Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 07.05.2014 – L 8 SO 126/14 B ER

Vorinstanz
S 15 SO 74/14 ER Sozialgericht Bremen

In dem Beschwerdeverfahren

1. I. C. S., Bremen
2. M. E. S., Bremen vertreten durch I. C. S., Bremen
– Antragsteller und Beschwerdeführer –

Prozessbevollmächtigte:
zu 1-2: Rechtsanwälte Beier & Beier,
Gröpelinger Heerstraße 387, 28239 Bremen

gegen

Stadtgemeinde Bremen vertreten durch die Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen, – Referat 13 -, Bahnhofsplatz 29, 28195 Bremen
– Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin

hat der 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen am 7. Mai 2014 in Celle durch den Richter S., die Richterin H. und den Richter F. beschlossen:

Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 27. März 2014 aufgehoben, soweit er die Ablehnung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und die Kostenentscheidung betrifft.

Es wird festgestellt, dass die Klage – S 15 SO 46/14 – gegen den Einstellungsbescheid der Antragsgegnerin vom 31. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2014 aufschiebende Wirkung hat.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellerinnen ab 1. März 2014 bis zum rechtskräftigen Abschluss eines der beim Sozialgericht Bremen anhängigen Klageverfahren – S 15 SO 46/14 – oder – S 23 AS 2566/13 -, längstens jedoch bis zum 31. Oktober 2014 über die bereits der Antragstellerin zu 1 mit Bescheid vom 31. Oktober 2013 bewilligten Leistungen in monatlicher Höhe von 446,94 € hinaus vorläufig Leistungen in Höhe von 750,82 € je Monat zu gewähren (Gesamthöhe der monatlichen Leistungen: 1.197,76 €).

Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens wird abgelehnt.

GRÜNDE:

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen des gerichtlichen Eilrechtschutzes um die Gewährung lebensunterhaltssichernder Leistungen nach dem SGB XII für die Zeit ab März 2014.

Die 1976 geborene Antragstellerin zu 1 ist spanische Staatsangehörige und alleinerziehende Mutter der am 3. Dezember 2013 in Deutschland geborenen Antragstellerin zu 2. Sie reiste am 1. September 2013 gemeinsam mit ihrem Ehemann, einem Staatsangehörigen Kameruns, nach Deutschland ein und bezog mit diesem eine Wohnung in Bremen. Nach der Trennung von ihrem Ehemann am 23. September 2013 mietete sie für die Zeit ab 1. Dezember 2013 eine Wohnung zur Untermiete, für die sie eine Grundmiete von 300,00 €, Nebenkosten von 57,00 € sowie monatliche Vorauszahlungen für Heizkosten von 70,00 € zu entrichten hat.

Nachdem der zunächst beim zuständigen Jobcenter gestellte Antrag auf Leistungen nach dem SGB II mit der Begründung abgelehnt worden war, die Antragstellerin zu 1 habe in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, beantragte sie am 25. Oktober 2013 bei der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB XII. Diese bewilligte der Antragstellerin mit Bescheid vom 31. Oktober 2013 „ab dem 19.09.2013″ Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII in monatlicher Höhe von 446,94 €. Dabei berücksichtigte sie einen Regelbedarf in Höhe von 382,00 € (Regelbedarfsstufe 1) und einen Mehrbedarf für werdende Mütter nach § 30 Abs. 2 SGB XII in Höhe von 64,94 €. Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligte sie nicht, weil die Antragstellerin wegen einer „vorübergehenden Unterbringung“ – so die Angabe im Leistungsantrag – keine Unterkunftskosten geltend gemacht hatte. Ebenfalls unter dem 31. Oktober 2013 verfügte die Antragsgegnerin die Einstellung der Leistungsgewährung für die Zeit ab 1. Dezember 2013 mit der Begründung, dass sich die Antragstellerin zu 1 ab diesem Zeitpunkt drei Monate in Deutschland aufhalte und damit nicht mehr nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 26. November 2013 wegen der noch ungeklärten Bewilligung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II durch das Jobcenter Widerspruch.

Auf den von der Antragstellerin nach Ablehnung ihres Leistungsantrags nach dem SGB II mit Bescheid vom 14. November 2013 gestellten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtete das Sozialgericht (SG) Bremen das Jobcenter Bremen durch Beschluss vom 26. Dezember 2013 (- S 28 AS 2375/13 ER -) zur vorläufigen Gewährung von Arbeitslosengeld II. Dieser Verpflichtung kam das Jobcenter bis einschließlich Februar 2014 nach. Die Ablehnung des Leistungsantrags nach dem SGB II (Ablehnungsbescheid vom 14. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Dezember 2013) für die Zeit ab Dezember 2013 ist derzeit Gegenstand einer Klage beim SG Bremen (- S 21 AS 2566/13 -), die seit dem 1. März 2014 unter einem neuen Aktenzeichen geführt wird (- S 23 AS 2566/13 -).

