Hanseatische Rechtsanwaltskammer Bremen

Der Vorstand

16 C 0075/14 AG Bremen

In dem Rechtsstreit
RA … ./. …

erstattet der Vorstand der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Bremen das mit Beschluss vom 01.08.2014 erbetene Gebührengutachten gemäß § 14 Abs. 2 RVG wie folgt:

I.
Das Gutachten beschränkt sich gem. § 14 Abs. 2 RVG auf die Prüfung der Angemessenheit einer Gebühr.

II.
Zu prüfen ist daher die Frage, ob die im Klagewege als außergerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend gemachten Gebühren angemessen sind.

Der Kläger führt gegen die Beklagte eine Honorarklage nach einer Verteidigung im Ermittlungsverfahren. Mit der Klage wird u.a. die mit der Honorarrechnung vom 21.03.2012 abgerechnete zusätzliche Verfahrensgebühr bei Erledigung ohne Hauptverhandlung nach Nr. 4141 W RVG von 140,00 Euro geltend gemacht.

Die Beklagte ist der Ansicht, die in der Kostenrechnung ausgewiesenen Gebühren seien überhöht. Der Kläger müsse die konkrete Gebühr nach billigem Ermessen bestimmen. Die vom Kläger geltend gemachten Gebühren seien jedoch unbillig, da seine Tätigkeit unter der Berücksichtigung der in § 14 RVG genannten Kriterien als deutlich unterdurchschnittlich einzustufen seien. Der Kläger habe lediglich ein einziges Schreiben an die Polizei Bremen gesandt, mit dem er Akteneinsicht und die Einstellung des Verfahrens beantragt habe. Es sei kein größerer Zeitaufwand zur Durchsicht der Ermittlungsakte nötig gewesen.

III.
Nach der Gebührenbestimmung der Nr. 4141 W RVG entsteht eine zusätzliche Gebühr, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich wird.

Dabei ist die Gebühr jedoch nicht nach billigem Ermessen zu bestimmen. Bei Nr. 4141 W RVG handelt es sich nicht um eine Rahmengebühr, sondern um eine Festgebühr. Diese bemisst sich gem. Anmerkung 3 Satz 2 für den Wahlanwalt nach der Rahmenmitte. Die Umstände des Einzelfalls, die bei Rahmengebühren über § 14 Abs. 1 zu berücksichtigen wären, sind daher ohne Bedeutung

(Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage, VV 4141 Rn. 50; AG Hamburg RVGreport 2006,351 = AGS 2006, 439; AG Stuttgart RVGreport 200, 430 = AGS 2008, 547).

Das AG Hamburg führt dazu aus:

„Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung des Vergütungsrechts eine Vereinfachung in der Handhabung für alle Anwender erreichen. Auch wollte er Anreize für die außergerichtliche Streitbeilegung schaffen (vgl. BT – Drucksache 15/1971, Seiten 1- 3). In der Begründung zu den Einzelvorschriften wurde im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Mittelgebühr als Erledigungsgebühr deshalb in das RVG aufgenommen wird, weil die ansonsten bei Rahmengebühren notwendige Bestimmung der konkreten Gebühr gemäß § 14 RVG nur schwer möglich ist. Eine solche sehr individuelle Gebührenbestimmung hätte auch dem Grundziel des neuen Vergütungsrechts, einer vereinfachten Handhabung, widersprochen.“

Die zusätzliche Gebühr Nr. 4141 W RVG bemisst sich daher nach dem Rechtszug, in dem die Hauptverhandlung entbehrlich geworden ist. Im vorbereitenden Verfahren ist jedoch nicht auf Nr. 4104 W RVG, sondern auf die Verfahrensgebühren der Nr. 4106ff. W RVG abzustellen, je nachdem, welches Gericht mit dem Verfahren befasst worden wäre, wenn sich das Verfahren nicht erledigt hätte

(statt anderer Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auf!., VV 4141 Rn. 49).

