braucht dabei vorliegend nicht zu entschieden werden, ab wann dies der Fall gewesen sein könnte, da für den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum jedenfalls keine den Anforderungen der Rechtsprechung genügende Kostensenkungsaufforderung vorgelegen hat, so dass die Sechsmonatsfrist in keinem Fall abgelaufen war.
Die vollständige Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung hatte im tenorierten Umfang zu erfolgen. Hiervon erfasst war für den vollständigen streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum die Grundmiete in Höhe von 802,50 € zzgl. 130,00 € Nebenkosten. Für den Zeitraum 01.02.2014 bis zum 30.04.2014 kamen 80,00 € Wasser- und Abwasserkosten sowie 100,00 € Heizkosten hinzu. Im Monat Mai 2014 waren solche nicht zu übernehmen, da in diesem Monat, ausweislich der von den Klägern überreichten Unterlagen, keine Abschläge zu zahlen waren. Für den Zeitraum 01.06.2014 bis zum 31.07.2014 beliefen sich die Abschläge auf 73,00 € für Wasser und Abwasser sowie auf 88,00 € für die Heizung. Im Monat Juni 2014 war allerdings nach § 22 Abs. 3 SGB II das den Klägern von der SWB im Mai 2014 ausgezahlte Guthaben in Abzug zu bringen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Georg-Wilhelm-Straße 1, 29223 Celle oder bei der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz vom 21.10.2011 (Nds. GVBI. S. 367) in der jeweils aktuellen Fassung oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr im Land Bremen vom 18.12.2006 (Brem. GBI. S. 548) in der jeweils aktuellen Fassung oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Ist der Gerichtsbescheid im Ausland zuzustellen, so gilt anstelle der oben genannten Monatsfrist eine Frist von drei Monaten.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Dies gilt nicht bei Einlegung der Berufung in elektronischer Form.
gez. L. Richter
Schreibe einen Kommentar