Während des Beschwerdeverfahrens betreffend den Beschluss des SG Bremen vom 26. Dezember 2013 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin gegen die Einstellung der Leistungen nach dem SGB XII für die Zeit ab Dezember 2013 mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2014 zurück. Eine Leistungsgewährung nach dem SGB XII komme wegen der vorrangigen Anspruchsberechtigung der erwerbsfähigen Antragstellerin zu 1 nach dem SGB II nicht in Betracht. Diese Entscheidung ist derzeit Gegenstand der von den Antragstellerinnen am 21. Februar 2014 beim SG Bremen erhobenen und noch anhängigen Klage der Hauptsache (- S 15 SO 46/14 -).

Durch Beschluss vom 20. Februar 2014 hob das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen den erstinstanzlichen Beschluss des SG Bremen vom 26. Dezember 2013 über die vorläufige Leistungsgewährung nach dem SGB II auf (- L 15 AS 9/14 B ER -). Die Antragstellerinnen seien vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen, weil sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck zur Arbeitssuche ergebe. Dieser Leistungsausschluss sei mit höherrangigem Recht vereinbar und auch eine vorläufige Leistungsgewährung – etwa aufgrund einer Folgenabwägung oder nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Nr. 1 SGB III – komme nicht in Betracht. Zudem könnten sich die Antragstellerinnen im Hinblick auf die Leistungen nach dem SGB II nicht auf das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11. Dezember 1953 berufen, weil die Bundesregierung insoweit im Dezember 2011 einen wirksamen Vorbehalt zur Anwendung des EFA erklärt habe. Nothilfeleistungen nach dem SGB XII zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, die die Antragstellerinnen beim Sozialhilfeträger gesondert geltend zu machen hätten, seien nicht Gegenstand des Verfahrens.

Wegen des auslaufenden Bezugs von Leistungen nach dem SGB II Ende Februar 2014 beantragten die Antragstellerinnen am 25. Februar 2014 bei der Antragsgegnerin erneut laufende Leistungen nach dem SGB XII für die Zeit ab 1. März 2014.

Am 7. März 2014 haben sie unter Berufung auf das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 1 EFA beim SG Bremen um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht, um eine vorläufige Leistungsgewährung nach dem SGB XII zu erreichen.

Während des gerichtlichen Eilverfahrens hat die Antragsgegnerin den Sozialhilfeantrag vom 25. Februar 2014 durch Bescheid vom 11. März 2014 mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerinnen seien nach § 21 SGB XII dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. Zudem greife auch der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB XII nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII. Gegen diese Entscheidung haben die Antragstellerinnen am 19. März 2014 Widerspruch erhoben, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist.

Durch Beschluss vom 27. März 2014 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 7. März 2014 abgelehnt, weil die Antragstellerinnen dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II seien. Der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin zu 1 stehe insbesondere nicht entgegen, dass sie im Dezember 2013 ihre Tochter, die Antragstellerin zu 2, entbunden habe. Ein Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz liege nicht mehr vor. Der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB XII ergebe sich aus § 21 Satz 1 SGB XII, weil diese Vorschrift der Abgrenzung der Systeme der Grundsicherung nach dem SGB II einerseits und dem SGB XII andererseits unter Rückgriff auf das Kriterium der Erwerbsfähigkeit diene. Das SGB II und das SGB XII seien, soweit es Leistungen für den Lebensunterhalt betreffe, nebeneinander stehende Existenzsicherungssysteme, die sich grundsätzlich gegenseitig ausschlössen. Auch der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, von dem die Antragstellerinnen betroffen seien, ändere an der rechtlichen Bewertung, dass sie dem Grunde nach dem Leistungssystem des SGB II zugehörten, nichts.

Hiergegen richtet sich die am 4. April 2014 eingelegte Beschwerde der Antragstellerinnen, mit der sie die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Leistungsgewährung nach dem SGB XII für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten, hilfsweise zu einer vorläufigen Notversorgung zur Sicherstellung des menschenwürdigen Existenzminimums, begehren.

Sie machen geltend, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II unionsrechtswidrig sei und ihnen an sich Leistungen nach dem SGB II zustehen würden. Ungeachtet dessen hätten sie gegen die Antragsgegnerin zumindest einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII aufgrund des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 1 EFA, weil der Leistungsausschluss nach dem SGB II zur Folge habe, dass sie nicht dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II i.S.d. § 21 Satz 1 SGB XII seien. Ein vollständiger System übergreifender Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verstoße zudem gegen die Verfassung (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG).

Die Antragsgegnerin hält den Beschluss des SG für zutreffend. Die Antragstellerinnen hätten allenfalls einen Anspruch nach dem SGB XII auf eine Notversorgung, die aber nur die notwendigen Mittel der Rückreise nebst Proviant umfasse. Ein solcher Anspruch sei von den Antragstellerinnen allerdings nicht geltend gemacht worden.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§§ 172, 173 SGG) Beschwerde der Antragstellerinnen ist begründet.