Die Gebühr wäre vorliegend nach Nr. 4106 W RVG (a.F.) zu bestimmen und ist daher mit 140,00 Euro zutreffend bemessen.

Doch selbst wenn man entgegen der herrschenden Meinung davon ausgeht, dass entgegen dem Gesetzeswortlaut auf Grund von systematischen Auslegungsargumenten von einer Rahmengebühr auszugehen sei, wäre die vom Kläger in Ansatz gebrachte Höhe von 140,00 Euro angemessen.

Gemäß § 14 Abs. 1 RVG bestimmt bei Rahmengebühren der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko kann bei der Bemessung herangezogen werden.

Für die Bemessung der Verfahrensgebühr sind die allgemeinen Grundsätze des § 14 Abs. 1 RVG anwendbar

(statt anderer Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auf!., VV 4100 Rn. 22 und VV 4106 Rn. 14).

Der Rechtsanwalt kann daher die ihm zustehende Gebühr nicht frei, sondern nur unter Berücksichtigung der geschilderten Umstände bestimmen. Durch die Bemessungskriterien wird andererseits der Überprüfungsspielraum abgesteckt, der im Falle von Meinungsverschiedenheiten dem Gericht oder der zuständigen Behörde zusteht. Als Ermessensentscheidung ist die Bestimmung der Einzelgebühr durch den Rechtsanwalt nur daraufhin zu überprüfen, ob er von falschen tatsächlichen Grundlagen ausgegangen ist oder ob er den Ermessensspielraum überschritten bzw. das Ermessen missbraucht hat. Nur wenn die angesetzte Gebühr die in vergleichbaren Fällen angemessene Gebühr deutlich übersteigt, ist sie nicht verbindlich bestimmt.

Der Kammervorstand geht in ständiger Praxis davon aus, dass im Falle durchschnittlicher Verhältnisse die Mittelgebühr des gesetzlichen Gebührenrahmens verdient ist, von der in der einen oder anderen Richtung abgewichen werden kann, wenn die berücksichtigungsfähigen Umstände nicht dem Durchschnittsfall entsprechen.

Anhand dieser Grundsätze wäre die angemessene Gebühr unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Umstände zu bestimmen. Bei nur durchschnittlichen Bemessungskriterien ist eine Mittelgebühr von € 140,00 (Nr. 4106 W RVG a.F.) gerechtfertigt. Überdurchschnittliche Kriterien rechtfertigen den Ansatz einer die Mittelgebühr übersteigenden Gebühr bis hin zum Höchstsatz von € 290, sofern die Tätigkeit des Rechtsanwaltes auch als umfangreich oder schwierig zu beurteilen ist. Eine unter der Mittelgebühr liegende Gebühr kommt nur in Betracht, wenn die Bemessungskriterien als unterdurchschnittlich zu bewerten sind.

Der Kläger hat hier eine Mittelgebühr von 140,00 Euro in Ansatz gebracht. Er hat insoweit ausgeführt, dass nach Vorgespräch mit dem Mandat Akteneinsicht genommen wurde und die Beklagte verteidigt werden sollte. Darüber hinaus sollte versucht werden, die Einstellung des Verfahrens zu erreichen.

Der Umfang der vom Kläger eingesehenen Ermittlungsakte kann bei einer Blattzahl von 40 zwar als unterdurchschnittlich angesehen werden, doch ist in der Gesamtbetrachtung des Mandats und unter Abwägung der möglichen Auswirkungen der Angelegenheit für die Beklagte und unter Berücksichtigung ihres persönlichen, ideellen und wirtschaftlichen Interesses am Ausgang der Angelegenheit im Hinblick auf den von ihr erhofften bzw. erzielten Erfolg durchaus von einer Tätigkeit ausgegangen werden, die in ihrer Bedeutung durchschnittlich war.

Der Vorstand der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Bremen

– Gebührenabteilung –

 

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