Rechtsgrundlagen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sind einerseits – im Hinblick auf die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Einstellungsbescheid vom 31. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2014 – § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in entsprechender Anwendung, sowie andererseits – für die Anordnung in Bezug auf den streitigen Anspruch insbesondere der Antragstellerin zu 2 und der Übernahme von Unterkunfts- und Heizkosten ab März 2014 – § 86b Abs. 2 SGG.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen. Wenn ein Widerspruch oder eine Klage aufschiebende Wirkung hat, entspricht es allgemeiner Meinung, dass das Gericht in entsprechender Anwendung dieser Rechtsgrundlage die aufschiebende Wirkung auf Antrag durch deklaratorischen Beschluss aussprechen kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rn. 15). Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Klage der Antragstellerin zu 1 gegen den Einstellungsbescheid vom 31. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2014 hat kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG. Eine Ausnahme nach § 86a Abs. 2 SGG, nach der die aufschiebende Wirkung in bestimmten, im Gesetz genannten Fällen entfällt, liegt ebenso wenig vor, wie eine Aussetzungsentscheidung der Antragsgegnerin nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG. Die Antragstellerin zu 1 kann sich wegen der aufschiebenden Wirkung der Klage auf die ebenfalls am 31. Oktober 2013 ergangene Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII in Höhe von 446,94 € je Monat berufen, weil dieser Bescheid eine zukunftsoffene, auf Dauer angelegte Leistungsbewilligung enthält (sog. Dauerverwaltungsakt). Dies ergibt sich aus der Auslegung des Bescheides nach den allgemeinen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) und der Zusammenschau mit der am gleichen Tag verfügten und von der Antragstellerin zu 1 angegriffenen Einstellungsentscheidung. Der Leistungsbescheid vom 31. Oktober 2013 erweckt bei einem verständigen Bescheidempfänger den Eindruck einer unbefristeten Leistungsbewilligung „ab dem 19.09.2013″ (vgl. den Verfügungssatz auf Seite 1 des Bescheides). Dieser Eindruck wird auch nicht durch den nachfolgenden Satz, eine Leistungsbefristung erfolge entsprechend den Zeitraumangaben auf dem Berechnungsbogen, entkräftet. Eine eindeutige Befristung der Bewilligungsentscheidung kann durch die Beifügung der Berechnungsbögen für die Monate September, Oktober und November 2013 nicht angenommen werden, weil sich auch aus den weiteren (allgemeinen) Ausführungen in der Begründung des Bescheides Hinweise für eine zukunftsoffene Bewilligung finden. In dem Hinweis zu den Zahlungen ist beispielsweise ausgeführt, dass die Beträge für die Folgemonat jeweils monatlich im Voraus überwiesen werden. Zu der Frage, wie lange die Leistung gezahlt wird, ist ausgeführt, dass die in diesem Bescheid gewährte Leistung unverändert weitergezahlt wird, solange sich keine Änderung in den wirtschaftlichen, persönlichen oder sonstigen Verhältnissen ergibt und die Bedürftigkeit besteht. Wegen der nicht eindeutigen Befristung ist auch der weitere Satz bedeutungslos, nach dem die Leistung ohne einen erneuten Bescheid eingestellt wird, wenn die Leistung mit diesem Bescheid nur befristet für einen genau benannten Zeitraum bewilligt wird. In diesem Einzelfall tritt hinzu, dass die Antragsgegnerin mit Bescheid vom gleichen Tag ebendies – die Einstellung der Leistung – für die Zeit ab Dezember 2013 verfügt hatte. Für einen verständigen Empfänger beider Bescheide muss sich zwangsläufig der Eindruck aufdrängen, dass es hier einer Einstellungsentscheidung wegen der zukunftsoffenen Bewilligung bedurfte. Hiervon ist offensichtlich auch die Antragsgegnerin ausgegangen, weil sie sowohl im Verwaltungs- als auch im Klageverfahren von der Rechtmäßigkeit des Einstellungsbescheids ausgeht, obwohl dieser bei einer eindeutigen Befristung der Leistungsbewilligung keinen Regelungsgegenstand hätte.

Der Bewilligungsbescheid vom 31. Oktober 2013 ist auch nicht durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. März 2014, mit dem der (erneute) Sozialhilfeantrag vom 25. Februar 2014 abgelehnt worden ist, für die Zeit ab März 2014 gegenstandslos geworden (§ 39 Abs. 2 SGB X). Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), nach der die Entscheidung über einen erneuten Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII eine zuvor ergangene Ablehnungsentscheidung für die Zeit bis zu dieser Ablehnung nach § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigt (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 – B 8/9b SO 12/06 R – juris Rn. 8; BSG, Urteil vom 2. Februar 2010 – B 8 SO 21/08 R – juris Rn. 9), betrifft nicht die Fallgestaltung, in der – wie hier – bereits eine für eine zukunftsoffene Dauer verfügte Leistungsbewilligung vorliegt. Eine solche Bewilligungsentscheidung erledigt sich nicht durch die (bloße) Ablehnung eines erneuten Antrags, der auf die gleichen Leistungen gerichtet ist, sondern bedarf (weiterhin) der Aufhebung nach Maßgabe der §§ 44 ff. SGB X, die hier im noch anhängigen Klageverfahren (- S 15 SO 46/14 -) streitgegenständlich ist (Einstellungsbescheid vom 31. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2014).

Dies bedeutet für den Leistungsanspruch der Antragstellerin zu 1 auf Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 einschließlich eines schwangerschaftsbedingten Mehrbedarfs in Höhe von insgesamt 446,94 € je Monat, dass sie sich weiterhin auf die Wirksamkeit des Leistungsbescheides vom 31. Oktober 2013 berufen kann.

Für den von den Antragstellerinnen geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB XII für die Zeit ab März 2014, bestehend aus dem Regelsatz für die Antragstellerin zu 2 und die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 357,00 € (Bruttokaltmiete) und 70,00 € (Heizkosten) sowie den den Mehrbedarf für werdende Mütter nach § 30 Abs. 2 SGB XII überschießenden Leistungsbetrag eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII gilt, dass die Antragstellerinnen diese Ansprüche nur durch eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG erstreiten können.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Nach diesen Maßgaben haben die Antragstellerinnen einen Anordnungsanspruch auf lebensunterhaltssichernde Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII i.V.m. Art. 1 EFA glaubhaft gemacht.

Dieser Anspruch scheitert nicht an § 21 Satz 1 SGB XII. Danach erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Dem Rechtsstandpunkt des SG ist insoweit zuzustimmen, dass damit im Grundsatz erwerbsfähige Hilfesuchende und nicht erwerbsfähige Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 SGB II – wie hier auch die Antragstellerinnen – dem Leistungssystem des SGB II zugewiesen sind, ohne dass daneben ein Anspruch auf lebensunterhaltssichernde Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII besteht. Nach Auffassung des Senats stellt die Formulierung in § 21 Satz 1 SGB XII „dem Grunde nach leistungsberechtigt“ nach dem SGB II zur Abgrenzung der Hilfesysteme des SGB II und des SGB XII aber nicht unmittelbar und auch nicht allein auf das Kriterium der Erwerbsfähigkeit ab, so dass es hier nicht maßgeblich darauf ankommt, ob die Antragstellerin zu 1 erwerbsfähig i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II ist, sondern vielmehr ob sie als freizügigkeitsberechtigte Unionsangehörige von einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II betroffen ist (dazu gleich).

Das Tatbestandsmerkmal dem „Grunde nach leistungsberechtigt“ nach dem SGB II i.S.d. des § 21 Satz 1 SGB II grenzt nur allgemein die Leistungssysteme nach dem SGB II und dem SGB XII nach dem Kriterium der Erwerbsfähigkeit ab. Die konkrete Auslegung der Norm orientiert sich vielmehr danach, ob der Hilfesuchende in den persönlichen Anwendungsbereich des SGB II einbezogen ist, weil er die Leistungsvoraussetzungen nach §§ 7 ff. SGB II erfüllt und auch sonst kein Leistungsausschluss nach dem SGB II vorliegt. Der Senat schließt sich insoweit der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 – L 9 AS 563/12 B ER – juris Rn. 59; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. November 2006 – L 20 B 248/06 AS ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Juni 2007 – L 9 B 80/07 AS ER -; Sächsisches LSG, Beschluss vom 4. Januar 2011 – L 7 SO 28/10 B ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2012 – L 14 AS 933/12 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. November 2012 – L 19 AS 1917/12 B ER – juris Rn. 28; LSG Hamburg, Beschluss vom 14. Januar 2013 – L 4 AS 332/12 B ER – juris Rn. 9; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. November 2013 – L 19 AS 578/13 B ER – juris Rn. 15; Eicher in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 21 Rn. 35; Coseriu in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 35; Greiser in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Anhang zu § 23 – Die Sozialhilfe als Gegenstand des Europäischen Rechts Rn. 97 f.; Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 21 Rn. 5; Wahrendorf in: GrubeANahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 23 Rn. 27a; Schumacher in: Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand: Oktober 2013, § 21 SGB XII Rn. 17b; Peters in: Estelmann, SGB II, Stand: Feb¬ruar 2014, § 7 Rn. 17; Classen in: Berlit/Conradis/Sartorius (Hrsg.), Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl. 2013, Kapitel 34, S. 730, Rn. 53; wohl auch Hahn/Knickrehm in: Eicher, SGB II, § 5 Rn. 17; Groth in: Beck-OK SGB XII § 21 Rn. 3; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 -L 15 AS 365/13 B ER – juris Rn. 65; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 19. August 2013 – L 13 AS 203/13 B ER – juris Rn. 18; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Juni 2012 – L 20 AS 1322/12 B ER – juris Rn. 43; Adolph in: Adolph, SGB II/SGB XII, Stand: März 2014, § 21 SGB XII Rn. 12; Thie in: LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 21 Rn. 5; wohl auch Hohm in: Schell-horn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 21 Rn. 9) an, nach der von dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II betroffene Personen nicht „dem Grunde nach leistungsberechtigt“ nach dem SGB II sind.

Für ein solches Verständnis spricht zunächst der Wortlaut des § 21 Satz 1 SGB II. Die Formulierung „dem Grunde nach leistungsberechtigt“ nach dem SGB II stellt nicht ausdrücklich auf die Erwerbsfähigkeit i.S.d. § 8 SGB II als übergeordnetes Abgrenzungskriterium der Leistungssysteme des SGB II und des SGB XII ab. Nach dem allgemeinen und auch juristischen Sprachgebrauch der Begriffe „dem Grunde nach“ und „der Höhe nach“ leistungsberechtigt (vgl. hierzu auch Eicher in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 21 Rn. 26) ist ersterer grundsätzlich so zu verstehen, dass der persönliche und sachliche Anwendungsbereich eines Gesetzes eröffnet sein muss, also sowohl die positiven Leistungsvoraussetzungen vorliegen als auch die negativen (z.B. Leistungsausschluss) nicht gegeben sind, ohne dass hierdurch eine Aussage über einen Anspruch auf Leistungen „der Höhe nach“ getroffen ist (auf den „Zahlungsanspruch“ stellt allerdings die Parallelvorschrift des § 21 Satz 1 SGB XII ab, vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II).

Sprachlich lässt sich der Norm ein weitergehendes Verständnis, nach dem individuelle, in der Person liegende Versagensgründe nach dem SGB II gleichwohl die Leistungsberechtigung „dem Grunde nach“ unberührt lassen, nicht entnehmen (anders bei der Abgrenzung des SGB II zum System der Ausbildungsförderung nach § 7 Abs. 5 SGB II, der auf die „dem Grunde nach“ förderungsfähige Ausbildung – nicht Person – abstellt, vgl. hierzu BSG, Urteil vom 22. August 2012 – B 14 AS 197/11 R – juris Rn. 14). Ein solches Verständnis kann allenfalls aus den Gesetzesmaterialien zum Erlass des SGB XII hergeleitet werden, nach denen § 21 Satz 1 SGB II zur Vermeidung von Schnittstellen „an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren im Zweiten Buch näher bezeichneten Angehörigen“ anknüpft (BT-Drs. 15/1514, S. 59 zu § 21). Die daraus ersichtliche Funktion als Abgrenzungsnorm der Leistungssysteme des SGB II und des SGB XII (vgl. hierzu Eicher in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2014, § 21 Rn. 10 ff.) führt aber nicht dazu, dass die einfachgesetzliche Auslegung der Norm – losgelöst vom Wortlaut – allein zu einer ausschließlichen Zuordnung von erwerbsfähigen Personen und nichterwerbsfähigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II) zum Leistungssystem des SGB II führt, ohne dass es bei der maßgeblichen Frage der Leistungsberechtigung dem Grunde nach auf evtl. vorliegende Leistungsausschlüsse nach dem SGB II ankäme. Hierfür besteht schon unter systematischen Gesichtspunkten kein Anlass. Das SGB II und das SGB XII sind nebeneinander stehende Existenzsicherungssysteme, die sich grundsätzlich gegenseitig ausschließen (Eicher in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 21 Rn. 15 m.w.N.). Greift ein Leistungsausschluss nach dem SGB II und ist damit grundsätzlich ein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen denkbar, enthält das SGB XII selbst Ausschlussnormen, die teilweise sogar mit denen nach dem SGB II inhaltlich übereinstimmen und insoweit einen systemübergreifenden Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII bezwecken. Nur so – mit Blick auf erwerbsfähige Ausländer – ergibt etwa der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative SGB XII, der ebenso wie § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitssuche abstellt, grundsätzlich Sinn. Die „Anwendungssperre“ für das SGB II aufgrund eines Leistungsausschlusses (so Eicher in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2014, § 21 Rn. 34) enthält also noch keine Aussage darüber, ob dem Betroffenen ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII zustehen könnte.

Auch Sinn und Zweck des § 21 Satz 1 SGB XII bestätigen dieses Normverständnis. Die Vorschrift soll verhindern, dass das SGB XII quasi als subsidiäres Leistungssystem bei Kürzungen oder Einstellungen von Leistungen nach dem SGB II zur Anwendung kommt und so derartige Leistungseinschränkungen nach dem SGB II faktisch wieder aufgehoben werden (so schon LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. November 2006 – L 20 B 248/06 AS ER – juris Rn. 26; vgl. auch Eicher in: juris-PK SGB XII, 2. Aufl. 2011, § 21 Rn. 41). Nicht das Kriterium der Erwerbsfähigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II sondern ein grundsätzlich möglicher Anspruch nach dem SGB II ist also für die Systemabgrenzung und damit für die Auslegung des Begriffs „dem Grunde nach leistungsberechtigt“ nach dem SGB II ausschlaggebend.

Nach diesen Maßgaben ist entscheidend, ob die Antragstellerin zu 1 als spanische Staatsangehörige, die sich – soweit ersichtlich – allein zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland aufhält, und ihre im gleichen Haushalt lebende Tochter, die Antragstellerin zu 2, von einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II betroffen sind. Die Frage des Ausschlusses von EU-Ausländern von Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist in Rechtsprechung und Literatur sehr umstritten (vgl. etwa die Übersicht über neueste Entscheidungen zum Leistungsausschluss von Kador/Greiser, ZFSH SGB 2014, S. 152-157) und Gegenstand von EuGH-Vorlagen des BSG (Beschluss vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 9/13 R – juris) und des SG Leipzig (Beschluss vom 3. Juni 2013 – S 17 AS 2198/12 – juris; Az. des EuGH: C-333/13 – Dano -).

Der ausschließlich für Angelegenheiten des Sozialhilfe- und Asylbewerberleistungsrechts zuständige Senat muss diese Frage im vorliegenden Verfahren nicht abschließend beantworten. In Gerichtsverfahren, in denen die hilfesuchende Person lebensunterhaltssichernde Leistungen der Sozialhilfe begehrt, ist zwar grundsätzlich auch die Beiladung des Leistungsträgers nach dem SGB II (§ 75 Abs. 2 2. Alternative SGG) und dessen Verurteilung zur Leistungsgewährung möglich (vgl. § 75 Abs. 5 SGG). Dies gilt entsprechend auch für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 2 SGG (Keller in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rn. 38 m.w.N.). Der Senat hält es insoweit in gerichtlichen Eilverfahren nicht für ausgeschlossen, in einem derartigen Fall, in dem zwischen den Beteiligten der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2 SGB II bzw. § 23 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative SGB XII streitig ist, das zuständige Jobcenter nach Beiladung aufgrund einer Folgenabwägung zur vorläufigen Gewährung von Leistungen nach dem SGB II zu verpflichten (so auch jüngst Sächsisches LSG, Beschluss vom 14. April 2014 – L 7 AS 239/14 B ER – juris Rn. 65 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – L 12 AS 2265/13 B ER, L 12 AS 2266/13 B – juris Rn. 5 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Dezember 2013 – L 2 AS 1726/13 B ER – juris Rn. 34; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. November 2013 – L 2 AS 841/13 B ER – juris Rn. 21; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 1. März 2013 – L 6 AS 29/13 B ER, L 6 AS 29/13 B ER PKH – juris Rn. 15; zur Zulässigkeit bei umstrittenen Rechtsfragen krit. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris Rn. 20, zuletzt Beschluss vom 26. März 2014 – L 15 AS 16/14 B ER – juris Rn. 9; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Januar 2014 – L 13 AS 266/13 B ER – juris Rn. 15; krit. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21: September 2012 – L 29 AS 1628/12 B ER – juris Rn. 33). Ob dies sogar auf Grundlage einer vorläufigen Entscheidung i.S.d. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Nr. 1 SGB III erfolgen kann, lässt der Senat ebenfalls offen (verneinend LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. März 2014 – L 15 AS 16/14 B ER – juris Rn. 10 f.).

Der Senat sieht aber von dieser Vorgehensweise aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) jedenfalls dann ab, wenn das Vorliegen eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II bereits gerichtlich bestätigt worden ist und ein Anspruch der hilfesuchenden Person – ein Leistungsausschluss nach dem SGB II unterstellt – auf Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII aufgrund anderer Rechtsgrundlagen in Betracht kommt. Damit stellt sich in diesen Fallkonstellationen auch nicht die Frage der Bindung an die gerichtliche Entscheidung über den Leistungsausschluss aus Gründen der formellen und materiellen Rechtskraft (zur Rechtskraft von gerichtlichen Eilentscheidungen vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 86b Rn. 44a, 19a).

Diese Maßgaben auf den vorliegenden Fall übertragen, geht der Senat hier nach der Entscheidung des 15. Senats des gleichen Gerichts vom 20. Februar 2014 (- L 15 AS 9/14 B ER -) zu Gunsten der Antragstellerinnen von einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB aus. Sie sind nicht „dem Grunde nach leistungsberechtigt“ nach dem SGB II i.S.d. § 21 Satz 1 SGB XII und können damit aufgrund des Gieichbehandlungsgebots aus Art. 1 EFA einen Anspruch auf lebensunterhaltssichernde Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII gegen die Antragsgegnerin geltend machen (dazu gleich). Aus diesem Grund hat der Senat auch von einer Beiladung des Jobcenters Bremens nach § 75 SGG abgesehen.

Dem Anspruch auf Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII steht § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht entgegen, nach dem diejenigen Ausländer sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt.

Für die Annahme, dass die Antragstellerin zu 1 nach Deutschland in der Absicht eingereist ist, um Sozialhilfe zu erlangen, fehlen hinreichende Anhaltspunkte. Nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1992 – 5 C 22/87 – juris Rn. 11 ff.) zu der Vorgängervorschrift § 120 Abs. 3 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in der Fassung vom 24. Mai 1983 (BGBl. 11983, S. 613) erfordert dieser Leistungsausschluss einen finalen Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe i.S. eines ziel- und zweckgerichteten Handelns. Beruht die Einreise des Ausländers auf verschiedenen Motiven, ist das Erfordernis des finalen Zusammenhanges auch erfüllt, wenn der Zweck der Inanspruchnahme von Sozialhilfe für den Einreiseentschluss von zumindest prägender Bedeutung ist; es genügt aber nicht, dass der Sozialhilfebezug beiläufig verfolgt oder anderen Einreisezwecken untergeordnet und in diesem Sinne nur billigend in Kauf genommen wird (BVerwG, a.a.O.).

Nach diesen Maßgaben sieht der Senat die Hauptursache für die Abhängigkeit der Antragstellerin zu 1 und in der Folge auch der Antragstellerin zu 2 von staatlichen Fürsorgeleistungen in der Trennung von ihrem Ehemann Ende September 2013, ohne dass es Hinweise für eine sozialhilferechtlich zu missbilligende Einreise nach Deutschland gibt. Insoweit kann hier das umstrittene Verhältnis des Leistungsausschlusses nach § 23 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB XII zu dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 1 EFA (dazu gleich) in denjenigen Fällen, in denen die hilfesuchende Person bereits bei Einreise hilfebedürftig war, dahinstehen (für einen Vorrang des Art. 1 EFA auch in diesem Fällen etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. November 2012 – L 19 AS 1917/12 B ER -juris Rn. 30 m.w.N.; krit. auch BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R – juris Rn. 39 f.; a.A. Coseriu in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 34; Greiser in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Anhang zu § 23 – Die Sozialhilfe als Gegenstand des Europäischen Rechts Rn. 101 ff.; Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 23 Rn. 27, 29).

Die Antragstellerinnen sind auch nicht gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB XII von Leistungen der Sozialhilfe ausgeschlossen, weil sich das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1 allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Dieser Leistungsausschluss ist bei Staatsangehörigen der Signatarstaaten des EFA, zu denen auch Spanien und die Bundesrepublik Deutschland gehören (und daneben Belgien, Dänemark, Estland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, die Türkei und Großbritannien), wegen des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 1 EFA nicht anwendbar (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 – L 9 AS 563/12 B ER – juris Rn. 58; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. November 2012 – L 19 AS 1917/12 B ER – juris Rn. 29; LSG Hamburg, Beschluss vom 14. Januar 2013 – L 4 AS 332/12 B ER – juris Rn. 9; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2012 – L 14 AS 933/12 B ER – juris Rn. 21; SG Düsseldorf, Urteil vom 17. April 2013 – S 17 SO 192/11 – juris Rn. 23; Greiser in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Anhang zu § 23 – Die Sozialhilfe als Gegenstand des Europäischen Rechts Rn. 99 f.; Coseriu in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 35; Hohm in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, 18. Aufl. 2010, § 23 Rn. 29e; Herbst in: Mergler/Zink, SGB XII/AsylbLG, Stand: August 2013, § 23 SGB XII Rn. 41a; Peters in: Estelmann, SGB II, Stand: Februar 2014, § 7 Rn. 17; a.A. unter Berufung auf § 21 Satz 1 SGB XII LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Juli 2012 – L 29 AS 1504/12 B ER – juris Rn. 93; vgl. zur Rechtslage im SGB II bis zur Erklärung des Vorbehalts Deutschlands zur Anwendbarkeit des EFA vom 19. Dezember 2011 – BGBl. II 2012, 144 – in Gestalt der berichtigten Fassung – BGBl. II 2012, 470 – BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R – juris Rn. 21 ff. sowie bereits Senatsbeschluss vom 14. Januar 2008 – L 8 SO 88/07 ER – juris; zur Wirksamkeit des Vorbehalts vgl. BSG, EuGH-Vorlage vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 9/13 R – juris Rn. 23).

Nach Art. 1 EFA ist jeder der Vertragschließenden verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind.

Art. 1 EFA ist in Deutschland seit Erlass des Gesetzes vom 15. Mai 1956 (BGBl. II 1956, 563) nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG transformiertes Völkerrecht und damit unmittelbar geltendes Bundesrecht (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R – juris Rn. 24), das auch seit Inkrafttreten des § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB XII in der Fassung vom 1. Dezember 2006 (BGBl. 12006, 2670) Gültigkeit hat (vgl. die insoweit auch für das SGB XII in gleicher Weise geltenden Ausführungen des BSG, a.a.O., Rn. 25-27). Von einem Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland ist schon deswegen nicht auszugehen, weil die Leistungen nach dem SGB XII seit dem 19. Dezember 2011 ausdrücklich als Fürsorgeleistungen i.S.d. Art. 1 EFA im Anhang I zum EFA aufgeführt sind (vgl. die Veröffentlichung auf der offiziellen Seite des Europarates http://conventions.coe.intirreatv/Commun/QueVoulezVous.asp?NT=014&CM=8& DF=9/17/2006&CL=GER, abgerufen am 2. Mai 2014) und der Vorbehalt vom 19. Dezember 2011 (a.a.O.) nur „die in dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – in der jeweils geltenden Fassung vorgesehene Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten“ nach dem 8. Kapitel des SGB XII (§§ 67-69 SGB XII) von der Anwendbarkeit des EFA herausnimmt. Für die hier streitigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem 3. Kapitel des SGB XII, aber auch für die nach § 48 Satz 2 SGB XII vorrangige Übernahme der Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII durch die Krankenkasse nach § 264 Abs. 1 Satz 1 SGB V (sog. „Quasiversicherung“, vgl. BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 35/07 R — juris Rn. 23), gilt das EFA vorbehaltslos.

Die Voraussetzungen für den Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 1 EFA liegen auch im Übrigen vor. Die Antragstellerinnen halten sich „erlaubt“ i.S.d. Art. 1 EFA i.V.m. Art. 11 Abs. a Satz 1 EFA in Deutschland auf (zu diesem Tatbestandsmerkmal vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R – juris Rn. 36-38). Die Antragstellerin zu 1 ist als Arbeitsuchende gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt. Das Recht auf Freizügigkeit der Antragstellerin zu 2 als Familienangehörige ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU. Sie bedürfen für den erlaubten Aufenthalt in Deutschland keines Aufenthaltstitels (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU).

Der wegen der Kenntnis der Antragsgegnerin vom Hilfebedarf (§ 18 Abs. 1 SGB XII) vorläufig zu erfüllende Leistungsanspruch der Antragstellerinnen nach dem 3. Kapitel des SGB XII umfasst den notwendigen Lebensunterhalt nach § 27a SGB XII, einschließlich eines Mehrbedarfs der Antragstellerin zu 1 für Alleinerziehende nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII in Höhe von 36 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII, und die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Weil sich die Antragstellerin zu 1 wegen der aufschiebenden Wirkung der Klage (- S 15 SO 46/14 -) gegen den Einstellungsbescheid vom 31. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2014 weiterhin auf die Wirksamkeit der Bewilligung von Leistungen in monatlicher Höhe von 446,94 € durch Bescheid vom 31. Oktober 2013 berufen kann (s. oben), erstreckt sich die gerichtliche Regelungsanordnung i.S.d. § 86b Abs. 2 SGG insoweit auf den im Jahr 2014 um 9,00 € erhöhten Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1 (391,00 €) und die Differenz des bewilligten Mehrbedarfs für werdende Mütter nach § 30 Abs. 2 SGB XII (64,94 €) zu dem hier maßgeblichen Mehrbedarf für Alleinerziehende nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII (140,76 €), also auf 84,82 € (9,00 € + 75,82 €). Der Regelbedarf der im Dezember 2013 geborenen Antragstellerin zu 2 bemisst sich nach der Regelbedarfsstufe 6 und beläuft sich im Jahr 2014 auf 229,00 €. Die vorläufig zu übernehmenden Leistungen für Unterkunft und Heizung betragen für die Antragstellerinnen nach dem Untermietvertrag vom 2. Dezember 2013 437,00 € je Monat (300,00 € Grundmiete, 57,00€ Nebenkosten, 70,00 € Vorauszahlung für Heizung). Über die bereits bewilligten Leistungen von 446,94 € hinaus sind den Antragstellerinnen demnach vorläufig weitere Leistungen in monatlicher Höhe von 750,82 € zu gewähren (Gesamthöhe der monatlichen Leistungen: 1.197,76 €).

Die Antragstellerinnen haben auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, weil sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts – soweit ersichtlich – über keine finanziellen Mittel aus Einkommen oder Vermögen verfügen.

Die Regelungsanordnung ist in zeitlicher Hinsicht begrenzt auf den (rechtskräftigen) Abschluss eines der Klageverfahren über die Frage des Leistungsanspruchs der Antragstellerinnen nach dem SGB XII oder SGB II, die in den beim SG anhängigen Klageverfahren betreffend die Ablehnung bzw. Einstellung von existenzsichernden Leistungen (- S 23 AS 2566/13 – oder – S 15 SO 46/14 -) – ggf. nach Beiladung des jeweils (noch) nicht beteiligten Leistungsträgers nach dem SGB II bzw. SGB XII gem § 75 SGG – beantwortet werden wird. Der Senat hat zusätzlich eine fixe zeitliche Begrenzung der Regelungsanordnung bis zum 31. Oktober 2014 als sachgerecht erachtet, um die Antragsgegnerin nicht über Gebühr zu binden und in zukünftigen Verfahren des gerichtlichen Eilrechtsschutzes ggf. ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen zu dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II angemessen Rechnung tragen zu können (z.B. einer Entscheidung des EuGH in der Rechtsache Dano – C-333/13 -oder über den Vorlagebeschluss des BSG vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 9/13 R – juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Antrag der Antragstellerinnen auf Gewährung von PKH zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens war abzulehnen, weil die Antragsgegnerin die ihnen durch das Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat und den Antragstellerinnen daher für ihren PKH-Antrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.

Siehe zur ablehnenden PKH Entscheidung den Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 07.05.2014 – L 8 SO 127/14 B

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